Düsseldorf. Der Düsseldorfer Achilleas Tsantekidis will der erste Rewe-Marktchef werden, der Rollstuhl fährt. Wie der 21-Jährige sein Ziel erreichen will.
Wer in die Düsseldorfer Rewe-Filialen von David Hegemann kommt – etwa an der Gumbertstraße in Eller-Mitte – wird von einem lebensgroßen Pappaufsteller des Inhabers begrüßt. Doch er ist nicht alleine zu sehen: An seiner Seite hat er seinen Mitarbeiter Achilleas Tsantekidis. Der 21-jährige ist der erste Rewe-Azubi in Düsseldorf und Umgebung, der Rollstuhl fährt. Der Pappaufsteller soll zeigen: in den Rewe-Märkten des Düsseldorfer Inhabers wird Inklusion groß geschrieben.
Für das Thema setzt sich Hegemann seit langem ein, hat dafür im Oktober sogar den bundesweiten „Inklusionspreis für die Wirtschaft“ verliehen bekommen. Von dem Einsatz und der Mentalität seines jungen Mitarbeiters ist Hegemann begeistert.
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„Ich möchte der erste Marktchef werden, der Rollstuhl fährt“
Tsantekidis ist zwar noch im ersten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel, doch sein Ziel hat er sich schon gesetzt: „Ich möchte der erste Marktchef werden, der Rollstuhl fährt“, sagt er. Das habe er sich schon vorgenommen, als er den Ausbildungsvertrag im Sommer unterschrieben hat. Ein Ziel, das auch Hegemann enthusiastisch unterstützt. Doch der Reihe nach: Für den jungen Düsseldorfer begann dieser Karriereweg mit einem Besuch Hegemanns in seinem Berufskolleg. Das Angebot, ein Praktikum zu machen, nahm der damalige Schüler an, und meldete sich ein paar Tage später in Hegemanns Rewe-Filiale in Meerbusch – der dortige Markt ist baulich barriereärmer.
Wie sich der junge Mann im Praktikum bewies, begeisterte Hegemann. „Du machst das so fantastisch, die Kunden lieben dich und die Kollegen lieben dich auch!“ sagt er zu seinem Azubi, den er immer vertraut beim Vornamen nennt. Auch Tsantekidis wusste schon am vierten Tag des einwöchigen Praktikums: Hier soll es für ihn weitergehen. „Die Zusammenarbeit mit den ganzen Kollegen war toll, und die Atmosphäre auch – da habe ich gesagt: ‚hier fühle ich mich wohl.‘“ Zum 1. August begann er dann seine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel.
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Der Alltag im Rewe ist für den Düsseldorfer im Wesentlichen wie für seine Kollegen ohne Behinderung, erklärt er. Die meisten Arbeiten im Markt kann er selbstständig übernehmen. Lediglich die Arbeit hinter Servicetheken – etwa der Fleischtheke – ist dem Düsseldorfer nicht möglich. Und: beim Einräumen der Regale ist das oberste Brett nicht zu erreichen. Die übernehmen dann Kollegen, aber immer wieder bieten auch Kunden ihre Hilfe an. „Manchmal nehme ich das an“, erklärt der Azubi. „Der Kontakt mit den Kunden macht mir am meisten Spaß“, erzählt er. Stammkunden, die dort immer ihre Einkäufe machen, kenne man irgendwann – es entwickelten sich sogar Freundschaften.
Ein Arbeitsweg mit Barrieren
Die größten Barrieren liegen für den 21-Jährigen aktuell außerhalb der Supermarkttüren: „Ich brauche anderthalb Stunden zur Arbeit und anderthalb Stunden zurück“, erklärt Tsantekidis, der in Düsseldorf-Wersten wohnt. Mit Mobilitätseinschränkungen per Bus und Bahn durch das Stadtgebiet bis zum Markt nach Meerbusch zu kommen, ist aktuell aufwändig. Doch Hoffnung auf eine baldige Besserung gibt es: „Mit dem Auto würde es zur Arbeit nur 15 Minuten dauern“ betont Tsantekidis. Ein Antrag auf einen Fahrdienst ist schon gestellt, allerdings noch nicht genehmigt. Auch zur Berufsschule wäre der Dienst nützlich – denn der Düsseldorfer hat seinen Unterricht in Neuss. Nur in der Nachbarstadt fand sich eine ausreichend barrierefreie Option mit Aufzug.
