Bochum. Mirko Aach (51) ist Chirurg, neuer Ärztlicher Direktor des Bergmannsheils Bochum – und querschnittsgelähmt. Seine bemerkenswerte Geschichte.

26 Jahre sind es in diesem Jahr. „Vor 26 Jahren kam ich als Patient hierher“, erinnert sich Mirko Aach. Drei Tage zuvor war er beim Snowboarden in der Schweiz gestürzt, hatte sich dabei mehrere Rückenwirbel gebrochen. Querschnittslähmung. Es ist sein Geburtstag, der 28. Februar 1999, als er ins Bergmannsheil verlegt wird. Der 26. Geburtstag. „Ich sitz‘ mein halbes Leben im Rollstuhl“, sagt der 51-Jährige. Er stellt das nüchtern fest.

Geboren in Kamen/Westfalen und aufgewachsen in Lünen, kam der junge Sportstudent also als Patient erstmals mit dem Bergmannsheil in Bochum in Berührung. Heute fährt er fast täglich mit dem Rollstuhl über die Flure. Der Patient von damals ist inzwischen promovierter und habilitierter Arzt. Gestatten: Priv.-Doz. Dr. Mirko Aach, seit 1. Januar Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Bergmannsheils.

Rückkehr zum Bochumer Bergmannsheil im Jahr 2007

Das sei „sicherlich kein sehr gewöhnlicher Werdegang“, sagt der 51-Jährige und reißt eben diesen Werdegang kurz ab: Ziemlich rasch nach seinem Unfall macht er im Jahr 2000 sein Pflegepraktikum im Bergmannsheil, studiert dann Medizin in Münster. 2007 kehrt er als Assistenzarzt ans Bergmannsheil zurück, wird Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, im Jahr 2014 Oberarzt, schließlich 2018 der Leiter der Abteilung für Rückenmarkverletzte. „Zwischendurch“ hat er auch noch habilitiert. „Arbeitsintensiv“ seien die vergangenen Jahre gewesen, sagt er.

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Dabei hatte der Student Mirko im Jahr 1999 eigentlich ganz andere Pläne. Sport und Wirtschaftswissenschaften studierte er, wollte Lehrer an einer Berufschule werden. Medizin sei zwar auch vorher durchaus in seinem Interessensbereich gewesen, erzählt Aach, „aber mein Abi war nicht so herausragend. Und ich war nicht bereit, so ein lernintensives Studium zu beginnen“. Er sei in einer Lehrerfamilie groß geworden, habe tolle Erinnerungen an Urlaube und Ferien mit der Familie. „Absolut erstrebenswert“ sei das auch für ihn gewesen.

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Bochumer Arzt über Chirurgie: „Hatte schon immer ein handwerkliches Faible“

Dann der Unfall, auf einer Studienfahrt. Sport sei ihm näher gewesen als Wiwi, und damals nicht vorstellbar, das Sportstudium mit Querschnittslähmung fortzusetzen. Noch während seiner Reha nach dem Skiunfall fragte Aach die behandelnden Ärzte, ob er beruflich in die Medizin gehen könnte. Ja, sagten die ihm, Radiologie oder Neurologie, das sei schon vorstellbar. Mirko Aach aber reizte die Chirurgie. „Ich hatte schon immer ein handwerkliches Faible“, sagt er. Mit Freunden baute und verkaufte er Snowboards. Und die Chirurgie, die habe viel Handwerkliches („Schrauben, Sägen...“) an sich. Mit einem Spezialrollstuhl steht er im OP. Er steht dort wirklich, der Rollstuhl bringt ihn in die richtige Position am Operationstisch. Schon in Münster probierte er das aus und stellte fest. „Das funktioniert.“

PD Dr. Mirko Aach im OP
Mirko Aach im OP: Ein Spezialrollstuhl bringt ihn in die stehende Position, sodass er gut operieren kann. © BG Universitätsklinikum Bergmannsheil

Seine Geschichte, sagt Aach, sei „keine normale Geschichte“. Aber „eine sehr schöne Geschichte“, findet er. „Weil sie zeigt, dass es weitergeht.“ Für frisch verletzte Patienten sei die Begegnung mit ihm mitunter aber auch ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite positiv, weil sie sehen, dass da jemand im Rollstuhl ist, der agil und leistungsstark ist. Auf der anderen Seite schmerzhaft, wenn der Arzt im Rollstuhl wie ein Spiegel mit einem Bild ist, das man nicht sehen möchte.

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Alltag auf der Station im Bergmannsheil: Feierabend ist, „wenn feddich ist“

Mirko aach in Bochum
Kurze Besprechung: Mirko Aach mit Assistenzärztin Naila Oumeddah, Oberarzt Dennis Grasmücke und Krankenpflegerin Julia Friedrich (v.l.) im Dienstzimmer auf Station. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Auch in seiner neuen Rolle als Ärztlicher Direktor ist dem Chirurgen die Arbeit auf der Station nach wie vor das Wichtigste. Morgens um 7.30 Uhr beginnt er seinen Dienst. Schluss ist, „wenn feddich ist.“ Die Stadt hat der Wahl-Bochumer liebgewonnen. Gefragt nach seinem Lieblingsort, überlegt Aach kurz, sagt dann: „Ich hatte einen: den ,Blauen Engel‘.“ Das Restaurant zwischen Steinkuhl und Laer schloss im vergangenen Herbst.

„Bochum hat ganz, ganz viel“, sagt der 51-Jährige: „Alte Industrie, die Uni, der Fußball...“ In Lünen ist er mit dem BVB groß geworden, aber heute sei er durchaus VfL-Sympathisant. Ins Stadion geht er allerdings nur sehr selten. Wenn er am Wochenende mal freihabe, sagt Aach, dann wolle er die freie Zeit anders nutzen.

Privatdozent und Universitätsklinik

Privatdozent, abgekürzt auch PD oder Priv.-Doz., ist ein akademischer Titel in Deutschland: Er wird habilitierten Wissenschaftlern verliehen, die keine Professur innehaben.

Das Bergmannsheil ist seit 1977 gemeinsam mit anderen Krankenhäusern in Bochum Universitätsklinik: Seinerzeit wurde entschieden, dass die noch junge Ruhr-Universität keinen eigenen Neubau einer Uniklinik auf dem Campus bekommt. Stattdessen wurde das „Bochumer Modell“ geboren: Für die Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner schloss die RUB Kooperationsverträge mit den Trägern verschiedener renommierter Kliniken der Umgebung.

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