Wesel. Explodierende Energiepreise führen zu massiv gestiegenem Beratungsbedarf in der Verbraucherzentrale. Kunden schildern krasse Fälle.

Die enormen Energiepreise sind das beherrschende Thema in der Verbraucherberatung Wesel und bringen auch erfahrende Mitarbeiterinnen in Situationen, die sie bisher nicht kannten: Verzweifelte Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie die Abschläge für Strom und Gas bezahlen sollen. Ein älterer Herr, der mit seinen gut 1000 Euro Rente bisher über die Runden kam, saß mit Tränen in den Augen bei Leiterin Karin Bordin. Zu den 400 Euro Miete kam plötzlich ein monatlicher Abschlag von 350 Euro für Strom – statt 80 Euro. „Er hatte Angst, dass man ihm den Strom absperrt“, sagt Karin Bordin. Fälle, mit denen sie in den letzten Monaten häufiger zu tun hat.

Noch schlimmer traf es eine Familie mit zwei Kindern, die früher finanziell gut klarkam. Das Paar, das in einem Einfamilienhaus lebt, sollte statt etwa 150 Euro satte 1450 Euro pro Monat für Gas an den Anbieter überweisen - das Zehnfache. „Das war absolut nicht möglich.“ In beiden Fällen konnte die Beraterin helfen, wenn auch die Preise hoch bleiben.

Energiepreise: Grundversorger sind oft am günstigsten

Für den Rentner war die Preiserhöhung nicht wirksam, weil die Änderung dem Kunden nicht transparent in einem Schreiben mitgeteilt wurde. Er konnte erst einmal bei den alten Abschlägen bleiben und die erhöhten Zahlungen zurückbuchen. Über ein Sonderkündigungsrecht können Verbraucher sich selbst bei wirksamen Preiserhöhungen vom teuren Versorger trennen, erklärt Bordin. Damit landen die Kunden automatisch beim Grundversorger – und die seien derzeit zumeist günstiger, obwohl sie früher die kostspieligste Variante waren. So machte es auch die vierköpfige Familie und konnte den horrenden Abschlägen entgehen. „Man sollte immer schauen, wer der Grundversorger ist und wie die Preise sind“, rät die Fachfrau.

Die Verbraucherberatung Wesel verleiht Messgeräte, mit denen Kunden den Stromverbrauch einzelner Haushaltsgeräte kontrollieren können.
Die Verbraucherberatung Wesel verleiht Messgeräte, mit denen Kunden den Stromverbrauch einzelner Haushaltsgeräte kontrollieren können. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

In Wesel zum Beispiel ist dies Eon für den Strom und die Stadtwerke für Gas. Dort komme man zurzeit vergleichsweise moderat weg. Die Verbraucherberatung hat auch eine Liste mit den aktuellen Preisen der Grundversorger in NRW. Aber auch hier droht ein Fallstrick: Wer dorthin wechselt, sollte darauf achten, dass er nicht im Ersatzversorgertarif landet - der ist oft wiederum höher. „Man kann derzeit nur nach dem kleineren Übel schauen“, sagt Karin Bordin. Der Durchschnittspreis für Gas liegt aktuell bei 15,04 Cent/kWh und für Strom bei 42,45 Cent.

Verbraucherzentrale zu Energiekosten: Problem auch für die Mitte der Gesellschaft

Gut jedes zweite Anliegen der Ratsuchenden dreht sich derzeit um Energiekosten. Bordin: „Die Anfragen haben massiv zu genommen.“ Die Situation sei „bedrückend“, berichtet sie, „es ist ein sehr unruhiger Markt, der nicht berechenbar ist.“ Was ihr Sorgen bereitet, ist eine Beobachtung: „Das Problem ist auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Nicht nur diejenigen, die mit einem knappen Budget auskommen müssen, sondern auch Normalverdiener geraten in finanzielle Schieflagen. „Wir hoffen, dass die Energieversorger nicht so schnell sperren“, sagt sie mit Blick auf den Winter und rät: „Schon bei der Androhung sollte man sich frühzeitig mit dem Anbieter in Verbindung setzen“, möglicherweise eine Ratenzahlung vereinbaren.

Mit einer neuen Welle von Anfragen rechnet sie am Jahresanfang, wenn die Mieter über die Nebenkostenabrechnung die erhöhten Heizkosten zu spüren bekommen. „Es wird für viele Leute existenziell“, befürchtet sie. Denn die Lebensmittelkosten steigen ja ebenfalls.

Verbraucherberatung Wesel: So lässt sich Strom und Energie sparen

Karin Bordin zitiert aus einer aktuellen Mail einer alleinerziehenden Mutter: Der Gaspreis ist von 84 Euro auf 457 Euro gestiegen und für Strom werden statt 95 nun 318 Euro fällig. Solche Anfragen erreichen das Büro an der Wilhelmstraße täglich – seit Ende 2021 geht das schon so. Damals mussten viele Kunden in die – zu dieser Zeit noch teurere – Grundversorgung wechseln, weil klamme Gas- und Stromanbieter ihnen gekündigt hatten. In vielen Fällen erreichten die Verbraucherschützer, dass die Kunden die Mehrkosten zu 70 Prozent vom bisherigen Anbieter erstattet bekamen.

Der einzige Hebel, den die Menschen noch selbst in der Hand haben, ist der Energieverbrauch. Hier haben die Verbraucherschützer Empfehlen parat. Kleinere Maßnahmen wie die Heizkörper freistellen, Fenster abdichten oder LED-Lampen einsetzen, sind schnell umzusetzen. Wichtig sei es auch, Stromfresser zu identifizieren und möglicherweise über eine Neuanschaffung nachzudenken. Wäschetrockner benötigen viel Energie, es geht aber auch ohne. Wer wissen will, wie viel Kühlschrank oder Fernseher verbrauchen, kann sich in der Beratungsstelle ein Messgerät ausleihen.

Hier gibt es Tipps zu Energiepreisen und Sparmöglichkeiten

Viele weitere Tipps und Informationen zum Umgang mit Energiepreisen und Spartipps hält die Verbraucherzentrale vor Ort oder auf ihrer Internetseite verbraucherzentrale.nrw bereit. Dort gibt es auch ein Kontaktformular, über das das Weseler Team per Mail erreichbar ist.

Die Beratungsstelle in Wesel an der Wilhelmstraße 5-7 ist montags von 10 bis 14 Uhr, dienstags und donnerstags von 9 bis 13 und von 14.30 bis 18 Uhr sowie freitags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Telefonisch ist das Büro unter 0281 4736840-1 erreichbar.