Emmerich. Der Bürgerverein Emmerich möchte sich auf Traditionen besinnen, aber auch eine Modernisierung vorantreiben. Wie erklärt Direktor Paul Münchrath.
Der Bürgerverein Emmerich blickt auf eine reichhaltige Tradition zurück. Gegründet 1823 steht im kommenden Jahr das 200-jährige Jubiläum an. Mit Paul Münchrath hat der Verein Ende Oktober einen neuen Direktor gewählt, der antritt, um in Teamarbeit zugleich eine Rückbesinnung auf die Traditionen, aber auch eine Modernisierung vorantreiben möchte. Der NRZ erklärt er, worum es geht.
Vier Themenfelder im Vorstand als Herausforderungen definiert
Schon im Oktober 2019 hat der Vorstand auf einer Klausurtagung am Schlösschen Borghees über die Zukunft des Vereins gesprochen. „Wir wollen uns nach vorne bewegen“, sagt der in Frechen geborene Münchrath. Vier Themenfelder wurden identifiziert:
1. Mitglieder und Struktur: „Wir wollen junge Mitglieder gewinnen. Wir wollen Frauen aktiv in die Vereins- und Vorstandsarbeit einbinden. Ich haben den Auftrag bekommen, ein Vorstandsteam aufzustellen. Da sollen auch Frauen und junge Leute vertreten sein“, sagt der 60-Jährige. Auf der Jahreshauptversammlung, deren Terminierung wegen Corona noch etwas unklar ist, werde er den Mitgliedern ein Team zur Wahl vorstellen.
2. Image – Profil – Wahrnehmung: „Wir wollen ein unverwechselbares Profil erstellen“, so Münchrath. Ein Blick in Paragraph 2 der Vereinssatzung lohne sich: Der Verein habe sich die Förderung des Bürgersinns für Emmerich auf die Fahnen geschrieben – durch Information, Kultur und Unterhaltung.
Bürgerverein? „Das ist doch ein Karnevalsverein“, sagten Passanten
Man habe auf der Kaßstraße Passanten nach dem Bürgerverein gefragt. Die häufigste Antwort: „Das ist doch ein Karnevalsverein.“ Münchrath ist selbst ne Kölsche Jeck, ein Karnevalist durch und durch, aber der Verein dürfe nicht darauf reduziert werden. „Der Bürgerverein ist viel mehr als das. Wir haben eine historische Verantwortung. Da werden wir relativ unorthodox ein reichhaltiges Programm anbieten, damit unsere Mitglieder profitieren“, kündigt er an.
3. Aktivitäten: „Tradierte Aktivitäten werden geprüft, aktualisiert und durch neue Aktivitäten ergänzt“, sagt der Direktor. So könne etwa mit einer Modernisierung des Herrenessens gerechnet werden.
Controlling für die Finanzen ist geplant
4. Finanzen: Münchrath ist froh, dass nach den Querelen um die Finanzen 2018 nun Ruhe eingekehrt sei. Nach wie vor sei man dabei, die Ungereimtheiten aufzuarbeiten. „Es wird ein Controlling eingeführt, um den Überblick zu behalten.“ Eine Botschaft an die Mitglieder, dass Fehler der Vergangenheit sich nicht wiederholen sollen. Ein verantwortlicher Umgang mit dem Geld werde demonstriert durch Transparenz.
Der Direktor glaubt einen Trend zu erkennen: „Die Leute wollen sich weniger an Vereine binden als früher. Ich bin der Überzeugung, dass sich das gerade ändert. Corona führt uns an neue Grenzen. Das zwischenmenschliche, soziale Gefüge gewinnt an Bedeutung.“ Instagram & Co. könnten persönliche Kontakte nicht ersetzen.
Bürgerverein will sich stärker in die Emmericher Vereinslandschaft integrieren
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„Deshalb brauchen wir die Vereinslandschaft mit den vielen Ehrenamtlichen, um das Sozialgefüge zusammen zu halten“, sagt Münchrath. Der Bürgerverein sollte sich entsprechend wieder mehr in die Emmericher Vereinslandschaft integrieren. Hier sei das Groß-Emmericher Carnevals-Komitee (Geck) genannt. Auch die Schützengemeinschaft.
In vielen Gesprächen hat Münchrath spüren dürfen: „Es gibt Leute, denen es am Herzen liegt, dass der Verein weiter besteht.“ Ein kontinuierlicher Dialog mit den rund 200 Mitgliedern ist dem Direktor wichtig.
Übrigens: Mit den sieben Mitgliedern, die mal angekündigt hatten, sie würden den Verein verlassen, wenn Münchrath Direktor wird, wird dieser das Gespräch noch wie angekündigt suchen. Noch sei keiner davon ausgetreten: „Ich möchte Türen öffnen, nicht schließen“, sagt Münchrath.
>> Aus der Historie des Bürgervereins
Der Bürgerverein wurde 1823 gegründet – in einer Zeit in der der Geist der Französischen Revolution noch in der Luft lag: „Das war der Nährboden für das gewachsene Selbstbewusstsein der freien Bürger. Man strebte nach Lebensqualität. Das ist faszinierend“, blickt Münchrath in die Historie.
Der Bürgerverein hat schon manche große Krisen überstanden. Im Ersten Weltkrieg 1914 zählte der Verein nur noch fünf Mitglieder. Aber 1919, nach dem Krieg, waren es wieder 90 Mitglieder. Die Spanische Grippe von 1918 bis 1920 kostete zig Millionen Menschen weltweit das Leben, sodass der Bürgerverein auf 45 Mitglieder schrumpfte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg suchten viele schnell den Weg zum Bürgerverein: 1947 zählte man 100 Mitglieder.