Bottrop. Im Februar beginnt der Prozess gegen den früheren Bottroper Ordnungsamtschef, seine Ehefrau sowie ein Security-Paar. Diese Strafen drohen ihnen.
Man kann einen spannenden Prozess erwarten, wenn die Wirtschaftskammer des Essener Landgerichtes den Bottroper Korruptionsfall verhandelt. Zwölf Verhandlungstage sind angesetzt, knapp 30 Zeugen sind geladen.
Die Kammer hat die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen und das Verfahren uneingeschränkt eröffnet, wie Landgerichtssprecher Mathias Küsters auf Anfrage mitteilt. Das heißt: Sie hat alle Anklagepunkte, die die Staatsanwaltschaft vorgebracht hatte, angenommen. Prozessauftakt ist der 10. Februar, die zwölf Verhandlungstage erstrecken sich bis Ende April.
Ab dem dritten Verhandlungstag werden die ersten Zeugen aussagen, darunter mehrere städtische Mitarbeiter. Nicht geladen sein werden Oberbürgermeister Bernd Tischler und der ehemalige Rechtsdezernent Paul Ketzer. Als Zeuge aussagen muss aber der aktuelle Rechtsdezernent und frühere Fachbereichsleiter für Recht und Ordnung, Emilio Pintea.
Bottroper Korruptionsfall: Vier Personen sind angeklagt
Auf der Anklagebank werden dann vier Personen sitzen: der frühere Abteilungsleiter im Fachbereich Recht und Ordnung und seine Ehefrau, die ebenfalls Beschäftigte der Bottroper Stadtverwaltung war. Außerdem der Gründer und frühere Betriebsleiter einer Security-Firma in Bottrop sowie dessen Ehefrau, die aktuell als Geschäftsführerin ebendieses Wachdienstes fungiert.
Die Ermittlungen zu dem Fall hatten im Februar 2023 begonnen: Damals durchsuchten Zoll und Polizei im Auftrag der Essener Staatsanwaltschaft einen Dienstraum im Ordnungsamt sowie mehrere Privatwohnungen und Geschäftsräume. Der Vorwurf: Unregelmäßigkeiten bei der städtischen Vergabe von Aufträgen an eine Sicherheitsfirma.
Mehr als ein Jahr lang zogen sich die Ermittlungen hin, bis die Staatsanwaltschaft schließlich im Frühjahr 2024 Anklage erhob. Sie wirft dem früheren Ordnungsamtschef 119 strafbare Handlungen vor, seiner Ehefrau 63. Dem früheren Wachdienst-Boss werden 25 Delikte zur Last gelegt, seiner Ehefrau 23.
WAZ-Berichterstattung rund um den Bottroper Korruptionsfall
- Zeugen mit Gedächtnislücken
- Amtsleiter weist Vorwurf der Vorteilsnahme zurück
- Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-Ordnungsamtschef
- Korruption im Ordnungsamt? Ermittlungen im Rathaus
- Korruptionsverdacht: Das ist seit Ermittlungsstart passiert
- Vertrauensverlust: Stadt kündigt Sicherheitsdienst
- Parteien: Hinweise auf Korruption gab es schon vor Jahren
- Nach Korruptionsverdacht: Bottrop besetzt Stelle neu
Security-Paar soll Geld an ehemaligen Abteilungsleiter geschickt haben
Bei den Vorwürfen gegen das Security-Pärchen geht es um die Straftat Vorteilsgewährung beziehungsweise die Beihilfe dazu. Es soll zwischen 2020 und 2022 monatlich Geld an die Ehefrau des Ex-Ordnungsamtschefs überwiesen haben. Basis für die Überweisungen sei laut Anklageschrift ein fingierter Arbeitsvertrag gewesen – dabei war die Ehefrau nie für den Wachdienst tätig. Rund 30.000 Euro sollen auf ihr Konto geflossen sein.
Im Gegenzug soll ihr Mann die besagte Security-Firma bei kurzfristigen Aufträgen bevorzugt haben. Zum Beispiel bei Bombenentschärfungen oder anderen Lagen kann die Stadt unbürokratisch einen Sicherheitsdienst zur Unterstützung anfordern, ohne auszuschreiben.
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Der Chef des Kommunalen Ordnungsdienstes soll eine seiner Mitarbeiterinnen angewiesen haben, in solchen Fällen immer diesen einen Sicherheitsdienst hinzuzuziehen. Dafür habe er laut Anklageschrift nicht nur Geld über seine Ehefrau bekommen, sondern auch andere Annehmlichkeiten, wie Freikarten für Heimspiele des FC Schalke 04.
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Weitere Vorwürfe: Dokumentenfälschung, Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, Steuerhinterziehung
In der Anklage gegen den früheren städtischen Abteilungsleiter und seine Ehefrau geht es aber nicht nur um Vorteilsannahme, der Vorstufe von Bestechlichkeit. Sie sind zudem wegen Fälschung von Dokumenten, Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz sowie Steuerhinterziehung angeklagt.
So soll der frühere Ordnungsamtschef seiner Frau und seinen Kindern gefälschte Negativ-Bescheinigungen von Corona-Tests sowie falsche Impfzertifikate ausgestellt haben. Außerdem habe das Ehepaar Steuern in Höhe von 17.000 Euro hinterzogen, indem es die Fahrten der Frau zur Arbeit, der sie aber nie nachgegangen ist, als Werbungskosten in der Steuererklärung aufgeführt hat. Und das Paar soll Sozialversicherungsbeiträge verkürzt haben, weil der Mann eine Mini-Job-Tätigkeit auf seine Frau geschrieben hat.
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Außerdem wird ihm vorgeworfen, eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben. Der Beamte war nach Beginn der Ermittlungen von der Stadt Bottrop suspendiert worden und vor dem Verwaltungsgericht dagegen vorgegangen. Im Verfahren hatte er an Eides statt erklärt, seine Frau habe für den Sicherheitsdienst gearbeitet – das ist nach den Ermittlungen allerdings eine Falschbehauptung.
Das Strafmaß für Vorteilannahme beziehungsweise Vorteilsgewährung liegt bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Die Gesamtstrafe könnte im Falle einer Verurteilung aber noch höher ausfallen, weil weitere Straftaten angeklagt sind. Diese würden, so erklärt es Landgerichtssprecher Mathias Küsters, nicht einfach addiert, sondern es würde durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe eine Gesamtstrafe gebildet.