Bottrop. In Bottrop ist ein ganzer Stadtteil in Aufruhr. Ein Entsorgungsbetrieb verursacht unangenehme Gerüche. Nun kommt eine Fliegenplage dazu.
In Ebel herrscht dicke Luft. Schon seit geraumer Zeit zieht ein übelriechender Gestank durch den Stadtteil. Und jetzt gesellt sich zu ihm noch eine Fliegenplage. In den Augen der Anwohner ist das Entsorgungsunternehmen Renature von der anderen Seite der Borbecker Straße der Verursacher. Beim WAZ-Besuch entladen sich der Frust und die Wut. Auch gegen die Stadtverwaltung.
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„Ich habe chronische Bronchitis“, beschwert sich ein Anwohner. Als „ätzend“ und „beißend“ bezeichnet er den Gestank. Er überlegt sogar Anzeige zu erstatten. „Ich muss mich doch wehren, wenn es um meine Gesundheit geht.“
Eine andere, ältere Anwohnerin berichtet davon, dass sie in Ebel groß geworden sei. Sie hat die Zeiten erlebt, als Berne und vor allem die Emscher für unangenehme Gerüche sorgten. „Das, was da so stinkt, können nicht nur Grünabfälle sein. Das geht nicht mit rechten Dingen zu“, sagt sie.
Renature-Geschäftsführer: „Wir machen, was Recht und genehmigt ist“
Gegenüber der WAZ hatte Renature-Geschäftsführer Felix Koch zuletzt betont: „Wir machen, was Recht und genehmigt ist.“
Unter anderem lädt auch die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best) den Müll aus der braunen Tonne auf dem Gelände am Rhein-Herne-Kanal ab. Das Material aus der Tonne wird von Störstoffen wie Plastik oder Kleidung befreit, anschließend wird das übrig gebliebene Material zerschreddert und in Kompostmieten über mehrere Wochen gelagert. Unter einer Membranplane beginnt der biologische Prozess des Abbaus.
Stefan Kaufmann, Vorsitzender der Best, erklärte vor einigen Wochen beim Besuch der WAZ auf dem Gelände, dass es zu Gerüchen kommen kann. Das sei der Fall, wenn das zersetzte Material in den Mieten umgelagert wird. Doch sowohl Renature als auch die Best verweisen auf die Genehmigung. „Es darf aufgrund bestimmter Prozesse und zu bestimmten Zeiten riechen“, so Stefan Kaufmann damals.
Das sehen sehr viele in Ebel anders. „Diejenigen, die so etwas genehmigt haben, müssen doch eine Ahnung davon haben, welche Auswirkungen das Ganze hat“, meint ein Anwohner. Genehmigungsbehörde ist die Stadtverwaltung. „Denen sind wir doch sowieso scheißegal“, schimpft ein Ebeler adressiert an Stadtverwaltung. Eine Ebelerin ruft: „Wir sind hier in Ebel doch die Fußabtreter von Bottrop.“
„Wir schlafen mittlerweile auf der Couch. Wir können das Fenster nicht mehr öffnen. Der Gestank bleibt über Stunden in unserem Haus.““
Denn man ist seit Jahren leidgeprüft. Unter anderem: eine jahrelange Sperrung der Berne-Brücke, dazu monatelange Baustellen wegen Straßen- und Kanalsanierungen. Es gibt noch immer kein Verkehrskonzept für den Bottroper Süden. Dazu kommt der Schwerlastverkehr, der weiterhin durch den Stadtteil rollt. Darüber hinaus, die Schließung des Matthiashauses als Treffpunkt und der verzögerte Umbau des Areals, lassen die Emotionen überkochen.
Zeitlich lässt sich der Gestank nicht einordnen. „Mal morgens, dann mittags und dann am Nachmittag“, sagt eine Anwohnerin, die am Matthias-Kirch-Weg wohnt. Auch während des Besuchs der WAZ weht zweimal ein unangenehmer und undefinierbarer Geruch zum Treffpunkt. Eine Frau habe diesen Geruch bis zum Lichtenhorst nahe der A42 wahrgenommen, bezeugen könnten dies auch Anwohner von der angrenzenden Asbeckstraße und Giesenfort. „Wir bilden uns das doch nicht ein“, meint eine Anwohnerin.
So nehmen die Anwohner in Ebel die Geruchsbelästigung wahr
Der Stadtteil macht deshalb mobil. Es werden Geruchsmeldungen gesammelt. Ein paar Auszüge daraus liegen der WAZ vor: „Wir schlafen mittlerweile auf der Couch. Wir können das Fenster nicht mehr öffnen. Der Gestank bleibt über Stunden in unserem Haus“, „Ich bin dagegen allergisch, bekomme Atemnot und meine Zunge schwillt an“, „Der Geruch erzeugt Würgereize“ oder „Es stinkt beim Grillen. Leider wieder nur drinnen essen.“
Ein Anwohner berichtet, dass er seinen kompletten Balkon mit einem Fliegennetz geschützt hat. Grillen an der frischen Luft ist unmöglich geworden, kritisieren mehrere Ebeler. Zudem würden die Kinder unter der Fliegenplage leiden. Die Anwohner sehen darin einen direkten Zusammenhang mit dem beißenden Geruch.
„Ich bin dagegen allergisch, bekomme Atemnot und meine Zunge schwillt an.““
Diese Geruchsmeldungen werden seit April dieses Jahres gesammelt und an die Stadtverwaltung geschickt. Auch Oberbürgermeister Bernd Tischler wird, wie jedenfalls von einer Anwohnerin angekündigt, bald Post mit Beschwerden aus Ebel erhalten. Es wird sogar aktuell überlegt, Klage gegen den Entsorgungsbetrieb einzureichen.
