Bochum. Mit 52 Vorstellungen hält „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ am Schauspielhaus Bochum einen Rekord. Selbst Harald Schmidt ist Fan.

Zugegeben: Der Titel ist sperrig und verrät kaum, was eigentlich dahintersteckt. Dennoch hält „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ am Schauspielhaus Bochum einen kleinen Rekord. Kein Stück wurde während der inzwischen fast siebenjährigen Intendanz von Johan Simons häufiger gezeigt als das vergnügliche Solo mit dem Schauspieler Stefan Hunstein.

50 Vorstellungen sind im Theater eine Seltenheit geworden

Und der Erfolg hat sich herumgesprochen: Mehr als 50 Vorstellungen vor rund 13.000 Zuschauern gab es davon bereits, was in der Theaterwelt eine ziemliche Seltenheit geworden ist – und auch die 52. Aufführung in den bestens besuchten Kammerspielen sorgt beim Publikum für einen heiteren, unbeschwerten Abend. „Herrlich, absolut herrlich!“ strahlt eine Zuschauerin beim Hinausgehen. „Und auf fast zwei Stunden Länge richtig stark gespielt.“

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Selbst der ehemalige TV-Entertainer Harald Schmidt ist mittlerweile ein Fan. „Mit Harald bin ich gut befreundet, seit wir gemeinsam auf der Schauspielschule in Stuttgart waren“, erzählt Stefan Hunstein nach der Vorstellung. „Er war neulich hier und hat den Abend sehr gut gefunden. Vor allem den Witz direkt zu Beginn fand er super.“

Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich, Schauspielhaus Bochum
Und klick: Auf Kreuzfahrt in der Karibik trifft der namenlose Erzähler die absonderlichsten Touristen. Regie führte die ehemalige Regieassistentin Tamo Gvenetadze. © Schauspielhaus Bochum  | Birgit Hupfeld

Wer es noch nicht gesehen hat: Der Einstiegs-Gag ist eigentlich keiner. Es geht um zwei Fische, die Pointe ist eher philosophischer Natur. Schnell macht sich im Saal sogar leichte Ernüchterung breit: Gibt dieser Anti-Scherz etwa die Richtung vor? Doch genau mit dieser Erwartungshaltung des Publikums spielt die Aufführung sehr geschickt. Lustige und nachdenkliche Momente wechseln sich ab, mal geht es ungeheuer spaßig zu, mal auch hintergründig und sogar etwas ernst. Nur platt ist der Abend nie.

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Das Stück basiert auf einer Kurzgeschichte des amerikanischen Autors David Foster Wallace, der an schweren Depressionen litt und sich 2008 das Leben nahm. Eine Woche verbrachte Wallace an Bord eines Kreuzfahrtschiffes in der Karibik. Was für andere Urlaubsspaß und Erholung gleichermaßen ist, ist für den Autor ein Trip in die Hölle. Die Passagiere um ihn herum sind ihm zuwider, diverse Absurditäten an Bord eines solchen Luxusdampfers – vom Mitternachtsbuffet bis zum Tontaubenschießen – beobachte er mit beißendem Spott. Umringt von Jubel, Trubel und Heiterkeit verbringt er die meiste Zeit allein in seiner Kabine.

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In kurzen Hosen und Hawaii-Hemd gibt Stefan Hunstein diesem einsamen Menschen eine Stimme: anrührend und überaus komisch. Denn die vielen Beobachtungen kann jeder nachempfinden, der schon mal „all-inclusive“ irgendwo in einem Urlaubsparadies eingecheckt hat. Die Bühne der Kammerspiele wird dafür zum Deck eines Schiffes. Mitarbeiter des Schauspielhauses spielen die Schiffscrew – und es gibt einen besonderen Gast.

Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich, Schauspielhaus Bochum
Seit der Premiere Mitte 2021 ist Stefan Hunstein in den Kammerspielen unterwegs auf Kreuzfahrt. © Schauspielhaus Bochum  | Birgit Hupfeld

Etwa zur Hälfte der Aufführung taucht ein Besucher auf der Bühne auf, den Stefan Hunstein vorher nicht kennt, und legt sich für ein paar Minuten auf die Sonnenliege. In jeder Vorstellung kommt ein anderer: Das sind mal Kollegen aus dem Ensemble, mal aus dem Leitungsteam, Intendant Johan Simons war auch schon da. „Ich erfahre das immer erst während der Vorstellung, was ziemlich aufregend ist“, erzählt Hunstein. „Auf diese Weise ist das ganze Haus in die Vorstellung involviert.“

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Bochumer Schauspieler bewältigt echten Textberg

Stefan Hunstein hat großen Gefallen an seinem Solo gefunden, obwohl: „Es spielt sich nicht von selbst“, sagt er. Rund zwei Stunden nahezu allein auf der Bühne zu stehen und dabei einen echten Textberg zu bewältigen, ist für den 67-Jährigen eine Kraftanstrengung. „Aber ich habe gelernt, ökonomisch an die Aufführung heranzugehen und nicht zu viel Energie direkt in den Anfang zu stecken“, erklärt er. Nach 52 Aufführungen ist ein Ende übrigens noch längst nicht in Sicht: „Solange die Leute das mögen und so zahlreich kommen, spiele ich das gerne weiter.“ Die nächsten Gelegenheiten: am 27. Februar und 7. März (Zehn-Euro-Tag).

Bleibt die große Frage, warum für solche unterhaltsamen Stücke auf dem Spielplan des Schauspielhauses seit der Simons-Intendanz bloß so wenig Platz ist. Eine zünftige Komödie sucht man weiterhin vergebens.

Diese Stücke laufen am häufigsten

Mit 52 Vorstellungen hält „Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich“ am Schauspielhaus Bochum während der Intendanz von Johan Simons aktuell den Rekord. Dicht dahinter folgt der Liederabend „Mit anderen Augen“ (46 Vorstellungen), „Der Hamiltonkomplex“ (35) sowie „Hamlet“ und „Judas“ (jeweils 32). In dieser Aufstellung nicht berücksichtigt wurden die Kinder- und Jugendstücke mit ihren vielen Schulvorstellungen.

Wer tiefer in die Annalen des Schauspielhauses blickt, findet Stücke, die wesentlich öfter liefen. Am häufigsten gespielt wurden wohl „A Tribute to Johnny Cash“ (über 100 Vorstellungen) und „Klassenfeind“ aus dem Jahr 1981 mit 104 Vorstellungen. Laufstark zudem: „Unsere Republik“ (95 Mal), „Norway today“ (89), „Die Hermannsschlacht“ von Claus Peymann (86), „Harold und Maude“ mit Tana Schanzara (82) und  „Warten auf Godot“ mit Harald Schmidt (77).

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