Mülheim. Seit Herbst 1971, seit 50 Jahren ist die Westdeutsche Allgemeinde Zeitung im Pressehaus an der Eppinghofer Straße 1-3 zu Hause. Ein Rückblick.

Eine vertraute Adresse ist es für viele Mülheimerinnen und Mülheimer das Pressehaus an der Eppinghofer Straße 1-3. Vor 50 Jahren, am 6. September 1971, eröffnet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) dort ihre Geschäftsstelle.

Wenige Monate später zieht auch die Redaktion in die zweite Etage des Hauses ein. Der Grund: Das alte Zeitungshaus mit Druckerei am Bahnhof (Eppinghofer Straße 64/68) muss dem „U-Bahnbau und einer städtebaulichen Neuordnung“ weichen.

„Mülheimer Zeitung“ bleibt präsent

Dieses Bild zeigt den Abriss des zweiten Mülheimer Pressehauses (Baujahr 1904), das quer zur heutigen Straßenfront der Eppinghofer Straße stand. Im Hinterhof wurde bei Marks bis 1925 die Mülheimer Zeitung gedruckt.
Dieses Bild zeigt den Abriss des zweiten Mülheimer Pressehauses (Baujahr 1904), das quer zur heutigen Straßenfront der Eppinghofer Straße stand. Im Hinterhof wurde bei Marks bis 1925 die Mülheimer Zeitung gedruckt. © WAZ | Repro: frh

„Mit diesem Umzug kehrt die Mülheimer Zeitung an die Stätte ihres Ursprungs zurück. Die Tradition dieses jetzt 98 Jahre alten Nachrichten- und Insertionsorgans der Mülheimer Bevölkerung setzt die WAZ seit ihrer Gründung 1948 fort“, schreibt Franz-Rolf Krapp im August 1971 im Mülheimer Lokalteil. „Mülheimer Zeitung“ ist nach wie vor präsent im Kopf der WAZ-Titelseite.

Das Stöbern in alten Urkunden, Katasterbögen und Mietverträgen belegt: Die Mülheimer Zeitung wird vor knapp 150 Jahren in der Druckerei Marks gedruckt. 1945 widerruft die britische Militärregierung das Recht zur Zeitungsproduktion. Die Druckmaschinen arbeiten in einem Hinterhof-Anbau – dort, wo heute das Gebäude Eppinghofer Straße 5 die Straßenfront bildet.

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Am 3. Juni 1958 starten die Bauarbeiten für das neue Zeitungshaus

Der Bau des heutigen Pressehauses direkt nebenan startet am 3. Juni 1958. Am 20. Juni folgt die Grundsteinlegung. Am 6. Juli ziehen Maurer bereits die ersten Kellerwände hoch, zeigen die Fotos in einem dicken Album des Eigentümers.

Er selbst ist damals zehn und entdeckt die Baustelle als Spielparadies. „Es war spannend, die großen Bagger beim Ausschachten zu beobachten. Dann kam der Baukran, die Lastwagen mit Steinen, Zement und Eisenmatter“, erinnert sich der heutige Senior. Er möchte seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen.

Richtfest auf dem Dach gefeiert

Ein Skelett aus Stahlbeton bildet den Rohbau des späteren Pressehauses an der Eppinghofer Straße 1-3.
Ein Skelett aus Stahlbeton bildet den Rohbau des späteren Pressehauses an der Eppinghofer Straße 1-3. © WAZ | Repro: frh

Viele Hände arbeiten flott. Bereits am 3. September weht der Richtkranz über den sieben Geschossen. „Zum Richtfest fanden sich Bauherr, Architekten und das Personal der Beteiligten Firmen auf dem Dach des Stahlbetonskelettes ein“, lesen die Mülheimer am nächsten Tag in der WAZ.

Im Februar 1959 eröffnet der Vater des heutigen Eigentümers im Erdgeschoss ein Schreibwarengeschäft. Mitte 1971 gibt er es auf. Sein Gesundheitszustand und der seiner Frau sind nicht bestens. Sein Sohn hat kein Interesse am Geschäft mit Bürobedarf.