Im Zuge des Großprojekts „Freiheit Emscher“ sollen im Stadtteil neue Wohnungen entstehen. „Man will doch Ebel aufwerten“, merkt ein Anwohner an, „aber so wertet man doch keinen Stadtteil auf, im Gegenteil.“
Geruchsbelästigung wird wieder Thema in der Bezirksvertretung-Süd
Die Anwohner kritisieren, dass der Entsorgungsbetrieb häufiger kontrolliert werden müsse. Der Gestank solle aufhören, wird vehement gefordert. „Die technischen Möglichkeiten sind doch bestimmt noch nicht ausgereizt“, ärgert sich ein Anwohner. Auch die Politik bekommt ihr Fett weg. „Bei den Altparteien wird doch nur gekungelt.“
Marian Krzykawski (SPD), stellvertretender Bezirksbürgermeister für den Bottroper Süden, verfolgt vor Ort die lebhafte und emotionale Diskussion. Das Thema soll bei der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung-Süd am Donnerstag, 22. August, auf der Tagesordnung stehen. „Ich will jetzt endlich wissen, was da vor sich geht“, sagt er mit Blick auf den Entsorgungsbetrieb.
Ihn ärgere die lange Wartezeit bei Anfragen an die Verwaltung und über die jeweiligen Zuständigkeiten. Er verfolgt die Berichterstattung und hat die Aussagen von Renature zur Kenntnis genommen. „Die Wahrnehmung der Bevölkerung ist aber eine andere“, sagt er.
Aufgeben ist jedenfalls keine Option im Stadtteil. Sie werden weiter kämpfen. „Wir stehen hier zusammen in Ebel“, sagt ein wütender Anwohner.
Was die Stadtverwaltung zu den Vorwürfen aus Ebel sagt
„Dem Fachbereich Umwelt und Grün ist die Problematik in Ebel bekannt, die durch den Betrieb der Renature GmbH verursacht ist und sie wird auch sehr ernst genommen“, teilt die städtische Pressestelle auf WAZ-Anfrage mit. Man bestätigt die Liste mit den Geruchsbelästigungen. „Mithilfe dieser Angaben und zusätzlich regelmäßigen Kontrollen vor Ort versuchen wir zu ermitteln, welche Betriebsabläufe maßgeblich zum Entstehen der Belästigungen beitragen.“
Nach eigener Aussage fühlen sich die Anwohner in Ebel übergangen und man sei im Vorfeld angesichts der Ansiedlung von Renature nicht informiert worden.
Genehmigung des Bebauungsplanes liegt mehr als 40 Jahren zurück
„Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, an das wir zwingend gebunden sind, sieht der Gesetzgeber die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht vor“, schreibt dazu die städtische Pressestelle.
Klaus Müller, Technischer Beigeordneter und Dezernent für die Fachämter wie Stadtplanung sowie Umwelt und Grünflächen, erklärt, dass der Bebauungsplan für das Gelände von einst Prosper 1 zwischen 1980 und 1982 aufgestellt worden ist.
„Die öffentliche Auslegung hat vom 3. November 1980 bis 3. Dezember 1980 stattgefunden.“ Kaum zu glauben, aber wahr. Klaus Müller: „Wir haben hier die Situation, dass zwischen der Bürgerbeteiligung und der Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz mehr als 40 Jahre gelegen haben.“
Ein echter Sonderfall in Bottrop, das heißt im Klartext: Auf Grundlage der öffentlichen Beteiligung und eines genehmigten, rechtsgültigen Bebauungsplanes von vor vier Jahrzehnten für ein irgendwann künftiges Gewerbe auf der Fläche musste von Rechtswegen für Renature keine weitere Bürgerbeteiligung stattfinden.
„Wenn man feststellt, dass nicht dauerhaft der Zustand gewährleistet werden kann, wie er genehmigt ist, müssen wir seitens der Stadt einschreiten.““
Der Entsorgungsbetrieb erhielt die Genehmigung nach Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Der Betrieb wurde laut Stadt genehmigt, „da auf Grundlage der eingereichten Antragsunterlagen und insbesondere der darin enthaltenen Gutachten zu den zu erwartenden Geruchs- und Lärmimmissionen nachgewiesen werden konnte, dass die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden“.
Geruchsmessungen durch unabhängigen Sachverständiger geplant
Der Betrieb sei im vergangenen Monat durch die Behörden wie Abfallwirtschaft, Bodenschutz, Immissionsschutz, Wasserrecht umfangreich kontrolliert worden. Das Ergebnis dieser Überprüfung habe der Betreiber erhalten und Fristen auferlegt bekommen, um die darin enthaltenen Mängel zu beseitigen. Des Weiteren werde in Kürze eine Geruchsmessung durch einen unabhängigen Sachverständigen stattfinden.
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„Es ist die Pflicht des Betriebs, sich daran zu halten, was in der Genehmigung steht“, betont Klaus Müller und hofft auf Besserungen in den kommenden Wochen. Der Ball liegt also jetzt bei Renature, die Ergebnisse der Überprüfung umzusetzen. „Der Betrieb hat sich offensichtlich nicht daran gehalten, was vorgegeben ist“, sagt Klaus Müller. „Wenn man feststellt, dass nicht dauerhaft der Zustand gewährleistet werden kann, wie er genehmigt ist, müssen wir seitens der Stadt einschreiten.“
In dem Zusammenhang betont der Dezernent die Wichtigkeit, dass die Anwohner in Ebel auch weiterhin ihre Geruchsmeldungen mit Tag und Uhrzeit an den Fachbereich Umwelt und Grün schicken, um im Austausch mit der Verwaltung zu bleiben.