Düsseldorf. Kälteeinbruch in Düsseldorf: Warum einige Obdachlose lieber draußen schlafen als in den städtischen Notunterkünften. Einblicke von Betroffenen.
- Der Herbst neigt sich dem Ende zu und der Winter bringt für Wohnungslose in Düsseldorf viele Herausforderungen
- Die Stadt und die Obdachlosenhilfe unterhalten zusammen mehrere Notunterkünfte in der Landeshauptstadt
- Doch nicht alle Wohnungslose nutzen diese Angebote. Einige schlagen sich lieber alleine durch den Winter:
Der nahende Winter führt auch in Düsseldorf zu ersten Temperaturstürzen. Und mit dem nasskalten Wetter und mit der zunehmenden Kälte, sind es gerade die Wohnungslosen in der Landeshauptstadt, die besonders getroffen werden. Laut einer Erhebung der Arbeitsgemeinschaft der Träger der Wohnungslosenhilfe waren es rund 700 Menschen, die Anfang 2024 auf den Straßen in Düsseldorf leben – rund 60 Prozent mehr als bei einer Zählung zwei Jahre zuvor. Mario, ein ehemaliger Wohnungsloser, und Kamil, der aktuell auf der Straße lebt, haben mit der NRZ Düsseldorf über ihre Erfahrungen und ihre Lebenssituation gesprochen.
Schlafplatz Friedhof: Wohnungsloser aus Düsseldorf erzählt über die Zeit vor dem Winter
Kamil, der nicht mit Foto in der Zeitung erscheinen möchte, lebt bereits seit etwa zwölf Jahren auf der Straße. In den vergangenen sechs Jahren war sein bevorzugter Schlaf- und Rückzugsort ein Düsseldorfer Friedhof. „Von da aus brauche ich etwa zehn Minuten, um in die Stadt zu kommen“, berichtet er im Gespräch. In der Landeshauptstadt besucht er die sozialen Einrichtungen, die Wohnungslose unterstützen. Frühstück gibt es hier, Möglichkeiten zu Duschen und Kleiderspenden, die gerade auch jetzt im November immer wichtiger werden.
„Da geht es schlimmer zu als im Dschungel“
Er ist dankbar für die Hilfen, erklärt aber auch: „Ich bin jeden Tag lange unterwegs. Man kriegt nicht alles überall, mal sind die Duschen kaputt.“ Auch negative Erfahrungen, die er in der Vergangenheit mit Sachbearbeitenden hatte, sorgen dafür, dass er heute lieber unabhängiger unterwegs ist oder bei Obdachlosenhilfen vorstellig wird, denen er vertraut. „Aber wenn die Gesundheit mal nicht mehr so mitspielt wie jetzt, dann wird alles schwieriger“, sagt Kamil. Ein unglücklicher Sturz würde vieles erschweren. Die nasskalte Witterung verschlimmert die Situation ebenfalls.
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Notunterkünfte für Wohnungslose: „Da geht es schlimmer zu als im Dschungel“
Ob es sich da, gerade jetzt, wo sich der Winter ankündigt, lohnen würde, in eine der Unterkünfte zu gehen, die Stadt und Wohnungslosenhilfe bereitstellen? „Ich bin lieber für mich“, erklärt Kamil, „in den Unterkünften herrscht viel Stress. Es wird gestohlen und ich will Abstand haben zu den Junkies und Alkoholikern, die da auch oft hinkommen.“ Gerade letzteres ist dem trockenen Alkoholiker, der nach eigener Aussage auch am Asperger-Syndrom – einer Form von Autismus – leidet, wichtig. „Ich brauche meine Ordnung und Ruhe, damit mein Kopf richtig funktioniert und die habe ich da nicht. Da geht es schlimmer zu als im Dschungel.“
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Dann also lieber der Friedhof. „Für Temperaturen bis minus 15 Grad bin ich gerüstet“, erklärt Kamil. Ob er eine der Notschlafstätten aufsucht, wenn die Temperaturen tiefer sinken, weiß er nicht. „Vielleicht“, sagt er ausweichend, dann aber: „Eher nicht.“ Kamil hofft aber, nicht mehr allzu lange auf dem Friedhof schlafen zu müssen. Mit Unterstützung des Straßenmagazins Fiftyfifty könnte er bald die Möglichkeit für einen Minijob bekommen und über die Initiative „Housing First“ könnte er in den kommenden Monaten vielleicht sogar ein Dach über dem Kopf kriegen. In den Wintermonaten selbst wird das allerdings wohl nicht mehr der Fall sein.
Ehemaliger Wohnungsloser über Winter: Aufwärmen in Bibliotheken und am Flughafen Düsseldorf
Der 54-jährige Mario hatte wiederum Anfang 2022 das Glück, mithilfe von „Housing First“ in eine Wohnung in Düsseldorf zu ziehen. Wie Kamil schlief auch er in den 30 Jahren, in denen er mit Unterbrechungen wohnungslos war, häufig auf den Friedhöfen der Landeshauptstadt. „Die Stadt hat aber dann irgendwann die Zugänge erschwert“, erinnert er sich. So musste er sich in den Wintermonaten oft Orte suchen, an denen er sich aufwärmen konnte.
„Tagsüber konnte ich oft in Bibliotheken, wenn es zu kalt war“, erzählt er. „Abends konnte ich mich auch gut in den Flughafen setzen. Man wurde zwar ab und zu von der Polizei kontrolliert. Aber rausgeschmissen wurde man wenn dann von der Security da.“ Er erinnert sich auch daran, dass er sich einmal in einem Kaufhaus einschließen ließ – und erwischt wurde. Diese Alternativen zieht er aber, wie auch Kamil, den Unterkünften und Notschlafstätten im Winter vor.
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Aggression und Diebstähle: Angst in den Notunterkünften
„Da herrscht so eine Aggression und am schlimmsten sind die Diebstähle“, erklärt Mario. Zwar könne man die Wertsachen oft wegschließen lassen, aber so wirkliches Vertrauen darin sieht man dem 54-Jährigen dabei nicht an. „So ein Schloss ist schneller aufgebrochen, als man denkt“, sagt er. Er erinnert sich an einen Vorfall, bei dem er in einer der Noteinrichtungen schlafen musste. „Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht und habe gesehen, wie jemand nach und nach die Schlafplätze durchsucht hat. Ich habe ihn dann gefragt, was er denn sucht, und den Sozialarbeiter dazugeholt. Der Typ wurde dann direkt rausgeworfen.“
Er ist froh, dass der Vorfall damals geklärt werden konnte, ohne dass es viele andere in der Unterkunft mitgekriegt hätten. Da wäre es „richtig zur Sache gegangen“, mutmaßt er. Denn er weiß auch: „Die Angst ist ständig mit dabei.“ Sei es die Furcht davor, beklaut zu werden, oder die vor Übergriffen, die es seiner Erfahrung nach immer wieder gäbe. Lange wird es Mario allerdings nicht mehr in Düsseldorf halten, ein Umzug ist bereits geplant. „Ich will raus aus der Stadt“, sagt er. „Dahin, wo es ruhiger ist und weg von der Straße.“