Bottrop. Die Stadt Bottrop wollte die Zusammenarbeit seit Monaten beendet haben: Trotzdem zahlt sie Hunderttausende Euro an einen verdächtigen Wachdienst.
Fast ein Jahr ist es her, da hatte der Verwaltungsvorstand der Stadt Bottrop angekündigt, die Zusammenarbeit mit einem Bottroper Sicherheitsdienst wegen Vertrauensverlusts zu beenden. Mit ebenjenem, der in Zusammenhang mit den Korruptionsermittlungen im Rathaus steht. Mittlerweile ist Anklage erhoben worden gegen den früheren Betriebsleiter des Wachdienstes und gegen seine Ehefrau, die als Geschäftsführerin fungiert. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Vorteilsgewährung vor. Um Aufträge zu bekommen, sollen sie den früheren Abteilungsleiter des Fachbereichs Recht und Ordnung illegal bezahlt haben. Trotzdem läuft ein großer Sicherheitsauftrag an diese Firma immer noch weiter – und kostet die Stadt hunderttausende Euro.
Es geht um die Bewachung der Unterkunft am Borsigweg, in der vor allem Obdachlose untergebracht sind. In der Corona-Zeit hatte die Stadt Bottrop den Sicherheitsdienst engagiert, um die Schutzmaßnahmen einhalten zu können. Der Auftrag war damals freihändig vergeben worden, obwohl ein Auftrag dieser finanziellen Größenordnung normalerweise ausgeschrieben werden muss.
Stadt Bottrop hat seit Ermittlungsbeginn mehr als eine halbe Million Euro an Wachdienst gezahlt
Der Sicherheitsdienst bekommt laut Vertrag 18,50 Euro pro Mitarbeiter pro Stunde. Hinzu kommen Sonn- und Feiertags- sowie Nachtzuschläge. Bottrops stellvertretender Stadtsprecher Ulrich Schulze bezifferte im April 2023 den finanziellen Aufwand auf monatlich 30.000 bis circa 37.000 Euro, also rund 400.000 Euro im Jahr. Das bedeutet, dass die sich in der Haushaltssicherung befindliche Stadt Bottrop seit Beginn der Ermittlungen mehr als eine halbe Million Euro an den Wachdienst gezahlt hat.
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Denn der Vertrag lief weiter, auch nach der Corona-Krise. Und tut es noch immer. Die freihändige Vergabe war damals damit begründet worden, dass „unverzügliches Handeln“ geboten gewesen sei. Erst in diesem Jahr hat die Stadt den Auftrag neu ausgeschrieben.
Doch obwohl der neue Auftragnehmer am 15. Juli hätte starten sollen, sichert der Bottroper Wachdienst, mit dem die Stadt eigentlich nicht mehr hatte zusammenarbeiten wollen, weiterhin den Borsigweg. Warum?
Stadt Bottrop verlängert Ausschreibungsverfahren für Security-Auftrag
„Aufgrund eines neuen Tarifabschlusses im Bewachergewerbe wurde das Ausschreibungsverfahren bis zum 20. September (Bindefristverlängerung) verlängert“, teilt die Stadt in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Das Ergebnis der Ausschreibung für den neuen Sicherheitsdienst werde Anfang September im Bau- und Verkehrsausschuss beschlossen, der neue Wachdienst soll am 20. September starten.
Seit 1. Juni 2024 gilt für Sicherheitsmitarbeiter ein neuer Tarif – für Firmen, die Mitglied im Arbeitgeberverband sind. Für Flüchtlingsunterkünfte beträgt der gesetzliche Mindestlohn in Nordrhein-Westfalen nun 15,49 Euro. Der Zuschlag in der Nacht liegt bei zehn Prozent, sonntags bei 50 Prozent und an Feiertagen bei 100 Prozent. Mit der Verlängerung des Ausschreibungsverfahrens könnten, so die Stadt, „die einzelnen Bieter den entsprechenden Nachforderungen und Erläuterungen nachkommen“.
WAZ-Berichterstattung rund um den Bottroper Korruptionsfall
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Denn in der Vergangenheit waren mehrfach Aufträge zu Niedrigpreisen vergeben worden. Zuletzt hatten Firmen für die Sicherung von Flüchtlingsunterkünften in Bottrop mit Angeboten über 18,50 Euro, 18,95 Euro und 19,90 Euro pro Stunde und Mitarbeiter den Zuschlag bekommen. Nach dem neuen Tarif kostet jeder Mitarbeiter inklusive Lohnnebenkosten in Höhe von rund 20 Prozent aber schon 18,60 Euro die Stunde. Zusätzliche Kosten wie Dienstwagen und Kleidung sowie Versicherungen und Fortbildungen sind da ebenso wenig eingerechnet wie Ausfälle durch Krankheit.
Die Entscheidung für den Borsigweg fällt nun also erst im Spätsommer. Die Ausschreibung, angekündigt im vergangenen Jahr, hatte sich ohnehin bereits verzögert. Grund dafür seien „personelle Engpässe“ gewesen, so die Stadt im Frühjahr.
Verzögerung kostet Stadt Bottrop Geld, das gespart werden sollte
Hinzu kommt: Diese Verzögerung kostet die Stadt Geld, das sie eigentlich hatte sparen wollen. Denn schon im März hatte die Stadt beschlossen, das Sicherheitspersonal an Unterkünften zu reduzieren. Und schon damals hatte die stellvertretende Sozialamtsleiterin Pia Blümling gesagt, dass es vertretbar sei, den Borsigweg nur noch von 20 bis 6 Uhr zu sichern, weil man die Kontaktstelle gestärkt und einen weiteren Sozialarbeiter eingesetzt habe. Vor Corona hatte es dort gar keinen Sicherheitsdienst gegeben. Entsprechend ist der neue Auftrag in der Ausschreibung auf 20 bis 6 Uhr reduziert worden.
Nun zahlt die Stadt aber weiter für einen Rund-um-die-Uhr-Dienst, den sie schon vor Monaten nicht mehr für nötig hielt. An eine Firma, mit der sie nicht mehr zusammenarbeiten wollte. Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den früheren Betriebsleiter und die Geschäftsführerin – sowie gegen den früheren Ordnungsamtschef und dessen Ehefrau – ist vom Landgericht Essen noch nicht zugelassen. Eine Entscheidung über einen Prozess wird nach den Sommerferien erwartet.