Mülheim. Am Sonntag feiert auch Mülheim den bundesweiten Tag des offenen Denkmals. Doch viele Einrichtungen sind wegen Sanierungsstaus nicht zugänglich.
Drei Einrichtungen aus Mülheim sind am kommenden Sonntag (12. September) beim Tag des offenen Denkmals vertreten. Der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ins Leben gerufene bundesweite Aktionstag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Sein und Schein – in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege“. Dabei schwebt über einigen Denkmälern in der Stadt eine ungewisse Zukunft. Müsste Mülheim daher eher einen „Tag des geschlossen Denkmals“ feiern?
Was zunächst satirisch klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Wie wertschätzend geht die Stadt mit ihren Kulturschätzen um? Das aktuelle Motto von „Sein und Schein“ könnte in seiner Doppelbödigkeit zumindest für Mülheim kaum besser passen, denn allein vier bedeutende Landmarken in der Stadt sind aktuell und teils schon seit Jahren gar nicht zugänglich: Tersteegenhaus, Bismarckturm, Wasserbahnhof und VHS.
Tersteegenhaus: Sanierungsende ist weiterhin offen
Die besten Aussichten hat derzeit wohl das Tersteegenhaus: Denn hier hat das Denkmalförderprogramm von Land und Bund zunächst mit 750.000 Euro und in diesem Jahr noch einmal mit rund 300.000 Euro aus der Kasse des Kommunal- und Heimatministeriums unter die Arme gegriffen. Der Eigentümer „Stadt“ unterstützt hier in der Planung und mit Sachleistungen.
Wegen eines Schwamms in den Balken des Fachwerkhauses musste dieses entkernt und mit einem Baugerüst stabilisiert werden. Am Ende soll es – in seinem ursprünglichen Zustand von 1530 – wieder der Öffentlichkeit zugänglich sein. Nur wann?
„Die Frage habe ich mir abgewöhnt“, sagt Markus Püll vom Freundes- und Förderkreis. Denn in den bisherigen vier Jahren der Sanierung trat immer wieder Unvorhergesehenes zutage. Aktuell stehen noch Gutachten zum Umbau sowie verschiedene Ausschreibungen aus. Einen genaueren Zeitplan erwartet Püll zum Frühjahr 2022. Ein Ende der Sanierung aber bleibt offen.
Unklarer Zeitplan auch für den Mülheimer Wasserbahnhof
Ähnlich gilt das auch für den Wasserbahnhof. Das Hochwasser hat das denkmalgeschützte Haus in privater Hand zwar nicht – wie zunächst befürchtet – destabilisiert. So sollen die Arbeiten im Inneren des Hauses dem Vernehmen nach weitergehen. Auch die einstige beliebte Gastronomie auf der Schleuseninsel soll erhalten bleiben und wieder öffnen.
Auch die Sorge um mögliche „Luxuswohnungen“ in den oberen Geschossen scheinen vom Tisch. Unlängst hatte die Politik mit einem Bebauungsplanverfahren solchen Bestrebungen ohnehin den Riegel vorgeschoben.
Doch über die genauen Planungen und den Zeitrahmen der Sanierung hält sich der Eigentümer – die Duisburger Conle-Gruppe – seit der Schließung bedeckt, trotz großen Interesses der Öffentlichkeit an dem beliebten Ausflugsziel.
Der Bismarckturm bleibt weiterhin ein Sorgenkind
Deutlich hat sich der Amtsleiter für Stadtplanung, Felix Blasch, für den Erhalt des denkmalgeschützten Turms am Kahlenberg ausgesprochen: „Die öffentliche Hand hat den Auftrag, das kulturelle Erbe zu erhalten, selbst umstrittenes.“
Damit ist auch klar: Am Turm scheiden sich die Geister – und das spätestens seit der Nachkriegszeit. Nicht zuletzt schleppte sich das Denkmal für den „Gründer des Deutschen Reiches und ersten Reichskanzler“ von Sanierung zu Sanierung. Und weckte jedes Mal auch Begehrlichkeiten anstelle der baufälligen Zinne doch schmucke Wohnbebauung hinzustellen.
