Emmerich. Im Jahr 1823 wird die Gesellschaft Bürgerverein Emmerich gegründet. Welches geheime Zeichen es früher bei Abstimmungen gegeben haben soll.

In den USA verkündet Präsident James Monroe die nach ihm benannte Doktrin. In Europa beginnt die französische Invasion in Spanien. Und in Emmerich gründet sich die Gesellschaft Bürgerverein. Es ist das Jahr 1823.

Jahrzehntelang wurde Gründung am Martinstag begangen

Auf stolze 200 Jahre Vereinsgeschichte kann somit dieser Tage zurückgeblickt werden, wobei die Anfänge im Nebel der Geschichte abgetaucht sind. Denn das genaue Gründungsdatum kann nicht mit Sicherheit genannt werden. Jahrzehntelang wurde im Bürgerverein der 11. November, also der Martinstag, als Gründungstag begangen.

Ballotage am 17. Oktober 1823

Norbert Gies (†) brachte im Jahr 2009 sein Buch Carpe diem heraus, das die Geschichte des Bürgervereins beleuchtet.
Norbert Gies (†) brachte im Jahr 2009 sein Buch Carpe diem heraus, das die Geschichte des Bürgervereins beleuchtet. © WAZ FotoPool/Gisela Weißkopf | Gisela Weißkopf

Dagegen spricht: Schon am 17. Oktober 1823 findet eine Ballotage statt. Neben dieser Abstimmung, an der 29 Mitglieder teilnehmen, wird im Protokoll zur Sitzung auch die Satzung explizit erwähnt, die also ebenfalls schon existiert haben muss. Nichtsdestotrotz schreibt Norbert Gies, der im Jahr 2017 im Alter von 89 Jahren verstorben ist und von 1983 bis 2007 als 15. Direktor an der Spitze der Gesellschaft stand, in seinem Buch Carpe Diem, das die Geschichte des Bürgervereins beleuchtet, dass trotzdem „der 11. November als der eigentliche Gründungstag angesehen werden muss“. Dies geht auch aus einer vereinsinternen Schrift aus dem Jahr 1837 hervor.

Der erste Vorstand bestand aus dem Arzt Dr. Haffmanns, der bereits ein Jahr später verstarb, sowie Spediteur Friedrich Fellinger und Privatsekretär Franz Joseph Franken, der von 1840 bis 1872 Bürgermeister von Emmerich war. 49 Personen traten bei der Gründung zudem als Mitglieder ein.

Bürgertum steht hoch im Kurs

Während heute der Name Bürgerverein per se nicht das Ziel des Vereins vermittelt, war das vor 200 Jahren anders. Denn das Bürgertum stand in dieser Zeit hoch im Kurs. Die zuvor geltenden Standesunterschiede, aber auch mögliche Zugehörigkeit zu Gilden bildeten einen exklusiven Zirkel. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt hingegen der Bürgerverein bei seiner Gründung. Der schon fast panhumanistische Gedanke dahinter will alle Emmericher Bürger unter dem Dach einer Gesellschaft zusammenführen.

Das klappt auch ganz gut. Handwerkermeister, Kaufleute, Lehrer, Richter, Rechtsanwälte, Post, Zoll- und Gerichtsbeamte, Apotheker, Ärzte, Rentner und Förster gehören dem Verein im Gründungsjahr an. „Man sieht daran, wie hier die sonst von den alten Vereinigungen geübte Exklusivität aufgegeben ist, wie sich hier alle, gleich welchen Standes, als Bürger einer Stadt zusammenfinden, und wie begründet es war, den Verein eben Bürgerverein zu nennen“, lautete auch Norbert Gies’ Resümee.

Das Zeichen für Eingeweihte

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in den Anfangstagen und weiteren Jahrzehnten schon auf eine gewisse Exklusivität Wert gelegt wird, was sich zunächst nicht nur durch das Fehlen von Mitgliedern aus der Arbeiterklasse ausdrückt – wobei im historischen Kontext sich Arbeiter auch nicht als Mitglieder der namensgebenden bürgerlichen Schicht verstanden. Potenzielle neue Mitglieder müssen die schon erwähnte Ballotage überstehen. Aus mündlichen Überlieferungen ist bekannt, dass die Abstimmungen schon mal gesteuert worden sind. Zog der Direktor etwa das Einstecktuch aus seiner Sakko-Brusttasche, sei dies ein Zeichen für die Eingeweihten gewesen, dass der Bewerber nicht erwünscht war.

Wie auch immer: In seinen 200 Jahren hatte der Bürgerverein viele prägende Persönlichkeiten der Emmericher Stadtgeschichte in seinen Reihen als Mitglied. Das traditionelle Herrenessen gibt es ebenso seit 1823 wie das Karnevals-Komitee, das damit geschichtlich gesehen auf einer Stufe mit dem Kölner Festkomitee beziehungsweise den Roten Funken steht.

>>> 17 Direktoren in 200 Jahren

Die Gesellschaft Bürgerverein Emmerich wird von einem Direktor geführt. Folgende 17 Männer hatten den Posten in den vergangenen 200 Jahren inne: Dr. med Haffmanns (1823 - 1824), Johann Jacob Wolters (1824 - 1850), H. Grambusch (1850 - 1854), Eduard Derksen (1854 - 1884), Theodor Vogel (1884 - 1895), Walter Derksen (1895 - 1897), Wilhelm Hoffmann (1897 - 1898), Bernhard Tibus (1898 - 1906), Clemens Hufnagels (1906 - 1933), Michael Hoengen (1933 - 1938), Hans Heiming (1938 - 1959), Theo Jacobs (1959 - 1964), Franz Wolters (1964 - 1971), Heinrich Tibus (1971 - 1983), Norbert Gies (1983 - 2007), Freddy Heinzel (2007 - 2021), Paul Münchrath (seit 2021).