Bochum. . Nach einem Motorradunfall kämpft sich ein Zahnarzt (52) zurück ins Leben. Ein wichtiger Baustein ist dabei das Therapeutische Reiten.
Das Paradies wurde jäh zur Hölle. In Italien genoss Dr. Harald Pötter im Oktober mit drei Freunden einen Motorradurlaub. Bei einem Verkehrsunfall brach sich der Zahnarzt einen Wirbel. „Inkomplette Querschnittslähmung“, lautete die niederschmetternde Diagnose der Ärzte. Seither kämpft sich der 52-Jährige ins Leben zurück. Mit umfassenden Therapien im Bergmannsheil. Und einmal pro Woche mit einem PS beim Therapeutischen Reiten in Marl. Sicher im Sattel von Halifax, einem gutmütigen westfälischen Kaltblüter.
Als Unfallklinik mit jährlich über 20.000 Patienten beansprucht das Bergmannsheil höchste medizinische Expertise. Und doch wird bei der Behandlung von Rückenmarkverletzten auch auf tierischen Beistand gesetzt. Seit über zehn Jahren arbeitet die Klinik mit dem Hof Feuler in Marl zusammen: ein idyllisch gelegenes Therapiezentrum, privat betrieben von Barbara Lau.
Eines der größten Therapiezentren der Region
Für ihren behinderten Sohn Alexander hatten die Betriebswirtin und ihr Mann Erich Gerhard Anfang der 90er Jahre eine Halle gesucht, die das Therapeutische Reiten ermöglicht. „Doch damals wollte niemand einen Behinderten haben“, schildert die 64-Jährige. Die Eheleute wurden selbst aktiv, gründeten zunächst einen Pflegeverein und bauten den leerstehenden Hof Feuler, den sie 1998 in Erbpacht übernahmen, zu einem der größten Therapiezentren der Region für behinderte Menschen um.
Ihr Sohn und Mann sind verstorben. Der Hof Feuler mit 21 Pferden, elf Therapeuten und über 80 Ehrenamtlern bleibt ihr Vermächtnis. „Für uns ist das eine ganz wichtige Einrichtung“, sagt Bergmannsheil-Oberarzt Dr. Mirko Aach, der selbst im Rollstuhl sitzt und jeden Dienstag mit drei bis vier Patienten nach Marl fährt. Der Förderverein der Abteilung für Rückenmarkverletzte am Bergmannsheil finanziert das begleitende Angebot. Die Kassen übernehmen keinerlei Kosten.
Auch die Seele wird gestreichelt
Dabei schwört Mirko Aach auf die Hippotherapie. „Sie entspannt und entkrampft die Muskulatur und bringt das Becken in Bewegung. Was das Pferd leistet, schafft keine konventionelle Therapie.“ Auch die Seele werde gestreichelt: „Die Wärme, das Zutrauen des Tieres, die emotionale Verbundenheit sind von größtem Nutzen.“
Auch interessant
Trotz der empfindlichen Kälte wird es Harald Pötter in der Reithalle warm ums Herz. Mit einer Hebevorrichtung wird er aus seinem Rolli auf Halifax gehievt. Der Patient lächelt, das Ross schnaubt, als sich beide auf den Rundlauf begeben.
Für das Krankheitsbild extrem förderlich
Pötter hat früher bereits geritten. Umso mehr genießt er die 15 Minuten im Sattel: „Das hilft dem Körper, Reize und Impulse zu setzen. Für mein Krankheitsbild ist das extrem förderlich.“ Fürs Selbstbewusstsein gerade von Unfallopfern ebenso, weiß Leiterin Barbara Lau. „Hoch zu Ross haben die Menschen ein geradezu erhabenes Gefühl. Sie spüren: Ich kann etwas! Das Pferd schenkt ihnen Kraft für die anstrengende Therapie.“
Harald Pötter ist zurück vom Ausritt. Der zweifache Vater ist voller Zuversicht. Irgendwann, da ist er ganz sicher, wird er wieder auf eigenen Beinen stehen. Halifax wird seinen Anteil daran haben.