Düsseldorf. An einem Kolleg in Düsseldorf können Erwachsene das Abitur nachholen. Nach über 65 Jahren droht der Institution nun die Schließung. Die Gründe.

  • Das Wilhelm-Heinrich-Riehl-Kolleg in Düsseldorf bietet Erwachsenen die Möglichkeit, höhere Schulabschlüsse zu erwerben
  • Nun steht die Institution vor dem Aus
  • Die Handwerkskammer sieht sich nicht als zuständig an und wll als Träger ausscheiden

Seit 1958 ist es Menschen aus der Region möglich, am Wilhelm-Heinrich-Riehl-Kolleg in Düsseldorf-Lierenfeld die Fachhochschulreife und das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg zu erlangen. Das Besondere: Die private Ersatzschule ist kein Abendgymnasium, die Unterrichtszeiten sind so wie auf regulären Gymnasien. Jetzt aber könnte bald Schluss sein mit dem Kolleg.

Jahrzehntelang teilten sich die Handwerkskammer Düsseldorf (HWK) und die Stadt die Kosten für das Riehl-Kolleg. Organisiert wird das Ganze über eine Stiftung, die vom Trägerverein betrieben wird. Aus genau diesem Verein will sich die HWK nun zurückziehen

Wilhelm-Heinrich-Riehl-Kolleg in Düsseldorf: HWK will nicht mehr zahlen

Axel Fuhrmann, Geschäftsführer der HWK Düsseldorf, nennt die Gründe: „Erstens die Kosten“. Die HWK zahle jährlich 41.000 Euro. Hinzu kämen „Personalkosten für die Geschäftsführung sowie anteilig die Kosten, die die Träger in den letzten Jahren an die Bezirksregierung Düsseldorf bezahlen mussten. Dies waren für die Jahre 2021 bis 2023 über 350.000 Euro. Diese Kosten sind entstanden, weil die Schülerzahlen stark rückläufig waren. Daraus resultierte ein ‚Lehrerüberhang‘ sowie ein Überhang an vorhandener beschulter Fläche. Dies wird Ersatzschulen in Rechnung gestellt.“

Diese Kosten zu tragen, sehe die HWK nun nicht mehr ein. Man habe das Kolleg gegründet, um Handwerksgesellen die Hochschulreife zu ermöglichen. „In den letzten zehn, fünfzehn Jahren wurden es aber immer weniger Gesellen, die am Riehl ankamen. Diese Klientel macht heute zumeist am Berufskolleg das (Fach-)Abitur. Oder geht auf‘s Abendgymnasium.“ Und: „Der Rückgang am Riehl zeigt, dass diese spezielle Schulform immer weniger nachgefragt wird. Deshalb sind ja auch mehrere Kollegs in den letzten Jahren geschlossen worden. Das Riehl hat davon profitiert. Wären nicht Schüler von diesen Kollegs zum Riehl gewechselt, hätte die Schule heute noch weniger Schüler.“

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Den Rückgang der Schüler gibt auch Schulleiter Jörg Masuch zu: „Unsere Studierendenzahlen sind in den vergangenen Jahren in der Tat rückläufig, da wir – wie auch andere Schulen des zweiten Bildungswegs – in den letzten Jahren einen zunehmenden Drop-Out zu verzeichnen haben. Dieser ist aber auch in anderen schulischen Bildungsgängen und bei Berufsausbildungen zu beobachten, es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Unsere Studierendenzahlen sind aber tatsächlich von über 300 vor vier Jahren auf mittlerweile unter 240 Studierende gesunken.“

Das Riehl-Kolleg in Düsseldorf erreicht die, „die es ohnehin schwer haben“

Auch die Konkurrenz zu den Berufskollegs sei real, so Masuch. Allerdings vergesse man in der Debatte oft das Alleinstellungsmerkmal des Riehls: „An den Berufskollegs können Sie auch das Abitur machen, allerdings ist das dort autonom. Wir hier folgen den zentralen Vorgaben für Gymnasien und Gesamtschulen.“ Das Abitur am Riehl ist also das gleiche, das am Görres- oder Fliedner-Gymnasium zu absolvieren ist.

