Bottrop. Der Vorstand ist sauer darüber, wie sie vom Verkauf des Geländes erfahren haben. Viele Vereine und Gruppen im Stadtteil sind jetzt heimatlos.
Das war’s dann. Der Trägerverein des Matthiashauses in Ebel ist aufgelöst. Als Vorsitzender ist Helmut Kucharski noch mit den letzten rechtlichen Schritten beschäftigt. Das Schicksal des Vereins ist besiegelt. Aber was passiert mit dem Matthiashaus? Mit dem Gebäude, mit dem die Ebeler so viele schöne Erinnerungen verbinden?
Die Mitglieder des ehemaligen Trägervereins erleben seit November 2020 eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Sie lieben ihren Stadtteil. Kucharski und andere aus dem Vorstand machen deshalb aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Ihnen stößt sauer auf, wie sie von dem Verkauf des Geländes durch das Bistum Essen erfahren haben.
Kucharski, in Personalunion auch Bezirksbürgermeister, erfährt im November 2020 von einem gestellten Bauantrag in der Stadtverwaltung. Ein Mitglied des Vereins recherchiert im Internet und findet auf der Internetseite des Bistums das entsprechende Immobilienangebot durch die Pfarrei St. Joseph. „Mit uns wurde nicht gesprochen“, so Kucharski. Nahezu zeitgleich berichtet die WAZ-Lokalredaktion von dem geplanten Verkauf. Nicht nur die Kirche, sondern auch der Kindergarten und das Matthias-Haus gehören zum Angebot.
Laut Pfarrentwicklungsprozess war seit 2017 entschieden, dass Kirchen mittelfristig aufgegeben werden. Darunter Liebfrauen, St. Joseph, St. Franziskus und eben St. Matthias. Die Gotteshäuser sollen in der Zukunft anders genutzt werden. Es folgen Gespräche zwischen Trägerverein und Kirchenvorstand. Auch ein Kauf des Hauses durch die Gesellschaft für Bauen und Wohnen Bottrop (GBB) steht kurz im Raum. Aber der Trägerverein muss eine Absage verkraften.
Im Oktober 2021 titelt die WAZ „Investor gefunden“. Iproton aus Waltrop plant eine Umgestaltung des Areals mit Wohnungen und einer größeren Kita. Das Matthiashaus sei sanierungsbedürftig. Auch darin sei der Bau von Wohnungen geplant. Nur ein paar Wochen später stellt Iproton auf einer Informationsveranstaltung, passenderweise im Matthiashaus, die Pläne für das gesamte Gelände vor und stellt sich den kritischen Fragen. Auch der Kirchenvorstand ist zugegen. Der Saal ist ausverkauft. Viele Ebelerinnen und Ebeler wünschen sich einen Raum, in dem auch in der Zukunft Veranstaltungen stattfinden können.
„Im Grunde war der Zweck unserer Satzung nicht mehr erfüllt. Denn unser Zweck ist, dieses Matthiashaus zu erhalten“, erklärt Kucharski. Der Verein erteilt dem Investor eine Absage, das Gebäude weiter zu betreuen. Auf WAZ-Nachfrage bedauert der Investor diese Entscheidung. Kucharski: „Der Investor hat uns eine Fläche angeboten.“ Diese Räumlichkeiten hätten dem Verein jedoch erst nach Umbau unter anderem in der ehemaligen Kirche zur Verfügung gestanden und er wäre eben nicht im Matthiashaus gewesen.
Und: Der Verein hätte Miete bezahlen müssen. Bei der genannten Miete des Investors und den möglichen Einnahmen des Vereins finden beide letztlich nicht zusammen. „Zumal die Räumlichkeiten kleiner sind als im Matthiashaus“, merkt Kucharski an. Die Gesamteinnahmen beziffert Kassierer Uwe Spieler auf circa 20.000 Euro pro Jahr. Man hat gerechnet und kommt zum Ergebnis: Mit den Einnahmen, die sie erfahrungsgemäß haben, lassen sich Miete und Unterhaltung nicht vereinbaren. Kucharski: „Die Summe müsste praktisch in kleineren Räumlichkeiten erwirtschaftet werden. Das geht nicht.“
Schweren Herzens wird schließlich auf einer Mitgliederversammlung die Auflösung des Trägervereins entschieden. Im Jahr 2007 haben ihn Männer und Frauen aus Ebel gegründet. Schon damals stand die Zukunft des Matthiashauses auf der Kippe, wenn sich nicht ehrenamtliche Bürger gefunden und sich um das Gebäude aus dem Jahr 1952 gekümmert hätten. Zuletzt zählte der Verein rund 50 Mitglieder.
Man muss nicht Teil des Vereins sein, um zu erfahren, wie die Ebelerinnen und Ebeler mit dem Matthiashaus verwachsen sind. „Hier war der Treffpunkt von Ebel“, meint Werner Plechinger. Früher war er für die Vermietung des Hauses zuständig. Der ehemalige Hausmeister Michael Clarijs erinnert sich: „Es gab Beat-Abende.“ Das Haus war voll, es wurde getanzt und gelacht bei Taufen, Hochzeiten und bei Geburtstagen. Nach Beerdigungen traf man sich dort, um zu trauen.
Nun machen sie sich Sorgen, was mit dem Gebäude passiert. Einige üben sich in Sarkasmus. Mancher wettet insgeheim, was eher fertig wird, das Matthiashaus oder das Hansa-Center. Die Planungen sehen vor, dass zunächst die Matthias-Kirche umgebaut wird. „Das wird ein bis zwei Jahre dauern“, vermutet Richard Radlböck. Erst dann folgt das Haus. Regina Plechinger befürchtet, dass das Gebäude zur Bauruine werden könnte, weil es in der Zeit nicht mehr genutzt wird. Mit dieser Befürchtung steht sie nicht alleine da. „Wer kümmert sich um das Gelände?“, fragt sich Michael Clarijs. Früher mähte er den Rasen, schnitt er die Hecken. Und jetzt?
Noch viel schlimmer überwiegt ein schmerzlicher Verlust. Denn zahlreiche Vereine und Gruppen haben ihre Heimat verloren. Dazu zählen etwa die Knappengarde, Förderverein, Theatergruppe „Lisas lustige Laienschar“, die evangelische und katholische Frauengruppe, Schützenverein und der Chor. Monatlich habe laut Kucharski ein Bürgerfrühstück und Bürgermittagessen stattgefunden. Alles vorbei.
Die evangelische Kirchengemeinde ist inzwischen ins Maschinenhaus im Bernepark umgezogen, die Knappengarde ins Vereinsheim von Ebel am Lichtenhorst. „Aber die Theatergruppe hat noch keine Heimat“, sagt Regina Plechinger. Ob die vielen Veranstaltungen (Matthiasfest, Spieleabend, Silvesterparty, Vorträge, Winterbasar, Kaffeeklatsch und Bingoabend) auch im Bernepark stattfinden können, muss die Zukunft zeigen. Zurzeit führt Helmut Kucharski als Bezirksbürgermeister deshalb diverse Gespräche mit der gemeinnützigen Arbeitsförderungsgesellschaft (Gafög), die für den Bernepark zuständig ist, sowie mit dem Eigentümer, der Emschergenossenschaft, der städtischen Verwaltung und mit Akteuren aus dem Stadtteil.