Neue Geschäftsstelle am Kaiserplatz

So ist es ein „glücklicher Umstand, dass die WAZ mit ihrer Geschäftsstelle im Erdgeschoss einziehen kann – in Sichtweite ihrer alten Heimat und direkt am Kaiserplatz“, schreibt der Chronist vor 50 Jahren. „Alle Angelegenheiten, die mit der Bestellung, dem Bezug, der Lieferung der Zeitung oder mit Anzeigen zusammenhängen, sind ab dem 6. September dort zu erledigen.“

Die Szenerie heute: das Mülheimer Zeitungshaus eingebettet in die Nachkriegsbauten an der Eppinghofer Straße.
Die Szenerie heute: das Mülheimer Zeitungshaus eingebettet in die Nachkriegsbauten an der Eppinghofer Straße. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Anzeigenberater, Frauen, denen die Kunden ihre Kleinanzeigen direkt in die Schreibmaschine diktieren, die Telefonzentrale – alle haben hinter dem Tresen gegenüber der Eingangstür einen engen Arbeitsplatz. In einer Ecke befindet sich die Kasse, gegenüber sitzen die Männer des Zeitungsvertriebs, die jede Ecke im Stadtgebiet kennen, um die Boten zu den korrekten Briefkästen der Leser zu schicken.

Alle Ansprechpartner in einem Haus

Das drittes Haus am Platz

Das Pressehaus an der Eppinghofer Straße 1-3 ist das dritte Gebäude an diesem Platz. Die alte Eppinghofer Straße mündete dort einst in den Stadtkern, wo heute das siebenstöckige Haus steht. Die linke Ecke befindet sich direkt vor der ehemaligen „Jagdhütte“.Das erste Haus der Eigentümerfamilie, Eppinghofer Straße 11, steht seit etwa 1866 rechts daneben. Die Vorderseite zeigt Richtung Kaiserplatz. Im Hof befindet sich die Druckerei in einem Anbau. Die Eppinghofer Chaussee wird bereits um 1880 tiefergelegt, so dass die Häuser massive Treppenaufgänge erhalten. Die Mülheimer nennen sie „Bergsken“.1904 wird dieses Haus abgerissen und vom zweiten, größeren Gebäude ersetzt. Dieses fällt Anfang 1960, nach dem Umzug der Besitzer in den Neubau. Davor legen Stadtplaner und Bauarbeiter die Eppinghofer Straße; ihre Kurvenführung auf den Kaiserplatz ist erhalten, wie sie heute noch besteht.Das Zeitungshaus der Mülheimer Zeitung, in dem ab 1948 auch die WAZ mehrere Ausgaben druckt, wird im Sommer 1972 abgerissen. Gleichzeitig fällt die gesamte Häuserzeile zwischen Eisenbahnbrücke und heutiger Tunneleinfahrt. Für eine neue Bahnstraße fällt elf Jahre später auch das Löwenhof-Kino gegenüber.

Erst einige Monate später entspannt sich die räumliche Enge. Geschäftsstellenleiter und Anzeigenberater erhalten Büros in der ersten Etage des Hauses. Als weitere Wohnungen freiwerden, zieht auch die Redaktion in der zweiten Etage des neuen Pressehauses ein. „Sie finden alle Ihre Ansprechpartner jetzt im Haus Eppinghofer Straße 1-3“, stellt sich die damalige WAZ-Redaktion mit dem Team der Geschäftsstelle in der Zeitung vor.

Zahlreiche Frauen und Männer haben in Lauf der fünf Jahrzehnte im Pressehaus am Kaiserplatz für ihre Kundinnen und Kunden, Leserinnen und Leser gearbeitet. Dabei entstanden auch freundschaftliche Kontakte.

Computer lösen Schreibmaschinen ab

Ein Bild aus dem Redaktionsalltag der 1980er-Jahre: „Wir saßen alle in einem Raum eng beieinander – außer Lokalchef Alexander Kranki“, erinnert ich der mittlerweile in den Ruhestand gegangene Reporter Frank-Rainer Hesselmann (links), hier im Bild mit seiner damaligen Kollegin Margret Emirli.
Ein Bild aus dem Redaktionsalltag der 1980er-Jahre: „Wir saßen alle in einem Raum eng beieinander – außer Lokalchef Alexander Kranki“, erinnert ich der mittlerweile in den Ruhestand gegangene Reporter Frank-Rainer Hesselmann (links), hier im Bild mit seiner damaligen Kollegin Margret Emirli. © WAZ | Repro: frh

Frauen brachten im Advent selbst gebackenes Spritzgebäck oder Kuchen vorbei, um sich beim WAZ-Team zu bedanken und den persönlichen Kontakt zu pflegen. Das hat sich inzwischen geändert. Computer und elektronische Übertragungswege haben längst Schreibmaschine und Beratungsgespräche am Tresen abgelöst. Auch die Zeitung muss mit den Veränderungen der digitaler werdenden Gesellschaft schritthalten.