Düsseldorf. Düsseldorf gilt als Stadt der Reichen, doch die wachsende Armut wird immer deutlicher. Wer besonders betroffen ist und was getan werden kann.
Zur Mittagszeit wird es voll in der Altstadt Armenküche am Düsseldorfer Burgplatz. Bis nach draußen, fast zum nahen Weihnachtsmarkt, stehen die Menschen und warten geduldig darauf, etwas Warmes zu Essen zu kriegen. Weit über 200 sind es täglich. Die fragenden Blicke der Passanten zeigen schon, dass viele so eine Menschenmenge nicht im Zentrum der Altstadt erwartet haben. Denn die Landeshauptstadt gilt gemeinhin als sehr wohlhabende Stadt – nirgends in NRW leben mehr Millionäre. Unter der schicken Oberfläche rumort es jedoch: die Armutsquote ist überdurchschnittlich hoch und die Situation verschärft sich zusehends.
20 Prozent der Düsseldorfer sind so, laut Zahlen des städtischen Sozialamtes, von Armut gefährdet, bundesweit liegt die Armutsquote 2023 bei 16,6 und in NRW bei 18,3 Prozent. Ganz direkt bedeutet das, laut statistischem Landesamt, dass beispielsweise ein Ein-Personen-Haushalt mit weniger als 1 233 Euro netto pro Monat leben muss. In einer Stadt mit so hohen Lebenshaltungskosten wie Düsseldorf ein Tropfen auf dem heißen Stein.
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„Landeshauptstadt der Altersarmut“: Düsseldorf ist traurige NRW-Spitze
Das sieht auch das Düsseldorfer Bündnis für eine gerechte Gesellschaft so. Dessen Mitglieder luden am Dienstag (26. November) zu einem Gespräch in den Räumen der Armenküche, um über die zunehmende Armut in der Landeshauptstadt zu berichten.
Deutlich würde die Dramatik der Situation etwa bei der Altersarmut in der Stadt. Hier verteidigte Düsseldorf seinen „traurigen Titel als Landeshauptstadt der Altersarmut“, berichtete Winfried Gather von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). So sei etwa der Anteil der Seniorinnen und Senioren, die in Düsseldorf Grundsicherung beziehen zwischen 2014 und 2022 von 7,8 auf 9,3% gestiegen. Nirgends in NRW lag die Quote höher. Bedacht werden müsste hier allerdings auch die Dunkelziffer, denn noch lange nicht jeder, der die Grundsicherung in Anspruch nehmen könnte, täte dies auch, so Gather.
„Generell gibt es dafür drei Gründe“, so der KAB-Diözesansekretär. So fehle den Betroffenen einerseits einfach die Kenntnis darüber, dass sie für die Grundsicherung qualifiziert seien oder auch das Wissen, wie man diese beantrage. Zweitens sei Scham ein gewaltiger Faktor, der Menschen davon abhalten würde, sich finanzielle Unterstützung zu holen. Und drittens wolle man die eigenen Kinder nicht mit der Situation belasten. Gather verwies in diesem Zuge auf eine Erhebung des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), welche ergab, dass rund die Hälfte der Berechtigten ihre Ansprüche nicht gelten mache. „Diese ‚verschämte‘ Armut kann also nochmal einen so großen Anteil ausmachen, wie bereits bekannt ist“, so Gather.
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Düsseldorf: Armut findet immer mehr Weg in die Öffentlichkeit
Aber die Armut findet auch immer stärker in der Öffentlichkeit statt. So sei Wohnungslosen-Situation ebenfalls ein Gradmesser dafür, wie sich die Situation in Düsseldorf verschärfe, erklärt Holger Kirchhöfer, Sozialarbeiter an der Altstadt Armenküche. „Die Schere zwischen dem reichen und dem armen Düsseldorf ist massiv und die Armut ist an manchen Orten sehr viel deutlicher als n anderen.“ So bezogen in Düsseldorf laut dem städtischen Amt für Soziales Ende 2022 rund 9 Prozent der Haushalte Sozialleistungen. Im Stadtteil Himmelgeist waren es jedoch weniger als ein Prozent, während die Quote in der Stadtmitte rund 18 Prozent und in Flingern-Süd fast 22 Prozent betrug.
