Düsseldorf. In Düsseldorf haben Obdachlose auf einer Kundgebung von schlechten Erfahrungen bei der Wohnungssuche berichtet. Experte: Das Problem sitzt tief.

Ungewöhnliches Bild am Hauptbahnhof: Am Dienstag, 30. Januar, fand auf dem Düsseldorfer Konrad-Adenauer-Platz eine Kundgebung zum „Aktionstag Wohnungsloser Menschen für das Recht auf Wohnen“ statt. Organisiert wurde die Kundgebung von Fiftyfifty und Arnd Liesendahl, einem ehemals selbst von Obdachlosigkeit Betroffenen, der sich nun als Aktivist für andere Wohnungslose stark macht.

Anlass war die Publikation einer Studie der Hochschule Düsseldorf (HSD) unter Federführung der Professoren Christoph Gille und Anne van Rießen. In der Untersuchung wurden wohnungslose Menschen nach ihren Diskriminierungserfahrungen bei der Wohnungssuche gefragt. Initiatoren der Studie waren Arnd Liesendahl und Michael Müller – beide ehemals Betroffene.

Müller und Liesendahl haben sich in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe kennengelernt. Letzterer hatte fünf Jahre mit Wohnungslosigkeit zu kämpfen, bevor er im August 2022 eine Wohnung beziehen konnte. Auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf hatte er schwere Diskriminierungen erfahren – ein Grund, dass er und Müller die HSD kontaktierten und so den Stein ins Rollen brachten. Ziel sei gewesen, Diskriminierungserfahrungen „systematisch zu erkunden und sichtbar zu machen“. Den ersten Fragebogen hat Liesendahl selbst entwickelt, die Verantwortlichen der HSD hätten sich der Initiative angenommen und daraus unter Beteiligung der beiden eine Studie geschnürt, die auf der Internetseite Diskriminierungneindanke.de zum kostenfreien Download bereitsteht. Liesendahls Appell an die Gesellschaft ist dabei klar: „Wir sind alle Menschen. Sprecht endlich mit uns, nicht nur über uns.“

Was sind die Haupthindernisse bei der Wohnungssuche?

Professor Gillen machte deutlich, was das Hindernis schlechthin bei der Wohnungssuche ist: „Das Hauptproblem ist die Wohnungslosigkeit selbst, oder vielmehr das Stigma Wohnungslosigkeit.“ Vermieter hätten ein festgefügtes Bild von wohnungslosen Menschen und befürchteten, sich bei einer Vermietung nur Probleme ins Haus zu holen. Vor allem aus diesen negativen Bildern resultiere die Ablehnung von Wohnungssuchenden als Mieter. Für diese aber ergebe sich so eine Negativspirale: „Jede negative Erfahrung geht gegen die eigene Identität. Das müssen Betroffene erstmal wegstecken. Viele ziehen sich dadurch nur noch tiefer zurück.“ Die negativen Erfahrungen zeigten sich indes nicht nur bei privaten Vermietern: „Auch große Wohnungsgesellschaften haben Vorbehalte.“ Das zeige sich selbst in Städten, die mit hohem Leerstand zu kämpfen hätten. Der typische Gang sei dabei wie folgt: „Die Betroffenen kommen meist bis zu einem bestimmten Punkt im Bewerbungsverfahren, spätestens beim Thema Schufa aber geht die Tür zu.“

Wer diskriminiert Wohnungslose?

Die Studienergebnisse umfassen auch die sogenannten Diskriminierungsquellen, also von wem die Diskriminierungen ausgehen. Traurige Spitzenreiter dabei sind Privatpersonen, die nur eine oder wenige Wohnungen anbieten. Hier erlebten fast 70 Prozent der Wohnungslosen Diskriminierungen.

Und doch berichten Betroffene auch bei 43,5 Prozent der privatrechtlichen Wohnungsgesellschaften von diffamierenden Erfahrungen. Besonders erschreckend dürfte sein, dass selbst bei Wohnungsbaugenossenschaften und städtischen Wohnungsunternehmen mehr als ein Viertel der Befragten von Diskriminierungen berichten.

