Bochum. Zu wenig Gäste? Nein, deswegen schließt das Traditions-Lokal „Blauer Engel“ in Bochum nicht. Die vielen treuen Stammgäste sind bestürzt.
Die Nachricht schlug ein, wie eine Bombe: Der „Blaue Engel“ in Bochum schließt. Völlig überraschend. Per Facebook wurde das Aus bekanntgegeben und machte dann sofort die Runde. Die Gäste, darunter viele treue Besucher mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum, reagieren geschockt. Denn alle haben den Eindruck, dass das Restaurant an der Höfestraße 86 zwischen Steinkuhl und Laer brummt. Ein Gefühl, das laut Inhaber nicht trügt. Und seien sind auch keine wirtschaftlichen Gründe, die dahintersteckten.
„Was für ein Verlust“: Restaurant „Blauer Engel“ in Bochum schließt
„Nach über 38 Jahren wird unser Restaurant am 29. September geschlossen“, heißt es in dem Facebook-Post. Und weiter: „Seit dem 7. Februar 1986 durften wir Sie bewirten und unvergessliche Momente teilen. Wir danken Ihnen von Herzen für Ihre Treue und die vielen schönen Erinnerungen.“ Es liege wirklich nicht daran, dass der Laden nicht läuft, sagt Inhaber Ismet Giray Yüksel. „Das kann man hier das ganze Leben machen.“ Nur sieht sein Plan für das Leben anders aus.
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„Wir als Familie haben den ,Blauen Engel‘ vor sechs Jahren nach dem Tod meiner Mutter weitergeführt“, erzählt Yüksel. Damals war er 19. Seine Mutter habe das Restaurant vor 38 Jahren übernommen und „für die Gastronomie gelebt“. Das, was sie in drei Jahrzehnten aufgebaut hatte, habe die Familie nicht einfach so enden lassen wollen.
„Es gibt einige Gäste, die hier bei uns ihr erstes Date hatten und später geheiratet haben.“
Doch Ismet Giray Yüksel hat andere Pläne. „Ich studiere in Bochum an der Uni Informatik.“ Beides, Studium und Gastronomie, sei nur sehr schwer vereinbar. „Außerdem bin ich kein Vollblutgastronom“, sagt der heute 25-Jährige. Von daher ist nun Schluss.
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Yüksel verbinden viele Erinnerungen mit dem „Blauen Engel“. „Ich bin ja quasi hier aufgewachsen, war schon als kleines Kind ständig hier im Restaurant. Und wie ich hörte, stand mein Maxi-Cosi immer auf einem der Tische.“ So hat er im Laufe der Jahre auch zu vielen Stammgästen eine besondere Beziehung aufgebaut. „Es gibt einige, die hier bei uns ihr erstes Date hatten und später geheiratet haben.“
„Das ist jedes Mal wie Urlaub, wenn man hier draußen sitzt. Wie in einer Taverne.“
Vielleicht haben die sogar im „Blauen Engel“ gefeiert. Hier haben viele Gesellschaften stattgefunden, weiß Christel Neumann aus Querenburg zu berichten. Sie sitzt mit ihrem Sohn im Biergarten und findet es „sehr, sehr schade, dass ,der Engel‘ schließt“. Schon seit mehr als 40 Jahren kehre sie hier ein. „Das ist jedes Mal wie Urlaub, wenn man hier draußen sitzt. Wie in einer Taverne.“ Der „Blaue Engel“ sei auch immer ein Kommunikationspunkt gewesen. „Hier trifft man sich.“
Neumann hebt die familiäre Atmosphäre hervor. „Es ist immer nett und gemütlich, das Personal total freundlich. Und die Küche ist toll.“ Sie stehe jetzt vor einem Problem: „Wo kann man noch hin? So viele Restaurants wie dieses gibt es in der Gegend kaum noch.“
Viele Radfahrer machen auf der Tour durch Bochum Rast im „Blauen Engel“
Armin Höppe und sein Sohn André sitzen in Fahrradmontur auf einer Bank vor dem „Blauen Engel“. Gerade bei vielen Radfahrern, die hier vorbeikommen, ist das Lokal ein beliebter Stopp für eine Rast. „Wir wohnen hier in der Gegend und kehren meist zum Ende unserer Touren auf einen Absacker ein“, erzählen sie. Die Nachricht vom Aus ihres Stammlokals nehmen sie ebenfalls mit Bedauern auf. „Was für ein Verlust für die Region.“
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„Seit 1860 ist das hier immer eine Kneipe gewesen.“
Das Essen sei außergewöhnlich mit den wechselnden Wochenkarten, das Ambiente angenehm, die Stimmung locker. Es werde schwer, da Ersatz zu finden. Obwohl die Höppes schon fündig geworden sind: „In der Kleingartengastronomie ,Zum Eichhörnchen‘ am Neggenborn in Langendreer ist es auch sehr nett.“ Allerdings aus dem Umfeld des „Blauen Engels“ auch nur per Rad oder Auto erreichbar.
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Die Hoffnung vieler Gäste, dass sich ein Nachfolger für den „Blauen Engel“ findet, macht Ismet Giray Yüksel sogleich zunichte. Seit 1860 sei das hier zwar immer eine Kneipe gewesen. Aber das Haus sei im Familienbesitz, Gastronomie werde es hier nicht mehr geben. Noch eine traurige Nachricht für viele „Engel“-Fans.
Aktion mit Klassikern und Abschiedsparty
Für die letzten Wochen des „Blauen Engels“ hat Wirt Ismet Giray Yüksel eine Aktion geplant. „Ich gehe gerade die Gerichte aus der Zeit meiner Mutter durch und mache daraus ab 1. September Wochenkarten mit Klassikern von früher.“ Dazu zähle u.a. die Thai-Lasagne mit Wan-Tan-Blättern und Shiitake-Pilzen, so Yüksel. Aber auch aktuelle Dauerbrenner wie die Gemüsespieße mit Halloumi-Käse. „Die sind der Renner.“ Vegetarier und Veganer kämen seit jeher beim „Blauen Engel“ voll auf ihre Kosten. „Wir haben schon vegane Gerichte angeboten, da gab es den Trend noch gar nicht.“
Für den letzten Tag, Sonntag, 29. September, plant Yüksel als Abschluss eine große Party. „Es muss sich niemand anmelden, die Leute sollen einfach kommen.“ Er hofft, dass das Wetter mitspielt. „Bei Regen wird es hier drin muckelig.“