Wesel. Die Stadt hat sich ein ambitioniertes Klimaziel gesetzt. Dabei ist sie auf Mithilfe der Bürger angewiesen. Beim Verkehr soll sich einiges ändern.

Starkregen, Dürre, Stürme: Längst macht sich der Klimawandel auch vor der eigenen Haustür bemerkbar. Angesichts dessen hat sich die Stadt Wesel ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2035 soll die Kommune klimaneutral werden. So hat es der Stadtrat beschlossen. In unserer repräsentativen Leserumfrage stößt der Beschluss auf Zustimmung: 45 Prozent der Befragten stehen hinter dem Vorhaben. Doch wie will die Stadtverwaltung das Ziel erreichen? Und wie lässt sich das Klimaneutralität eigentlich messen? Wir haben nachgefragt.

Viele Parameter auf dem Weg zur Klimaneutralität lassen sich gut berechnen, berichtet Klimaschutzmanager Ulrich Kemmerling. Der CO2-Ausstoß durch den Stromverbrauch beispielsweise lasse sich durch die Netzbetreiber nachhalten. Der Energieverbrauch von privaten Gebäuden könne über Vergleichswerte ermittelt werden. Informationen über die Art der Bebauung liegen der Stadt vor. Über die Energiedaten von kommunalen Gebäuden ist die Verwaltung genau informiert. Und hier legt die Stadt schon seit einiger Zeit bei Sanierungen und Neubau Wert auf Klimaschutz: Durch Geothermie (Erwärme), Photovoltaik, ressourcenschonende Materialien, gute Dämmung etwa. „Es ist ganz wichtig, den Verbrauch zu reduzieren“, sagt Ulrich Kemmerling. Auch die städtischen Tochterunternehmen (wie Stadtwerke, Bädergesellschaft, ASG) arbeiten für ihren Bereich an dem Ziel.

Wie kann die Stadt Bürger für den Klimaschutz gewinnen?

Schwieriger sei es, bei privaten Gebäuden mehr Klimaschutz zu erreichen. „Da bleibt uns nur, proaktiv auf die Bürger zuzugehen“, sagt Stadtplaner Martin Prior. Durch Aufklärung, aber noch wichtiger: durch finanzielle Anreize, das eigene Heim umzurüsten – also Förderprogramme. Einige solche Anreize bietet die Stadt selbst an: Das Dach- und Fassadenbegrünungsprogramm oder die Förderung für Balkon-Solaranlagen zum Beispiel. Davon muss es in Zukunft noch weitere geben, so Kemmerling, damit die Bürger in ihre Wohnungen und Häuser investieren.

Voraussetzung für den Erfolg des Weseler Vorhabens ist allerdings auch ein Plan. Das Klimaschutzkonzept ist ein Leitfaden, der gerade erarbeitet wird – das Vorgängermodell stammt von 2013. Zusätzlich ist ein Klimafolgenanpassungskonzept in Arbeit. Es geht darum, die Folgen von Hitze, Dürre, Starkregen zu mildern und die Biodiversität zu erhalten – „durch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen“, so Kemmerling.

Klimaschutz: Verkehr in Wesel ist eine schwierige Aufgabe

Die Konzepte, die bis Ende 2022, Anfang 2023 fertig werden, sollen konkrete Maßnahmen sowie den finanziellen Aufwand ermitteln, eine Art Fahrplan. Den Weg zum Klimaziel werde die Stadt mit Monitorings begleiten, erklärt Kemmerling. Wichtig aus seiner Sicht wäre auch, dass die Stadt weitere Flächen für Windräder erhält – denn die fehlen derzeit. Er hofft da auf Beschlüsse der neuen Landesregierung.

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Eine weitere Stellschraube ist der Verkehr. „Das wird eine ganz schwierige Aufgabe“, sagt Martin Prior. Insbesondere, weil Wesel eine ländliche Region mit einem lückenhaften ÖPNV-Netz ist. Wer in Außenbezirken wie Bislich wohnt, kennt das Problem. Da ist das Auto für viele (noch) unverzichtbar. Obwohl das Fahrrad in Wesel mit 28 Prozent einen hohen Anteil am Gesamtverkehr hat, entfallen rund 50 Prozent des Verkehrs immer noch auf den motorisierten Individualverkehr.

Wesel will den Verkehr klimafreundlich umgestalten

Als Ergänzung zum Klimaschutzkonzept wird ein klimaorientiertes Mobilitätskonzept erstellt, in dem es um die Frage geht, wie der Verkehr möglichst viel Treibhausgas einsparen kann. „Wir sind noch ganz am Anfang“, sagt Verkehrsplaner Michael Blaess. Das Konzept, das von einem externen Büro erarbeitet wird, soll bis August 2023 nicht nur aufzeigen, welche Maßnahmen im Fuß- und Radverkehr, im ÖPNV und Individualverkehr dazu beitragen können, das Klimaziel zu erreichen, sondern auch, was diese Maßnahmen kosten. Erste Szenarien mit hohen Einsparpotenzialen wurden der Politik bereits vorgestellt und sollen nun weiter verfolgt werden.

Viel Arbeit steht also noch bevor. Und auf einige Bereiche wie die privaten Gebäude hat die Stadt keinen direkten Einfluss. Kann Wesel das Ziel bis 2035 erreichen? Bürgermeisterin Ulrike Westkamp gibt sich optimistisch, denn sie beobachtet bei den Menschen ein verändertes Bewusstsein für das Klima: „Wenn alle daran arbeiten, bin ich überzeugt, dass viel erreicht werden kann.“

>> Umfrage: So stehen Weselerinnen und Weseler zum Klimaziel

In unserer Umfrage zum Weseler Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden, stimmen 45 Prozent der 159 Befragten der Aussage: „Ich finde das gut, die Stadt nimmt eine Vorreiterrolle ein“ zu. 33 Prozent meinen: „Eine gute Idee, aber nicht realistisch umsetzbar.“ Dass es nicht mehr als ein symbolischer Schritt ist, sagen sechs Prozent der Befragten und 13 Prozent halten das Ziel für sinnlos, weil Wesel das Klima nicht retten kann. Auffallend ist die große Zustimmung zum Klimaziel bei den Jungen: 73 Prozent stehen dahinter, während es in der Altersgruppe 30 bis 59 Jahre nur 48 Prozent sind und in der Gruppe über 60 sogar nur 35 Prozent.