Bochum. Kästners Roman „Fabian“ kommt als opulente Aufführung ins Schauspielhaus Bochum. Wie schlagen sich die jungen Schauspielschüler? Unsere Kritik.
Grelle Revue, tragische Liebesgeschichte und ein Epochenstück, das aktueller kaum sein könnte: Es steckt eine Menge drin in Erich Kästners Roman „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“, der jetzt als rauschhafte Theateraufführung in die Kammerspiele Bochum kommt. Mittendrin: sieben junge Schauspielstudierende des Folkwang-Theaterzentrums, die gemeinsam mit zwei erfahrenen Profis (Lise Wolle und Michael Lippold) die opulente Geschichte mit ganzer Kraft auf die Bühne wuchten. Das sieht famos aus, macht beim Zuschauen einigen Spaß, doch gerade im zweiten Teil hätten einige Striche der überlangen Aufführung gutgetan.
Die Spiellänge der Aufführung überrascht: drei Stunden mit Pause
Schon seit vielen Jahren ist die Zusammenarbeit zwischen der Folkwang-Uni und dem Schauspielhaus absolut fruchtbar. Meistens im Frühjahr entern die Eleven aus dem dritten Jahrgang die große Bühne für eine Kostprobe ihres frisch erlernten Könnens – und die Zuschauer staunen oft nicht schlecht, welch verlässlich feine Arbeit in der Schauspielschule an der Friederikastraße geleistet wird. Hier wachsen die Theater- und Filmstars von morgen heran.

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Die Aufführungen, die in den letzten Jahren zu sehen waren, kamen meist ebenso kurz wie kurzweilig daher. So gelang den Schauspielschülern im letzten Jahr eine schwungvolle Adaption des Operetten-Klassikers „Die Fledermaus“. Die Spiellänge der aktuellen Premiere überrascht dann allerdings: Volle drei Stunden (mit einer Pause) stellt sich das junge Ensemble um Regisseur Thomas Dannemann dem Roman von Erich Kästner.
Kraftanstrengung ist den Schauspielstudierenden anzumerken
Die Kraftanstrengung, die solch ein Ritt mit all den vielen Szenen-, Kostüm- und Rollenwechseln erfordert, ist den Studierenden leider anzumerken. Es gibt einige Verhaspler und Versprecher, die Übergänge sind nicht immer flüssig, auch die Souffleuse hat gut zu tun. Gut möglich, dass Dannemann seine Schützlinge gelegentlich etwas überfordert. Vielleicht war aber auch die Probenzeit nicht lang genug, und die Inszenierung reift mit jeder neuen Vorstellung. Die nächsten drei sind bereits ausverkauft.

In epischer Länge driftet Jakob Fabian (beeindruckend gespielt von Anton Balthasar Römer) durchs Berlin der frühen 30er Jahre. Tagsüber arbeitet er als Werbetexter für Zigaretten und zieht nachts mit seinem reichen Kumpel Labude (Leander Hesse) um die Häuser. Sie kehren in Bars, Nachtclubs und Bordelle ein, was auf der Bühne zu einer Vielzahl von skurrilen, pointiert gespielten Darbietungen führt.
Der Tanzpalast kocht, die Stadt steht kopf
Zu „The Passenger“ von Iggy Pop fließt der Champagner in Strömen, dazu wird getanzt, gelacht und allerlei Schabernack getrieben, während draußen die SS aufmarschiert. Der Tanzpalast kocht, die Stadt steht kopf: Das Lebensgefühl der untergehenden Weimarer Republik, das auch die Erfolgsserie „Babylon Berlin“ so reizvoll macht, fängt Dannemann mit wenigen szenischen Mitteln wunderbar ein. Ein paar rote Vorhänge, zwei Tische und ein rollendes Bett reichen fast schon, um die Geschichte auf der wandelbaren Bühne von Justus Saretz erlebbar werden zu lassen.
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Dann verliebt sich der zaudernde Fabian unglücklich in die angehende Schauspielerin Cornelia (Laoise Lenders), die ihn glauben lässt, dass das Leben mehr zu bieten hat als Schampus und Partys. Cornelia wittert die steile Karriere und gerät dabei an einen tyrannischen Filmproduzenten, den Michael Lippold im perfekten Dieter-Wedel-Outfit gibt, während Fabians Gang vor die Hunde unaufhaltsam fortschreitet.
Dannemanns Inszenierung besitzt große Opulenz, wundervolle Kostüme, einen gehörigen Hang zur Geschwätzigkeit – und verlangt den Schauspielschülern im Laufe der drei Stunden alles ab. Die stehenden Ovationen, die das Publikum am Ende eines langen Abends spendet, haben sie sich redlich verdient.
Infos und Spieltermine
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ ist wieder zu sehen am 1., 16. und 19. Februar (allesamt ausverkauft) in den Kammerspielen. Für die Vorstellungen am 15., 27. und 29. März beginnt der Vorverkauf am 3. Februar. Dauer: etwa drei Stunden inklusive Pause. Infos: 0234 3333 5555.
Regisseur Thomas Dannemann, der in „Iwanow“ auch als Schauspieler in Bochum auf der Bühne zu sehen ist, hat bereits im Jahr 2020 mit dem Folkwang-Studierenden gearbeitet. Doch die aufwendige Inszenierung von „Die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Herbert Nolan“ konnte wegen der Corona-Pandemie nur wenige Male gezeigt werden.