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Andererseits: „Es ist schon so, dass unsere Klientel sich geändert hat. Wir bieten vielen jungen Menschen die Chance auf einen höheren Bildungsabschluss, die diesen nicht im ersten Bildungsweg erreichen konnten. Hierzu gehören Menschen mit gebrochenen Bildungsbiografien, häufig in Folge von Erkrankungen, aber auch Menschen, die nach einer längeren Orientierungsphase doch noch einen höheren Bildungsabschluss anstreben. 25 Prozent unserer Studierender stammen zudem nicht aus Deutschland und sind zugewandert. Diesen Menschen geben wir die Chance auf einen höheren deutschen Bildungsabschluss.“

Schulleiter: „Wir sind für die Leute da, die es ohnehin schwer haben“

Und genau das sei auch Kernkompetenz: „Unterm Strich sind wir für die Leute da, die es ohnehin schwer haben.“ Das wiederum macht anfällig für „Drop-Outs“, für Menschen, die die drei Jahre bis zur Hochschulreife eben nicht aushalten. Die Quote bewegt sich „zwischen 20 und 30 Prozent“, berichtet der Schulleiter.

Dabei bieten die Gegebenheiten am Riehl-Kolleg gute Möglichkeiten, das Abitur zu schaffen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind gut ausgebildet und motiviert – was auch die HWK zugibt. Die Schüler-Lehrer-Relation liegt bei ungefähr 12. Außerdem gehört das Riehl zu den Weiterbildungskollegs mit dem größten Kurs-Angebot in NRW. Gute Bedingungen eigentlich. Und deswegen regt sich nun Widerstand gegen die Schließung.

Online-Petition richtet sich an die Bezirksregierung Düsseldorf

So gibt es eine von Riehl-Schülern aufgesetzte Online-Petition, die bereits über 1600 Menschen unterzeichnet haben. Das Ziel: Die Stadt Düsseldorf und die Handwerkskammer sollen sich mit der Causa nochmals auseinandersetzen. Unterzeichnen kann dabei jeder. Und auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Düsseldorf (GEW) schlägt Alarm. Sie beklagt etwa die mangelnde Kommunikation. So habe es die Stadt Düsseldorf „innerhalb eines halben Jahres nicht geschafft, sich um eine verantwortungsvolle Lösung zu kümmern.“ Die Schulgemeinschaft habe „erst aus der Presse erfahren, dass die HWK aussteigen wird.“

Einen tatsächlichen Schließungsbeschluss habe es nie gegeben, daher dränge sich der Eindruck auf, das Fakten geschaffen werden sollen, so die GEW. Tritt die HWK aus, würde wohl die Betriebsgenehmigung des Kollegs erlöschen. „Das möglicherweise dahinterstehende Kalkül: Eine Ersatzschule ohne Betriebsgenehmigung muss man gar nicht selber schließen, sie wird von anderer Seite geschlossen.“ Unterm Strich aber bleibe ein „skandalöser Umgang mit Schülern und Kollegen des Riehls“, so der Vorwurf der Lehrer-Gewerkschaft.

Stadt Düsseldorf wird Riehl-Kolleg nicht weiterführen

Und was plant die Stadt? Würde sie das Kolleg auch als alleiniger Träger weiterführen? Das sei nicht möglich, wie eine Sprecherin mitteilt: „Ein öffentlicher Schulträger darf keine Ersatzschule betreiben.“ Im Übrigen sei die Stadtverwaltung „in einem umfangreichen Abstimmungsprozess mit der Handwerkskammer und der Bezirksregierung“. Allerdings handele es sich um einen „laufenden Prozess“, weswegen Teilaspekte nicht vorab kommuniziert würden. „Die Verwaltung wird nach der November-Sitzung des Schulausschusses umfassend über die Situation informieren“, so die Sprecherin weiter.

Für die unmittelbar Betroffenen heißt es also, dass sie sich weiterhin in Geduld üben müssen. Der Stadt kostet das Riehl-Kolleg jährlich 434.753 Euro. Wie es weitergeht, ist noch unklar. Eines aber steht fest: Selbst wenn das Riehl-Kolleg geschlossen werden sollte, stünden die Räumlichkeiten am Hackenbruch weiterhin der Bildung offen. „Eine andere als eine schulische Nutzung des Gebäudes am Hackenbruch ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht geplant“, teilt die Stadt mit. Aber ob das das Riehl-Kolleg sein wird, ist bisher nicht zu erfahren.

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