2017 legte die Stadt das Gebäude still, in dem zuvor der Künstler Jochen Leyendecker residierte, und zog einen Zaun darum. Vor wenigen Wochen erst brachte ein Anwohner die erneute Debatte ins Rollen: Das Bauwerk stehe für „Nationalismus“ – und erreichte damit zumindest eines: Etliche Mülheimer bekannten sich zwar gegen Nationalismus, aber für den Erhalt der Stätte.
Frank Buchwald, Leiter des städtischen Immobilien-Service, sieht jedoch Jahre verstreichen, bevor die Stadt das Geld für eine Sanierung aufbringen könne. Man spekuliert auf Fördergelder für die kommende Internationale Gartenbauausstellung – das aber bedeutet: Vor 2027 passiert am Kahlenberg nichts.
Erstarrte Politik: Auch an der VHS rührt sich nichts
Zu ,schlechter Letzt’ ist da noch die Frage um die Zukunft der VHS. Im Oktober läuft die Rechtsbindung für den Bürgerentscheid von 2019 ab. Damit müsste sich die Politik nicht mehr an den Entscheid halten. Und obwohl der Auftrag durch rund 18.000 Mülheimer Bürger an den Rat der Stadt ging, blieb dieser bis heute tatenlos. An politischen Lippenbekenntnissen freilich mangelte es nicht.
Doch erst die Bemühungen des Oberbürgermeisters Marc Buchholz und des Architekten Dietmar Teich zu Beginn des Jahres brachte wieder Schwung in die Hängepartie: Teich sollte einen Fahrplan für eine mögliche Sanierung aufstellen.
Bewahren allerdings konnte sich den Schwung auch Buchholz nicht: Lange Zeit war der Kontakt zum Architekten abgebrochen. Und die Politik sah dabei zu. Aktuell soll es – nach Auskunft der Initiative – wieder ein Lebenszeichen geben. Doch auch hier ist unklar, wann es einen Plan für die VHS gibt, wann die aufwendige Sanierung anläuft und wann die Einrichtung wieder an die Bergstraße zurückkehren wird.
Das sind die Orte am Sonntag
In Mülheim bietet die Alte Dreherei am Sonntag um 11.30, 12.30, 13.30 und 14.30 Uhr Führungen in kleinen Gruppen an. Die Dauerausstellung mit Oldtimern, Straßenbahnen, Feldbahn, historischer Werkstatt und zahlreichen weiteren Exponaten und Modellen ist während der gesamten Zeit (11 bis 15 Uhr) geöffnet. Auch das neue Denkmalprojekt „Alte Lokrichthalle“ wird vorgestellt.
Die Kirchengemeinde St. Theresia von Avila in Selbeck veranstaltet um 10.30 Uhr eine Führung mit Christof Rumbaum durch den „Selbecker Dom“, wie die Kirche im Ortsteil gerne genannt wird. In der Friedrichstraße 38 sind von 10 bis 17 Uhr die Räumlichkeiten der Freimaurerloge geöffnet.
Bis zum 13. September können alle Besucher ihren Lieblingsschnappschuss vom Tag des offenen Denkmals – egal ob mit dem Handy oder der professionellen Kamera aufgenommen – auf der Internetseite der Veranstaltung hochladen. Die Gewinner-Fotos werden in der November-Ausgabe der Monumente, dem Magazin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, veröffentlicht.
Erich Bocklenberg, der nicht nur die Bürgerinitiative für den Erhalt der VHS unterstützt, sondern auch als Leiter der unteren Denkmalbehörde den reichen Bestand der Stadt schützte, sieht gerade zu dem Tag des offenen Denkmals mit Sorge auf eben jenen historischen Schatz. „Der beliebte Tag erzeugt beachtliche Besucherströme und macht damit deutlich, dass viele Menschen für den Denkmalschutz, für das überlieferte bauliche Erbe Interesse zeigen und ein Wertempfinden dafür haben.“
Ziel des Denkmalschutzes sei es jedoch nicht, „ein überdimensionales Architekturmuseum zu schaffen, sondern bedeutsame Bausubstanz für die Menschen mit Leben zu füllen“, sieht der ehemalige Leiter der Denkmalbehörde darin einen Auftrag an die Stadt, „den übermächtig erscheinenden Zwängen von Finanzengpässen zu trotzen“. Manche, begrüßt Bocklenberg, seien endlich auf einem „hoffnungsvollen Weg der Wiedererweckung“, bei anderen aber, kritisiert er, „fehlen ein Plan und der Mut dazu“.