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Sein Chef David Hegemann, seit 2018 Rewe-Betreiber, engagiert sich seit langem für Inklusion am Arbeitsplatz. Alles fing mit einer Zusammenarbeit mit der Werkstatt für Angepasste Arbeit in Düsseldorf an. Der „Gamechanger“ war dann die Unterstützung von Roderich Dörner, der für Rewe West als „HR Partner Inklusion“ arbeitet, und Marktbetreiber zu diesem Thema berät. Durch ihn bekam Hegemann das nötige Fachwissen, um Inklusion in seinen fünf Filialen umzusetzen. 170 Mitarbeiterin hat Hegemann bisher. Zehn Menschen mit Behinderungen habe er im vergangenen Jahr eingestellt, erklärt er. Darunter sind etwa auch ein Mitarbeiter, der nicht hören und sprechen kann und jemand, der eine Autismus-Spektrum-Störung hat. „Man muss da manchmal individuelle Lösungen finden“, erklärt Hegemann. An dieser Aufgabe wachsen auch die Mitarbeiter-Teams, meint er.
Da seine Märkte Bestandsmärkte waren, sind die meisten davon baulich noch nicht barrierefrei, das will Hegemann durch Umbauten in naher Zukunft beheben. Um solche zu finanzieren, gibt es Fördermittel, unter anderem vom Landschaftsverband Rheinland. Auch der Lohn von Mitarbeitern mit Behinderungen kann, je nach Einschränkung bei Arbeitstätigkeiten, gefördert werden. Tsantekidis‘ Lohn wird zu etwa 80 Prozent aus Fördermitteln bezuschusst, erklärt Hegemann.
Inklusion am Arbeitsplatz hat viele Vorteile
Hegemann widmet sich dem Thema Inklusion aus Überzeugung, erklärt er. Inklusion habe daneben aber auch Vorteile als Unternehmer, berichtet der Supermarktbetreiber. So hebe die Erfahrung, in einem inklusiven Markt zu arbeiten, auch die Motivation der Mitarbeiter: „Mein Team ist stolz, dass wir ein inklusiver Supermarkt sind!“ Dadurch gebe es eine geringere Personal-Fluktuation. Und: „Jemand der jahrelang keine Chance hatte, ist ein noch loyalerer Mitarbeiter.“
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Am Freitag (29. November) zeichnete die Agentur für Arbeit Düsseldorf Hegemann mit einem „Zertifikat für erfolgreiche Inklusion am Arbeitsplatz“ aus. Birgitta Kubsch-von Harten, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur, erklärte: „Inklusion ist ein Gewinn für Beschäftigte, Unternehmen, Kundinnen und Kunden.“ Hierfür sei Hegemanns Unternehmen in diesem Jahr das beste Beispiel.
Arbeitsagentur informiert zu Inklusionsmaßnahmen
Vorbehalte die in Unternehmen gegebenenfalls gegen Inklusion bestehen, beruhen typischerweise auf Informationsdefiziten, betont Michael Flak, Bereichsleiter der Arbeitsagentur für Berufs- und Studienberatung. „Der erste Schritt ist, sich der Thematik zu öffnen“, rät er. Die Arbeitsagentur veranstaltet dazu aktuell und bis zum 3. Dezember, dem internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, die „Woche der Menschen mit Behinderungen“.
Als Teil des Programms gibt es Veranstaltungen zum Thema der Inklusion am Arbeitsplatz und über Strukturen, an die sich Arbeitgeber wenden können. Die Veranstaltungen finden sich direkt auf der Homepage der Agentur für Arbeit Düsseldorf.