Emmerich/Kleve. Der Emmericher (27), der im Juni den schweren Unfall auf der Rheinbrücke Emmerich-Kleve verursachte, ist verurteilt. So lange muss er in Haft.
Eine Aussage des Angeklagten kam, nachdem er zunächst die Aussage verweigert hatte, dann doch im Laufe eines langen Prozesstages: „Ich bin noch nie über eine gesperrte Baustelle gefahren.“ Er sei nach 24 Stunden auf den Beinen übermüdet gewesen und langsam auf die Baustelle zugefahren. „Ich habe keine Gefahr gesehen“, so der Angeklagte. „Hätte ich gewusst was passiert ist, wäre ich sofort ausgestiegen und hätte Erste Hilfe geleistet“.
Seit dem 27. Juni sitzt ein 27-jähriger Mercedes-Fahrer aus Emmerich in Untersuchungshaft. Am Tag zuvor, am Sonntagmorgen, 26. Juni, war er auf die zu diesem Zeitpunkt wegen Bauarbeiten voll gesperrte Rheinbrücke in Richtung Emmerich gefahren und hatte einen schweren Unfall verursacht, bei dem einem Bauarbeiter der Fuß abgerissen wurde. Am 14. November wurde der Fall vor dem Amtsgericht in Kleve verhandelt. Der Tatvorwurf: schwere Körperverletzung, schwere Straßenverkehrsgefährdung und Unfallflucht.
Geschädigter kam mit Prothese und Krücken
Der Geschädigte war als Nebenkläger ebenfalls vor Gericht erschienen – mit Prothese und Krücken. Es musste auch der Unterschenkel amputiert werden. Er befindet sich immer noch in stationärer Behandlung. An den Unfall hat er fast keine Erinnerung. Nur einen heftigen Schmerz, Rettungswagen und dann Dunkelheit. Der 27-jährige Unfallverursacher fuhr nach dem Unfall weiter, da er nach eigenen Aussagen, den Unfall nicht gesehen hätte. Auch der als Zeuge geladene Beifahrer sagte aus, nicht mitbekommen zu haben, dass ein Mensch schwer verletzt worden war. Der Angeklagte wurde von der Polizei im Haus seiner Eltern in Emmerich gestellt.
Als Zeugen waren unter anderem die Kollegen der Baustelle geladen. Alle gaben eine in den überwiegenden Teilen übereinstimmende Beschreibung des Unfallhergangs: Der Mercedes sei mit einer Geschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h auf die Baustelle zugefahren. Dabei sei er mit einem quer auf der Fahrbahn liegenden Stahlträger, der zur weiteren Positionierung dorthin transportiert worden war, kollidiert. Dieser geriet durch den Aufprall in Bewegung und trennte den Fuß des Bauarbeiters ab.
Drogentest fiel positiv aus
Die Arbeiter setzten sofort einen Notruf ab und kümmerten sich um den Verletzten. Der Fahrer des Gabelstaplers lief dem Mercedes noch hinterher und rief er solle anhalten. Alle waren sich über eine Tatsache einig: Es gab einen lauten Knall und daraufhin das Schreien des Verletzen. Der Mercedes Fahrer habe kurz gebremst, sei dann aber weitergefahren.
Nach eigenen Angaben hatte sich der Angeklagte auf dem Weg zurück von Kleve nach Emmerich befunden, nachdem er mit Freunden und Bekannten im Ruhrgebiet zuvor gefeiert hätte. Auf dem Hinweg sei man über Rees gefahren, auf dem Rückweg über die Emmericher Rheinbrücke. Ein bei der Polizei durchgeführter Drogen- und Alkoholtest fiel positiv aus.
Die Staatsanwaltschaft verlangte eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten, zudem ein Fahrverbot von vier Jahren für vorsätzliche schwere Körperverletzung, überhöhte Geschwindigkeit unter Alkohol- und Drogenkonsum sowie Unfallflucht – sowie besondere Rücksichtslosigkeit. Sie sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte alle Gefahren billigend in Kauf genommen hätte. Er habe keine Baustelle gesehen, sei „Blödsinn“. „Sie wollten einfach schnell nach Hause kommen! Sie hatten Angst vor den Folgen, weil sie unter Alkohol- und Drogeneinfluss standen.“
Verteidigung: kein Vorsatz
Die Verteidigung sah zwar die Verursachung des Unfalls – auch durch das Teil-Geständnis des Angeklagten – als erwiesen an, jedoch nicht die Vorsätzlichkeit. Der Angeklagte habe wiederholt eingeräumt, der Fahrer gewesen zu sein – einen Vorsatz habe es aber nicht gegeben. Auch seien Richtlinienfehler von Firmen und Behörden zur Sicherung der Baustelle nicht berücksichtigt worden. Die Verkettung von Ereignissen sei unmöglich für den Angeklagten vorherzusehen gewesen. Die Verteidigung beantragte eine Strafe auf Bewährung.
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Der Richter verlas eine Liste von vorherigen Straftaten des Angeklagten, vornehmlich im Bereich überhöhte Geschwindigkeit und Körperverletzung. Das Urteil lautet: drei Jahre und neun Monate Haft (Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Artikels war von drei Jahren und drei Monaten Haft die Rede. Wir haben die Stelle korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen), zudem ein Fahrverbot von vier Jahren. Der Richter begründete: „Hypothesen spielen keine Rolle. Sie haben bewusst fahrlässig gehandelt. Sie wussten, dass Menschen hätten verletzt werden können.“