Bottrop. Prozessauftakt um Vorteilsannahme im Amt, Steuerbetrug und Urkundenfälschung gegen Bottrops Ex-Ordnungsamtschef. Drei Personen mitangeklagt.

Nein, ihre Gesichter für Fotos und Fernsehen zeigen wollen die vier Angeklagten im Bottroper Korruptionsprozess beim Prozessauftakt im Essener Landgerichts nicht. Ansonsten geht es recht sachlich und nüchtern zu im Saal. Blickfang ist allerdings das rosafarbene T-Shirt des früheren Ordnungsamtsleiters der Stadt.

Die Liste der Anklageschrift, die Staatsanwalt Bolik verlesen wird: Wie zu erwarten ermüdend lang, gespickt mit Daten, Geldsummen, die sich im fünfstelligen Bereich bewegen. Bis es zur Verlesung kommt, wird die Verhandlung nach wenigen Minuten unterbrochen. Es gibt kleinere Scharmützel zur Prüfung der Besetzung des Gerichts. Eine falsche Schöffin wurde mitgeteilt, die ursprünglich genannte weilt im Urlaub auf Sri Lanka. Roland Rautenberger, Anwalt des Ex-Amtsleiters, fordert die Prüfung. Lars Brögeler, Anwalt der Ehefrau, schließt sich an. Richter Mathias Röcken unterbricht. Zehn Minuten später geht es weiter.

Verteidigung moniert die Anwesenheit möglicher späterer Zeugen beim Prozessauftakt im Gerichtssaal

Die Anwälte monieren, dass Mitarbeiter der Bottroper Stadtverwaltung, darunter auch der aktuelle Ordnungsamtsleiter, der Nachfolger des Angeklagten, im Zuschauerbereich sitzen. Er könnte möglicherweise aufgrund seiner Position später einmal als Zeuge in Betracht kommen, so heißt es aus der Verteidigung. Richter Röcken sieht darin kein Problem. Erst nach der Pause mahnt er Richtung Zuschauerbereich, man möge doch Feixen oder Tuscheln unterlassen. Nach weiteren zehn Minuten Pause kann der Staatsanwalt mit der Verlesung der Anklage beginnen.

Allein dem früheren Amtsleiter (52) werden 119 strafbare Handlungen vorgeworfen, darunter Vorteilsnahme im Amt, Steuerhinterziehung, die Fälschung von Dokumenten und Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz während der Corona-Pandemie. Tage, Jahreszahlen, Geldsummen schwirren durch den Saal. Von der Security-Firma sollen zwischen 2020 und 2022 durch einen zur Tarnung fingierten Arbeitsvertrag mit der Ehefrau (39) des Angeklagten rund 30.000 Euro auf beider Konten geflossen sein. Nur hat die Ehefrau laut Anklage dort nie tatsächlich Tätigkeiten ausgeführt.

Zehntausende von Euro sollen in dem Korruptionsskandal geflossen sein. Dazu kommt Steuerhinterziehung und zu wenig gezahlte Sozialbeiträge.
Zehntausende von Euro sollen in dem Korruptionsskandal geflossen sein. Dazu kommt Steuerhinterziehung und zu wenig gezahlte Sozialbeiträge. © Montage: Lisa-Marie Pütter | Christoph Wojtyczka / FFS /Adobe Stock

In einem Eilverfahren gegen die vorläufige Dienstenthebung des Ex-Amtsleiters vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen habe der an Eides statt falsch versichert, dass seine Ehefrau tatsächlich bei der Sicherheitsfirma beschäftigt gewesen sei. In der Steuererklärung seien zwischen 2018 bis 2021 tatsächlich nicht angefallene Werbungskosten für angebliche Fahrten zur fiktiven Arbeitsstelle bei der Sicherheitsfirma geltend gemacht worden.

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Dazu kommt, dass der Ex-Amtsleiter als Fahrlehrer im Nebenjob bei einer Fahrschule gearbeitet habe. Um die Steuerlast zu senken, solle ein Teil seines Einkommens als Minijob der Ehefrau abgerechnet worden sein und der Angeklagte weitere Bargeldzahlungen erhalten haben. Durch die Meldung der Zahlungen der Fahrschule auf Minijobbasis und die weiteren Bargeldzahlungen seien Gesamtsozialversicherungsbeiträge verkürzt worden. Beide hätten sich gegenseitig unterstützt, indem der Angeklagte laut Anklageschrift Bargeld angenommen und die Angeklagte ihr Konto zur Verfügung gestellt habe.

Als weitere Vorteilsnahmen in der Amtszeit werden Essenseinladungen, die Überlassung eines Vans für eine Mallorca-Reise und freier Eintritt bei Schalke genannt. 3500 Euro sollen an den Ex-Amtsleiter geflossen sein, weil der einem Zeugen mit seinem Einfluss bei der Beschaffung eines Sachkundenachnachweises für die Führung eines Sicherheitsunternehmens zu helfen. Der Sachkundenachweis wurde in der Folge erteilt.

Prozess um Korruption in Bottrop wird am 17. Februar am Essener Landgericht fortgesetzt

Der frühere Amtsleiter habe weiterhin seinen Einfluss geltend gemacht, um der Firma des mitangeklagten Security-Pärchens Aufträge zu verschaffen. So habe er Mitarbeiter angewiesen, kurzfristig zu erledigende Security-Aufträge, so bei Bombenentschärfungen, Straßensperrungen oder der Unterstützung von Abschiebungen, an die Sicherheitsfirma zu vergeben.

Weiter soll der Angeklagte zwischen 2021 bis 2022 in 26 Fällen für seine Ehefrau und seine zwei Kinder Negativbescheinigungen über das Vorliegen eines positiven oder negativen Corona-Tests angefertigt und dafür echte Bescheinigungen am Computer verändert haben.

WAZ-Berichterstattung rund um den Bottroper Korruptionsfall

Am ersten Prozesstag verzichtet die Ehefrau des früheren Ordnungsamtsleiters auf Einlassungen, wie ihr Anwalt Lars Brögeler mitteilt. Der angeklagte frühere Amtsleiter hat in seiner Stellungnahme lediglich die Fälschung der Coronatests eingeräumt, vor allem bei den Einschränkungen im privaten Bereich während der Pandemie. Vorwürfe der Vorteilsnahme hat er aber bestritten, so sein Anwalt Roland Rautenberger. De facto habe der Ex-Amtsleiter dem ebenfalls angeklagten damaligen Leiter der Sicherheitsfirma keine Aufträge zugeschanzt. Verwaltungsinterne Vorgänge seien immer beachtet worden.

Die umfangreichen Stellungnahmen der Angeklagten liegen nun Gericht und Staatsanwaltschaft vor. Der Prozess wird am 17. Februar in Essen fortgesetzt. Dann sind wohl auch erste Zeugenaussagen zu erwarten.