„Damit wird extreme Armut immer sichtbarer“, so Kirchhöfer und meint damit nicht nur die Schlangen vor der Armenküche. Auch die Drogenszene etwa am Hauptbahnhof oder am Worringer Platz seien um einiges ausgeprägter als noch vor fünf Jahren. Und auch wenn es für Obdach- und Wohnungslose ausreichend Notunterkünfte zur Übernachtung gebe, müssten diese oft saniert werden oder seien nicht barrierefrei. „Heute Nacht schlafen auch wieder einige hundert Menschen in Düsseldorf auf der Straße“, so der Sozialarbeiter.
Auch tagsüber fehle es, so Kirchhöfer, zunehmend an Orten, an denen sich die Betroffenen aufhalten können. Pater Wolfgang Sieffert, Sprecher des Düsseldorfer Bündnisses, fasst diese Entwicklung so zusammen: „Wir haben mehr Menschen auf der Straße und gleichzeitig fehlt es an Räumen. Es wird zunehmend enger.“ In den vergangenen Jahren seien zunehmend Sitzgelegenheiten in Düsseldorf weggefallen. Das träfe nicht nur Wohnungslose, sondern auch ältere Menschen in der Stadt.
Lösungen gibt es viele: Bei der Finanzierung vor allem Probleme
Was also tun? Das Bündnis hat eine Liste mit Problemen aufgestellt bei denen Handlungsbedarf bestehe. Mit dabei sei etwa der fehlende Wohnraum in der Landeshauptstadt. 40.000 Wohnungen fehlten, laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Bis diese existieren sollten aber auch die Unterbringungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten für Wohnungslose verbessert werden. Um zu verhindern, dass noch mehr Düsseldorferinnen und Düsseldorfer in die Armut abrutschten, müssten die Kapazitäten des Amts für Integration und des Jobcenters verbessert werden. Auch bei Verschuldung wegen steigender Energiepreise sollen, so die Idee der Bündnis-Mitglieder, Beratungs- und Schlichtungsstellen helfen und vermitteln.
Viele Forderungen und Vorschläge also, welche die Stadt einiges kosten würde. „Bereits jetzt ist in der Haushaltsplanung für 2025 ein Defizit eingeplant“, beschreibt es Uwe Foullong, ebenfalls Bündnismitglied. „Und von Seiten der Stadt sollen eher die Ausgaben beschnitten als die Einnahmen erhöht werden.“ Doch genau das sehen die Aktivisten anders. „Der private Reichtum ist so hoch wie noch nie“, so Foullong. Hier müsse man bundesweit mit Vermögens- und Erbschaftssteuer ansetzen – wer reich sei, solle sich angemessen beteiligen. Und Düsseldorf selbst könnte bis dahin die Gewerbesteuer erhöhen. „Wir sind ein sehr attraktiver Standort für viele gutverdienende Unternehmen“ und eine höhere Abgabe würde das auch nicht ändern, erklärt er.
Ob so eine Erhöhung allerdings durch den Düsseldorfer Rat kommen würde, bleibt fraglich. Man habe das Thema bereits mehrfach bei politischen Entscheidungsträgern in Düsseldorf angesprochen, eine Reaktion blieb bisher aus. Pater Wolfgang Sieffert betont: „In der aktuellen Haushaltsplanung wird eine Erhöhung der Gewerbesteuer nicht in Betracht gezogen.“ Dennoch so erklärt er, beschäftigt das Thema viele in der Politik. „Und ein So-Weitermachen wie bisher gerät zunehmend in Legitimationsschwierigkeiten.“
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