Bochum. . Nach einem Skiunfall sitzt Mirko Aach im Rollstuhl. Er studiert Medizin und operiert nun selber Rückenmarkverletzte im Bochumer Bergmannsheil.
Es ist ein Skiunfall in den Alpen, der sein Leben verändern sollte. Diesen einen Stein hatte Mirko Aach damals übersehen, als der Sportstudent – vermutlich viel zu schnell – auf seinem Snowboard den Schweizer Hang herunterfuhr.
Es ist sein 26. Geburtstag – drei Tage nach dem Unfall, nach vielen Operationen, die gerade so sein Leben retteten – als er „nach Hause“ kommt, ins Bergmannsheil.
Wenig Erinnerungen an den Unfall
Dort rollt der Bochumer heute wieder mit seinem Rollstuhl über die langen Gänge. Hier ein freundlichen Nicken, da ein netter Gruß. Mirko Aach ist jetzt Doktor, der 45-Jährige leitet die Abteilung für Rückenmarkverletzte, den Ort, an dem er selber vor 19 Jahren nach seinem Unfall wieder ins Leben zurückfand. Nur wenig Erinnerungen hat Mirko Aach an den Sturz selbst oder an die Tage danach. „Typische retrograde Amnesie“, sagt er und zuckt lässig mit den Schultern.
Nur eines weiß er ganz sicher: Dass er von nun an im Rollstuhl sitzen wird, war ihm schnell klar. Die Ärzte diagnostizieren in der Schweiz ein gequetschtes Rückenmark und einen Bruch des sechsten und siebten Brustwirbels. „Damals dachte ich: Ach eine Quetschung, das wird schon noch.“ Doch es wurde es nicht.
Für den damaligen Sportstudenten bricht eine Welt zusammen. Nach fünf Monaten im Bergmannsheil kommt er nach Hause. Er zieht zu seinen Eltern, die eigene Wohnung im dritten Stock bleibt unerreichbar. Eine Rückkehr zum Sportstudium kommt nun nicht mehr infrage. Mirko Aach hatte Lehrer werden wollen – zugegeben nicht mit ganzer Leidenschaft. „Der Unfall hat die Karten neu gemischt“, sagt der gebürtige Kamener. Bei seinen Eltern versucht er, sein Leben neu zu ordnen.
Pflegepraktikum im Bergmannsheil
„Ich will Medizin studieren!“ Kein Problem, heißt es. Hautarzt könne er werden, Radiologe. Nur bitte kein Chirurg, das sei doch viel zu anstrengend. Im Sommer 2000 beginnt er mit dem Studium, macht vorher ein Pflegepraktikum im Bergmannsheil – und wird Chirurg.
„Ich liebe das Handwerkliche“, sagt Mirko Aach. Im Spezialrollstuhl steht er stundenlang am OP-Tisch. Und die Patienten mögen ihren Doktor. Der winkt bescheiden ab: „Ich bin kein besserer Arzt, nur weil ich im Rollstuhl sitze.“
Verheirateter Familienvater
Manchmal sei der sogar eher ein Hindernis. Direkt nach einem Unfall falle vielen seiner Rückenmarks-Patienten der Anblick ihres rollstuhlfahrenden Arztes schwer. „Klar, ich spiegele in dem Moment deren Schicksal wieder.“ Er kann das nachvollziehen, steckte er doch selber monatelang in dem Krankenhaus und lernte über Wochen mühsam, sich vom Bett in den verhassten Rollstuhl zu hieven.
Das Laufen vermisst der Bochumer mittlerweile nur noch selten. „Aber wenn ich an einem Kirschbaum vorbeifahre, würde ich gerne dort hochklettern und pflücken.“ Mit dem siebenjährigen Sohn und seiner Frau lebt der gebürtige Kamener in Bochum. Er fährt mit dem umgebauten Auto zur Arbeit, chauffiert den Sohn im Rollstuhl auf dem Schoß durch die Gegend. „Wir haben nie einen Kinderwagen gebraucht! Und wenn er mit Papa Fußballspielen möchte, dann rolle ich ihm den Ball halt zu.“
Dr. Mirko Aach hat noch große Pläne. Er möchte habilitieren, also eine Lehrberechtigung bekommen.
Und auch die Liebe zu den Alpen – „was für eine Ruhe“ – hat er nie verloren. Wenn im Februar wieder Schnee liegt, wird er sich dann halt den Mono-Ski anschnallen und wieder die steilen Hänge herunterfahren. Wie vor dem Unfall.