Bochum. „Deutschland, kein Sommermärchen“ heißt die sehenswerte Aufführung, die im Schauspielhaus läuft. Genau passend zur anstehenden Bundestagswahl.

Nur noch wenige Wochen bis zur Bundestagswahl, da steigt bei vielen die Sorge vor dem nächsten Rechtsruck. Wie werden die Rechtspopulisten diesmal abschneiden? War die Wahl in Thüringen, wo jeder Dritte AfD gewählt hat, womöglich nur ein Vorbote? Es sind ernste Themen, die jetzt in einer sehenswerten Aufführung im Schauspielhaus Bochum behandelt werden.

Kein grelles Polit-Theater

Doch „Deutschland, kein Sommermärchen“ ist kein grelles Polit-Theater. Björn Höcke, der hier nur Bernd genannt wird, und andere Reizfiguren werden nicht am Nasenring durch die Manege geführt, wie man es vielleicht erwarten könnte, im Gegenteil: Ganz leise, nachdenklich und wunderbar spielerisch widmet sich das Zwei-Personen-Stück den gesellschaftlichen Gräben und der sozialen Spaltung, die viele von uns umtreiben. Hier wird nicht blindlings mit dem Säbel zugestoßen, sondern elegant mit dem Florett.

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Das kleine Stück, das von dem Regieassistenten David Goldmann gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt wurde, hatte bereits im vergangenen Juni Premiere. Damals war ein Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam ein großes Thema, bei dem es um Pläne zur sogenannten „Remigration“, also zur Zwangsausweisung von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, gegangen sein soll. Recherchen des Mediennetzwerks Correctiv legten dies damals offen. Inzwischen ist die Welle der Empörung darüber zwar längst abgeebbt, doch an Aktualität eingebüßt hat der Theaterabend deswegen noch lange nicht.

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Zwei Hobby-Ornithologen kommen auf die Bühne

Auf der Bühne im ausverkauften Oval Office, dem Keller des Schauspielhauses, sieht man zunächst einmal: nichts. Keine Requisiten, kein Bühnenbild. Dann öffnet sich eine Tür, und schwer bepackt mit lauter Campingkram, Kühltruhe und Ferngläsern kommen zwei Männer auf die Spielfläche. Marius Huth und Oliver Möller spielen namenlose Hobby-Ornithologen, die ihre Freizeit damit verbringen, mitten in der Natur herumzusitzen und Vögel zu beobachten. Es bereitet ihnen immense Freude, wenn sie plötzlich einen Haubentaucher oder einen Goldregenpfeifer erspähen – und dabei die eine oder andere Dose Bier leeren. „Da, ein Rotkopfwürger!“

Während ihres Ausflugs in die Natur verstricken sich die beiden Freunde in ausgiebige Diskussionen: um Flüchtlinge, Politiker und den zunehmenden Einfluss der Rechten.
Während ihres Ausflugs in die Natur verstricken sich die beiden Freunde in ausgiebige Diskussionen: um Flüchtlinge, Politiker und den zunehmenden Einfluss der Rechten. © Schauspielhaus Bochum | Laura Thomas

Je länger die beiden Freunde da sitzen, desto launiger kommen sie ins Gespräch. Ähnlich wie an einem Kneipentresen streifen sie diverse Themen, verstricken sich in umständliche Diskussionen und bekommen auch schon mal leichten Krach. Vor allem machen sie sich Sorgen: etwa über die Spaltung der Gesellschaft und die soziale Kälte, die immer weiter um sich greife. „Das ist wie in den 30er Jahren“, meint der eine. „Die Vorboten des Holocaust sind schon da.“ Der andere widerspricht energisch: „Die damalige Zeit mit der heutigen zu vergleichen, ist vielleicht etwas gewagt.“

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Manchmal gefriert einem das Blut in den Adern

Es geht um Inflation und queere Menschen, um Flüchtlinge, um unsere Politiker („Früher waren die irgendwie kompetenter“) und den zunehmenden Einfluss der Rechten. Vieles wird in einen Hut geworfen, aber genau das macht den Charme dieses Abends auch aus. Die beiden Ornithologen widmen sich den Themen unserer Zeit ebenso unbedarft wie viele von uns. Nicht selten gefriert einem beim Zuschauen das Blut in den Adern: „30 Prozent weniger Bevölkerung fänd‘ Höcke gut“, meint einer. „Das wären 26 Millionen Menschen. Stell dir mal vor, was das bedeuten würde?“

Und was könnte man dagegen tun? Nach ausgiebiger Diskussion sehen die beiden Freunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder man geht viel öfter und hartnäckiger als bisher gegen den Rechtsextremismus auf die Straße – oder man wandert aus nach Kanada. „Da gibt es auch viel mehr Vögel.“

Beliebtes „Mixtape“ kehrt ins Oval Office zurück

„Deutschland, kein Sommermärchen“ wird wieder gespielt am Samstag, 11. Januar, und letztmals am Sonntag, 26. Januar, jeweils um 20 Uhr im Oval Office, Schauspielhaus Bochum. Eintritt nach eigenem Ermessen. Dauer: etwa eine Stunde.

Beim beliebten „Mixtape“ gehört das Oval Office ganz dem Ensemble – als persönliche Bühne für kleine Auftritte, Lieblingssongs und starke Soli. Nach längerer Pause ist der Abend wieder am Samstag, 25. Januar, um 20 Uhr zu sehen. Es moderiert Victor IJdens. Karten: 0234 3333 5555

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