Düsseldorf. 60 Stunden stünden Pendler in Düsseldorf jährlich im Stau. Laut Statistik deutsche Spitze. Was Experten sagen und was die Politik jetzt fordert.
Es ist ein unrühmlicher Titel, mit dem sich die NRW-Landeshauptstadt seit einigen Tagen herumschlagen muss. Laut einer Erhebung des Verkehrsanalyseunternehmen Inrix ist Düsseldorf die deutsche Stauhauptstadt Nummer eins. 60 Stunden sind es im Jahr, die Pendler hier im Stau ständen, so eine Studie des Unternehmens. Auch der Navigationsgerätehersteller TomTom sieht die Verkehrssituation in Düsseldorf laut einer eigenen Auswertung kritisch. Die Aufregung nach der Veröffentlichung der Zahlen war groß.
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Gerade die Inrix-Statistik dürfe man allerdings nicht einfach so stehen lassen, betont Iko Tönjes. Tönjes ist Sprecher des Düsseldorfer und des NRW-Ablegers des Verkehrsclub Deutschland (VCD), welcher sich für eine sozial- und umweltverträgliche Verkehrswende einsetzt. „Hier wird so getan, als wäre es eine allgemeine Staustatistik“, beanstandet er. Dabei würde zu Stoßzeiten gemessen und auf den Hauptverkehrsadern. „Und der Vergleichswert sind dann dieselben Strecken in der Nacht.“ Es handele sich also um Extremwerte. Würde man das Ganze nicht auf das Jahr hochrechnen, sondern auf die Fahrt, wären es rund sieben Minuten. Immer noch ein Unterschied, aber um einiges weniger öffentlichkeitswirksam.
60 Stunden im Düsseldorfer Stau: Das besagt die Statistik wirklich
Trotz aller Kritik an der Studie, betont Tönjes aber, dass diese durchaus einen Trend anzeigen könnte. So stellen die 60 Stunden einen Anstieg von 22 Prozent zur letzten Inrix-Messung dar. Eine Zahl, die durchaus besorgniserregend sein kann. Dennoch sei es wichtig, nicht nur die Extremfälle auf bestimmten Strecken im Blick zu behalten, sondern die Situation im gesamten Stadtgebiet.
Einen Einblick hierauf verspricht der „TomTom Traffic Index“. Dieser wertet anonymisierte GPS-Daten und Fahrzeiten aus und kann so etwa zeigen, wo in Düsseldorf Stau-Hotspots find und zu welchen Zeiten der Verkehr besonders langsam fließt. So braucht man, laut der Auswertung, für eine zehn Kilometer lange Fahrt durch die Düsseldorfer Innenstadt im Durchschnitt 23 Minuten und 43 Sekunden. Zu den Stoßzeiten morgens und abends seien es zwischen zwei und drei Minuten mehr. Durch längere Fahrzeiten im Berufsverkehr verlören, laut es TomTom-Indexes, Autofahrer in Düsseldorf im Durchschnitt sogar 66 Stunden im Jahr im Vergleich zur freien Strecke.
Stau in Düsseldorf: So lange braucht man für 10 Kilometer in der Innenstadt
Es seien vor allem drei Gründe, die für diesen Zuwachs verantwortlich wären, so Iko Tönjes. Das wäre zum einen die zunehmende Abschaffung des Home-Office, welches „die Verkehrssituation für einige Zeit wirklich entspannt hat“. Wären die Pendler dann einmal auf dem Weg, würde ihre Strecke von vielen Baustellen sowohl auf der Autobahn als auch in der Stadt behindert. „Und einige dieser Baustellen ziehen sich in die Länge“, so der VCD-Sprecher. Ein Beispiel wäre etwa der Ausbau der Fernwärmenetzes in Benrath und Holthausen. Hier wird seit Januar 2023 gebaut. Ein dritter Punkt wäre die schlechte Performance der Bahn, so Tönjes. Ständige Ausfälle und zu wenig Linien machten den ÖPNV zunehmend unattraktiv für Pendlerinnen und Pendler.
Es gebe in diesem Zuge aber auch Möglichkeiten, um Abhilfe zu schaffen, so Tönjes. So gäbe es vonseiten des VCD schon lange die Forderung an die Bahn, mehr Lokführer einzustellen, um so in Spitzenzeiten Abhilfe schaffen zu können. Ebenso können Bau- und Instandhaltungsarbeiten kundenfreundlicher geplant werden. Allgemein gäbe es viele Stellschrauben im Bereich des ÖPNV, um diesen attraktiver zu machen.
Lösungen für das Stauproblem: Das rät der Experte vom Düsseldorfer VCD
„Ein Weg wären mehr Schnellbusse, die aus der Region nach Düsseldorf kommen“, erklärt er. Diese müssten gar nicht mal bis in die Innenstadt geleitet werden, sondern könnten zu einem Knotenpunkt wie etwa dem Flughafen oder zur Haltestelle Am Seestern in Lörick fahren. „Von da aus ist man im Zehn-Minuten-Takt in der Innenstadt“, so Tönjes. Ein Beispiel hierfür hätte die VRR-Linie X49 sein können. Der Bus fährt von Kempen nach Meerbusch. Bis zum Seestern mit seinen vielen Bürogebäuden und ansässigen Unternehmen wäre es nicht viel weiter gewesen. „Hier wurde ganz konkret eine Chance vertan“, so der VCD-Sprecher.
