Wesel. Für 2023 kann der Verlust erneut aus den Rücklagen ausgeglichen werden. Dennoch steht die Finanzplanung auch in Wesel vor schwierigen Zeiten.
Traditionell stehen bei der letzten Ratssitzung des Jahres Plätzchen auf den Tischen - aber es lag nicht daran, dass die Politik beim umfangreichsten der 41 öffentlichen Tagesordnungspunkte vorwiegend lobende Worte für die Verwaltung fand. Bei der Verabschiedung des Haushaltes für 2023 waren sich die Redner weitgehend einig: Wesel steht finanziell trotz aller Widrigkeiten im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen gut da und ist handlungsfähig. Mit Blick auf die Unwägbarkeiten der kommenden Jahre fehlte es aber auch nicht an mahnenden Worten.
Der Haushaltsplan für 2023 weist zwar ein Defizit von 8,7 Millionen Euro auf, die Finanzlücke kann aber nochmals aus der Rücklage – die fast 48 Millionen Euro enthält – ausgeglichen werden. Und: Laut Gesetz können zwei außerordentliche Belastungen für den städtische Finanzplan isoliert verbucht werden. Das sind mehr als 3,9 Millionen Euro für die Corona-Pandemie sowie über 5,4 Millionen Euro für die Folgen des Ukraine-Krieges, etwa die Flüchtlingsunterbringung und die Energie-Mehrkosten. Bezahlt werden muss die Rechnung eines Tages dennoch.
Das sagt die Weseler Politik zum Haushalt 2023
Die Summe trübte die Stimmung bei den meisten Fraktionen nicht. „Mit diesem Haushalt entlasten wir die Bürger“, stellte Jürgen Linz (CDU) mit Blick auf Gebührensenkungen etwa bei Müll und Entwässerung fest und verwies auf die Rücklage sowie die gute Entwicklung der Gewerbesteuer. Dadurch sei es möglich, an der Schulentwicklungsplanung festzuhalten. Er hob die kurz zuvor auf Antrag des Jamaika-Bündnisses beschlossene Gründung der „Stadtwerke Wesel Service und Energie GmbH“ als Tochter der Städtischen Bäder hervor: Sie soll sich um die Umsetzung der Beschlüsse zur Klimaneutralität kümmern und erneuerbare Energien vorantreiben. Großprojekte wie der Neubau von Stadtwerken und Rettungswache, Niederrheinhalle und Kombibad müssten auf „solide Finanzierung geprüft“ werden. Die vom Etat isolierten Kosten bleiben eine Herausforderung: „Wollen wir diese Belastungen nicht auf die künftigen Generationen verschieben, steht uns dieser finanzielle Kraftakt im Jahr 2026 bevor.“
Ludger Hovest (SPD) lobte den Fonds zur Bekämpfung der Armut in Wesel, für den 2023 und 2024 jeweils 500.000 Euro zu Verfügung stehen, sowie die stabilen Abgaben und Gebühren für Bürger. Die Rechnung für Abwasser hätte noch um 20 Prozent mehr sinken können, „wenn die Stadtwerke den Störfall in der Kläranlage besser gemanagt hätten.“ Er mahnte an, dass in Wesel neue Windräder und Photovoltaikanlagen entstehen müssten, damit auch die Stadtwerke klimaneutralen Strom erzeugen könnten und wies noch einmal auf die fehlende Hilfe bei der Unterbringung von Flüchtlingen hin – auf die Freigabe des leerstehenden alten Finanzamtes vom Land wartet die Stadt immer noch. Angesichts der soliden Lage in schweren Zeiten lobte Hovest Kämmerer Klaus Schütz.
Pro-Kopf-Verschuldung in Wesel steigt deutlich an
Ebenso wie Ulrich Gorris (Grüne), der die 48-Millionen-Rücklage als „nicht selbstverständlich“ bezeichnete und unterstrich, dass die Stadt ihr Klimaschutzziel erreichen müsse. Das angestrebte Stadtbussystem sei dabei neben diversen Förderprogrammen ein „phantastisches Projekt“. Ein Lob schickte er auch in Richtung der anderen Fraktionen: „Ich habe selten so sachorientierte Haushaltsberatungen erlebt.“ Michael Oelkers (FDP) goss einen Wermutstropfen auf die allgemeine Zufriedenheit und erinnerte an die Pro-Kopf-Verschuldung der Weseler, die theoretisch bis 2026 von 1700 auf rund 4700 Euro steigen könnte. Bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Stadtteile warnte er davor, Schwerpunkte und damit Konfliktpotenzial zu schaffen. Er forderte, das längst geplante City-Büro für die Stadtwacht einzurichten.
Thomas Moll (WfW) stellte mit Blick auf kommende Jahr fest, dass die Spielräume der öffentlichen Haushalte enger werden: „Die Lunte auf der Ertragsseite brennt“. Er titulierte die isolierten Haushaltsposten für Corona und die Ukraine als „Kosmetik“, die allein in Wesel bis 2026 den Etat mit 26 Millionen belasten könnte. Und: Die Betriebskosten für das Kombibad seien Ausgaben, die an anderer Stelle Lücken reißen würden. Angesichts der großen Risiken hofft er, „dass wir rechtzeitig gegensteuern können.“
Linke stimmt dem Haushalt für 2023 nicht zu
Als einzige lehnte Barbara Wagner (Linke) den Haushaltsplan ab. Sie vermisst stärkere Unterstützung von Bund und Land für die Kommunen, erinnerte an die vielen Bürger, die keine Reserven mehr für die Energiekosten und höheren Grundsteuern haben und forderte, soziale Aspekte mehr zu berücksichtigen. Positiv hob sie unter anderem das Schulbauprogramm hervor. Seiner „Satirepartei“ machte Marcel Schoierer (Die Partei) alle Ehre: Er gab Haushaltstipps – fürs Putzen daheim, bevor er mit nur einem kurzen Satz zum Thema kam: „Wir stimmten dem Haushalt zu.“
Somit wurde das unter schwierigen Bedingungen aufgestellte Zahlenwerk mit großer Mehrheit beschlossen – ob sich die Finanzen 2023 wie geplant entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Wie schwierig Voraussagen sind, zeigt schon die Veränderungsliste: Allein zwischen der Präsentation des Entwurfs im Oktober und dem Etat-Beschluss am Dienstag ist das Defizit um 1,7 Millionen Euro angewachsen.