Bochum. Bis Mitte 2027 bleibt Johan Simons (78) Intendant am Schauspielhaus Bochum. Auch danach soll noch lange nicht Schluss sein mit dem Theater.

In zweieinhalb Jahren beginnt am Schauspielhaus Bochum eine neue Zeitrechnung: Der Regisseur Nicolas Stemann tritt im Sommer 2027 die Nachfolge von Johan Simons an, der dann nach neun Jahren als Theaterchef an der Königsallee seinen Abschied feiern wird. So lange wie er war schon lange kein Intendant mehr im Amt – und noch vor einem Jahr hatte 78-Jährige erklärt, sich noch längst nicht zu alt für diesen herausfordernden Job zu fühlen. Wie denkt er heute darüber? Sven Westernströer sprach mit ihm über ein ereignisreiches Jahr.

Wie schauen Sie auf 2024 am Schauspielhaus zurück?

Johan Simons: Insgesamt war es ein wirklich gutes Jahr. Natürlich ist nicht jeder Tag ein Tag der Freude, aber aus meiner Sicht haben wir 2024 einige unserer besten Arbeiten gezeigt. „Warten auf Godot“ in der Regie von Ulrich Rasche und „Trauer ist das Ding mit Federn“ von Christopher Rüping sind fantastische Aufführungen. „Macbeth“ ist zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden, Anna Drexler und unser Tanzstück „Voodoo Waltz“ haben den Faust-Preis bekommen. Es könnte schlechter laufen.

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Die Pläne von Johan Simons in seinen letzten Jahren am Schauspielhaus Bochum

Was sollte sich verbessern?

Es gibt immer etwas zu verbessern. Das Schöne am Theater ist ja, dass man hier die Freiheit hat, auch einfach mal etwas auszuprobieren - gerade mit so einem tollen Ensemble und so großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie am Schauspielhaus Bochum. Über mich selbst sage ich ja gerne: Meine beste Inszenierung kommt noch! Und ich hoffe, dass dies erst ganz am Ende meines Lebens der Fall sein wird.

Schauspielhaus Bochum Spielzeitvorschau in Bochum
Mehr Leichtigkeit ist in Johan Simons jüngsten Inszenierungen zu spüren, so auch in dem Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Ihren eigenen Inszenierungen wie zuletzt „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ ist eine größere Leichtigkeit als in früheren Jahren anzumerken, als würden Sie mit leichter Milde auf Ihre Figuren schauen. Täuscht dieser Eindruck?

Vielleicht ist gerade nicht die Zeit für harte Stoffe, denn die Welt um uns herum ist schon schlimm genug. Bei den Proben zu „Meine geniale Freundin“ diskutieren wir gerade, wie wir mit der Gewalt auf der Bühne umgehen wollen, ob wir sie zeigen oder nicht. Das ist ein spannender Prozess. Wir haben uns dazu entschieden, mit den Gewalt-Szenen spielerisch umzugehen, sie ins Absurde zu führen, damit man sieht, wie lächerlich sie ist.

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Ihre Intendanz neigt sich langsam dem Ende entgegen, da haben einige Schauspieler wie Anna Drexler, Steven Scharf und Gina Haller das Ensemble bereits verlassen und sind nur noch als Gäste an Bord. Ist das nicht etwas traurig?

Nein, das ist ein normaler Prozess. Um unser Ensemble mache ich mir keine Sorgen. Mit Linde Dercon, Nina Steils und Jakob Schmidt haben wir tolle junge Schauspieler geholt, die uns wirklich bereichern. Dasselbe gilt für Ole Lagerpusch, der schon sehr viel Erfahrung mitbringt. Es ist immer eine große Freude, junge Leute zu fördern und sie bei ihrer künstlerischen Entwicklung zu unterstützen.

„Vielleicht ist gerade nicht die Zeit für harte Stoffe, denn die Welt um uns herum ist schon schlimm genug.“

Johan Simons

Mit rund 129.000 Besucherinnen und Besuchern in der vergangenen Spielzeit bewegen sich die Zuschauerzahlen weiterhin auf mäßigem Niveau. Damit können Sie nicht zufrieden sein.

129.000 Besucherinnen und Besucher sind nicht wenig. Aber natürlich will man immer, dass es noch mehr werden. Was mich aber freut ist, dass das Schauspielhaus Bochum zu so vielen Gastspielen eingeladen wird. In der vergangenen Spielzeit waren es über 20 Aufführungen in ganz Europa und sogar Asien. Das Theater besitzt eine Strahlkraft, die weit über Bochum hinausgeht. Aber klar: Eine Aufführung wie „Warten auf Godot“ ist solch eine großartige Arbeit, da müssten eigentlich jeden Abend 800 Leute drinsitzen.

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Ein ruhiges Rentnerleben kommt für Simons nicht infrage

Ihre Intendanz ist soeben um ein letztes Jahr bis Mitte 2027 verlängert worden. Wären Sie gern noch länger geblieben?

Nein. Ich finde, dann reicht es. Ich war dann neun Jahre in Bochum Intendant, so lange wie seit Frank-Patrick Steckel niemand mehr. Irgendwann ist auch mal genug. Ich habe eine Weile überlegt, ob ich das eine Jahr überhaupt noch dranhängen möchte. Aber als mein Nachfolger Nicolas Stemann signalisierte, er könne erst 2027/28 nach Bochum kommen, habe ich das gemacht. Ich kenne Nicolas schon lange und schätze ihn sehr. Jetzt freue ich mich auf die kommenden zweieinhalb Jahre und bin voller Tatendrang.

WARTEN AUF GODOT
Becketts absurder Klassiker „Warten auf Godot“ in der Regie von Ulrich Rasche gilt als eine herausragende Aufführung in diesem Jahr im Schauspielhaus. © OSTKREUZ | Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Haben Sie schon Pläne für die Zeit danach?

Sehr viele Pläne. Ich bekomme schon Anfragen für Regiearbeiten, einiges musste ich auch absagen. Ich möchte aber gern noch eine große Oper machen.

Wenn Sie in Bochum aufhören, werden Sie 80 Jahre alt sein. Da könnten Sie doch auch in Ihrem Haus in den Niederlanden im Lehnstuhl sitzen und zufrieden aus dem Fenster schauen.

Nein, ein ruhiges Rentnerleben kommt für mich nicht infrage. Ich muss arbeiten, bis ich eines Tages umfalle. Aber meine Smartwatch zeigt mir immer an, dass ich sehr stressresistent bin. Ich habe also noch viel Zeit.

Gemeinsames Projekt mit den Symphonikern

Das Schauspielhaus plant ein neues Projekt mit den Bochumer Symphonikern: Johan Simons möchte den Roman „Leben und Schicksal“ von Wassili Grossman auf die Bühne bringen, der von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs erzählt.

Im Anschluss daran (oder am Abend danach) gehen die Zuschauer ins Musikforum und hören passend dazu die zehnte Symphonie von Dmitri Schostakowitsch. Premiere voraussichtlich im April 2026.

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