Daneben zwänge auch die immer noch andauernde Sperrung der Linie S6 zwischen Essen und Düsseldorf viele Pendler auf die Straße. „Hier scheitert es an der Bürokratie“, so Iko Tönjes. Es müsste endlich ein Plangenehmigungsverfahren für den Wiederaufbau auf den Weg gebracht werden. Aber auch kleinere Aspekte wie bessere Unterstellungsmöglichkeiten an ÖPNV-Strecken wären eine Möglichkeit, den Verkehr von der Straße zu holen. Die Politik müsste nur wollen.
Düsseldorfer Politik: Kritik an schwarz-grüner Verkehrspolitik wächst
Dabei zeigt sich spätestens seit Veröffentlichung der Inrix-Statistik, dass das Thema Verkehr auch die Düsseldorfer Parteien umtreibt. So veröffentlichte die Düsseldorfer FDP eine Stellungnahme, in der sie Oberbürgermeister Stephan Keller hart kritisierten und die schwarz-grüne Verkehrspolitik für „gescheitert“ erklärten. „Die versprochene Verkehrswende in Düsseldorf ist gescheitert“, erklärte etwa der Fraktionsvorsitzende der FDP-Ratsfraktion Mirko Rohloff. „Die schwarz-grüne Verkehrspolitik in Stadt und Land schadet unserer Wirtschaft und unseren Klimazielen und kostet die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer viel Geld und Lebenszeit.“
Im Zuge der Kritik forderte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Ratsfraktion Felix Mölders durch die Errichtung von Park and Ride Parkhäusern und vergrößerte Kapazitäten der Rheinbahn Abhilfe zu schaffen. Daneben brauche es auch eine „intelligente Verkehrssteuerung“ – etwa durch den Einsatz von KI-Systemen.
SPD-Kandidat Fabian Zachel: Verkehrssituation „schlimmer denn je“
SPD-Oberbürgermeisterkandidat Fabian Zachel sowie der als frisch gewählte verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion Tobias Kühbacher trafen wiederum am Dienstag (14. Januar) Medienvertreter, um auf die Verkehrspolitische Aufmerksam zu machen. Auch Zachel kritisierte den amtierenden Oberbürgermeister: „Dr. Keller ist mit dem Wahlversprechen angetreten Düsseldorf vom Stau zu befreien. Fünf Jahre später ist es schlimmer denn je.“
Zwar sei ein staufreies Düsseldorf insofern utopisch, als dass man die Stadt dafür autofrei gestalten müsste, so der OB-Kandidat. Dennoch hätte es bereits viele Pläne gegeben, die die Situation hätten verbessern können. „Dass OB Keller hier in der Vergangenheit auch als Verkehrsdezernent am Hebel saß und so viel auf der Strecke geblieben ist, ist nicht in Ordnung.“
Und so stellten Zachel und Kühbacher den Fünf-Punkte-Plan der SPD auch mit den Worten vor, dass es sich nicht um komplett neue Ideen handelte, sondern man endlich das umsetzen wolle, was jahrelang liegengeblieben sei. So soll ein verbessertes Leitsystem sowie eine Möglichkeit zur digitalen Buchung von Plätzen auf Park and Ride-Parkplätzen diese attraktiver machen. Außerdem sollen bestehende Plätze nicht mehr als durch Wohnmobile und Lkws blockiert werden. Zusätzlich sollen neue innerstädtische und regionale Buslinien eingerichtet werden, um unter anderem spezifisch den Düsseldorfer Norden zu entlasten.
Fehlgeleitete Sparpolitik beim Verkehr: Was die Opposition anders machen will
Zusätzlich soll die „fehlgeleitete Sparpolitik“ im Schienenverkehr aufgegeben werden und der regionale Zugverkehr gestärkt werden. Hier bemängeln die beiden SPD-Männer, dass bereits seit Jahren bestehende Pläne durch ständige Prüfverfahren unnötig verzögert wurden. Ganz allgemein, fehle es, so Fabian Zachel, an einem im Großen gedachten Plan für eine Düsseldorfer Verkehrswende. Beispielsweise würden durch die maroden Brücken in Düsseldorf die Gefahr bestehen, dass sich der komplette Schwerlastverkehr, der über den Rhein müsste, auf die Flughafenbrücke konzentrieren könnte, was die Situation auf dem Kennedy-Damm zunehmend verschärfen könnte. „Es fehlen klare Prioritäten“, so Zachel.
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Als letzten großen Punkt stellt die Düsseldorfer SPD den Flughafen in den Vordergrund. Dieser sei der ideale Pendlerbahnhof, gerade durch die verschiedenen RXX-Strecken, die hier hielten. Jedoch sei der Bahnhof hier vom Düsseldorfer Norden aus, gar nicht so leicht zu erreichen. „Gerade für Auspendler, die woanders arbeiten könnte das eine Chance sein“, so Tobias Kühlbacher. „Aber damit das genutzt werden kann, muss man schon direkt an einer Haltestelle wohnen.“ Durch einen Ausbau könnte das Zusammenspiel aus Bahn, Auto und Fahrrad aus dem Flughafenbahnhof, ein Vorbild moderner Mobilität machen.
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