Von 282 Befragten gaben 73 Prozent an, auf der Wohnungssuche schon einmal Diskriminierung erfahren zu haben. Häufigster Grund nach der Wohnungslosigkeit selbst war der Bezug von Bürgergeld. Eine Erfahrung, die auch der Düsseldorfer Wohnungslose Helmut machen musste. Helmut lebt in keiner eigenen Wohnung, sondern ist in der Außenwohngruppe der Franzfreunde in Düsseldorf-Angermund untergekommen. „Wenn ich auf Wohnungssuche bin und der Vermieter erfährt, dass ich Geld vom Amt komme, dann ist das Gespräch schon zu Ende. So nach dem Motto: Du kriegst Geld vom Amt? Mit dir stimmt was nicht.“

Helmut hätte eigentlich gute Aussichten. Er kann sich gut ausdrücken, ist ein zugewandter, angenehmer Gesprächspartner. Auch Arbeiten kann er: „Ich bin Pflegehelfer und das ist auch das, was ich machen will.“ Seit letztem Sommer ist er bei der Initiative Housing First auf der Warteliste, hofft, dass er endlich eine eigene Wohnung bekommt. Seine Erfahrungen in der Wohngruppe sind eher zwiespältig. Er fühle sich häufig bevormundet. Doch es gebe auch gute Erfahrungen: „Die Volksbank hat mir kürzlich mein Konto gekündigt, einfach so. Bei der Stadtsparkasse haben sie da nur mit dem Kopf geschüttelt.“ Und Helmut ein Konto eröffnet.

Ohne Job keine Wohnung, ohne Wohnung kein Job: ein Teufelskreis

Auch Rafael, ein weiterer Düsseldorfer ohne festen Wohnsitz, ist nicht ganz glücklich mit dem Düsseldorfer Betreuungsangebot. Er wurde in den Einrichtungen schon oft beklaut, so sei ihm sein Handy im Wert von 600 Euro weggenommen worden. „Das ist Standard in den Unterkünften.“ So oft wie geklaut werde, würden die Gegenstände aber auch als Hehlerware wieder angeboten. Rafael wollte damit nichts mehr zu tun haben, deswegen verzichtet er auf die Sammelunterkünfte.

Auch er möchte arbeiten, aber um einen Job zu bekommen, verlangten Arbeitgeber ebenfalls einen festen Wohnsitz, auch wenn die Rechtslage den gar nicht vorschreibt: „Wenn ich im Vorstellungsgespräch bin und die Leute erfahren, dass ich obdachlos bin, heißt es: Wir können nichts für dich machen, du brauchst erst einen festen Wohnsitz.“ Bei der Wohnungssuche dann verlaufe die Argumentation umgekehrt: „Du brauchst einen festen Job, sonst kriegst du keine Wohnung.“ Es sei ein „Teufelskreis.“

Bei Rafael kommt noch hinzu, dass er krank ist: „Ich habe Zucker, Arthrose in den Knien und Probleme mit dem Herzen.“ Er zeigt ein Dokument seines Hausarztes vor, in dem ihm bestätigt wird, dass „aus medizinischer Sicht eine ständige Unterbringung in beheizbaren Räumlichkeiten erforderlich ist“. Das werde er nun dem Wohnungsamt, der SWD und dem Jobcenter vorlegen. Im Moment lebt Rafael bei Freunden, aber auch dieses Arrangement hat ein Ablaufdatum: „Die haben den Termin zur Zwangsräumung schon. Dann muss ich da raus.“

Betroffene: „Wer den Mund aufmacht, wird bestraft“

Viele der Betroffenen sagen aus, dass sie gerade deswegen, „weil sie den Mund aufmachen“ auch in den Unterkünften keinen guten Stand hätten. Einige hätten die Erfahrung gemacht, dass sie geradezu „rausgeekelt“ würden. Helmut reflektiert dabei vor allem, dass einige Helfende augenscheinlich an Schema F festhalten würden. Also erst die vielbeschworene „Wohnfähigkeit“ feststellen, dann medizinische Probleme klären und dann erst die Annahme eines Jobs: „Es würde doch auch funktionieren, wenn jemand erstmal eine Arbeit annehmen könnte. Psychologische oder medizinische Probleme kann man ja auch in Angriff nehmen, während man bereits arbeitet.“ Im Übrigen eine Ansicht, die auch bei der Düsseldorfer Agentur für Arbeit geteilt wird, dort spricht man von Lösungen „on the job“.