Düsseldorf. Alle acht Stunden wird ein Kind in NRW misshandelt. Häufig abends und nachts. Mit einem neuen Angebot will Düsseldorf rund um die Uhr reagieren.
Alle acht Stunden wird ein Kind in NRW Opfer von Misshandlung. Jungen trifft es dabei übrigens häufiger. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer werden, liegt um etwa 30 Prozent höher als bei Mädchen. Das ergibt das Lagebild Jugendkriminalität des Landeskriminalamts NRW. 2022 wurden landesweit 4133 Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs bekannt. Innerhalb von zehn Jahren haben die Fälle um mehr als 50 Prozent zugelegt. In Düsseldorf war der Anstieg sogar noch höher. Innerhalb von zehn Jahren haben die Fälle hier um 63 Prozent zugenommen. 163 Kinder wurden sicher sexuell missbraucht. Über die Dunkelziffer kann nur spekuliert werden. Auch deswegen hat die Stadt reagiert und nun einen Dienst ins Leben gerufen, der sich rund um die Uhr für den Kinderschutz einsetzt.
Kinderschutzdienst in Düsseldorf ist rund um die Uhr erreichbar
Der Kinderschutzdienst (KSD) gehört zum Amt für Soziales und Jugend und rückt immer dann aus, wenn er unter der Rufnummer 0211/899 24 00 alarmiert wird. Und „immer“ heißt hier auch immer, wie Renate Schäfer-Sikora, stellvertretende Leiterin des Amtes für Soziales und Jugend, erläutert: „Der KSD ist rund um die Uhr erreichbar, um Hinweisen, die auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung hinweisen, nachzugehen.“ Für den KSD wurden eigens 19 Stellen geschaffen, wie Amtsleiter Stephan Glaremin betont: „Wir haben hier Vollbeschäftigung“, es seien also keine Stellen andernorts abgebaut worden. Der KSD sei damit ein echter Erfolg für den Kinderschutz und etwas qualitativ Neues.
Daniela Schmitt ist die Leiterin des Kinderschutzdienstes. Sie erläutert die konkrete Arbeit des KSD, dem es selbstverständlich nicht darum gehe, Familien auseinanderzureißen. Gehe ein telefonischer Hinweis ein, übernehme eine Fachkraft zunächst die telefonische Koordination. Falls notwendig, würden dann zwei Fachkräfte losgeschickt, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Schmitt erläutert, dass es zunächst darum gehe, den Handlungsbedarf zu identifizieren. Dabei könnten Sofortmaßnahmen eingeleitet, aber auch Beratungsangebote formuliert werden, die Inobhutnahme des Kindes sei aber immer das letzte Mittel. Meist komme es gar nicht so weit.
Inobhutnahmen sind nur dann gerechtfertigt, wenn es gar nicht anders geht
Das ist den Verantwortlichen wichtig. Auch Schäfer-Sikora betont, dass Inobhutnahmen des Jugendamtes als problematisch wahrgenommen würden: „Das ist immer traumatisch für das Kind. Jedes Kind will bei den Eltern bleiben.“ Der Kinderschutz versuche, das so weit wie möglich zu unterstützen. Zur Inobhutnahme, also der „vorübergehenden Unterbringung an einem sicheren Ort“, wie die Stadt es formuliert, komme es auch nur in zehn Prozent der Fälle. Das waren seit August 2022 aber immerhin rund 130 Kinder in Düsseldorf. Das entspricht zehn Prozent der eingegangenen Meldungen seither.
Zwischen August 2022 und März dieses Jahres seien 1320 Meldungen über mögliche Kindeswohlgefährdungen beim KSD eingegangen. Bei der Hälfte dieser Meldungen handelt es sich um Fehlalarm. Zehn bis 15 Prozent der Fälle offenbarten zwar keine Gefährdungen, aber immerhin Hilfebedarf. Auch darum kümmert sich das Amt. Weitere zehn bis 15 Prozent seien Gefährdungen gewesen, bei denen aber eine Inobhutnahme abgewendet werden konnte.
Düsseldorfer Kinderschützer arbeiten mit Polizei und Krankenhäusern zusammen
Die Zahlen hätten zugenommen, bestätigen die Fachpersonen vom Amt für Soziales und Jugend. Gleichwohl verstecke sich hinter diesem traurigen Fakt eine tendenziell gute Nachricht, wie Amtsleiter Glaremin einordnet: „Es wird heute auch einfach viel mehr hingeschaut. Lüchte war da so ein Wendepunkt.“ Die Menschen seien sensibler geworden. Das kann KSD-Leiterin Schmitt nur bestätigen. Auch gibt sie an, dass die Anrufe seit der Ausdehnung der Rufbereitschaft zugenommen hätten.
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In seiner jetzigen Form arbeitet der KSD seit 1. April 2024. Seit Ende 2023 gab es eine Rufbereitschaft täglich zwischen 8 und 20 Uhr. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) nannte den „24/7-Kinderschutzdienst einen unverzichtbaren Baustein für den Kinderschutz in der Landeshauptstadt.“ Die 19 neuen Stellen seien mit ausgewiesenen Fachkräften besetzt. Der Dienst wiederum berichtet von positiven Rückmeldungen. Man stehe, so Schäfer-Sikora, in stetem Austausch mit Polizei, Krankenhäusern, dem Ordnungsamt. Diese Netzwerkarbeit sei wichtig.
Schwierige Lebenssituationen können sich negativ auswirken
Tatsächlich seien es auch gerade Hinweise von den genannten Stellen oder aus der Schule, Kita, etc., die den Hauptanteil der Meldungen ausmachten. Dennoch seien, so Schäfer-Sikora weiter, alle aufgerufen mitzuhelfen: „Wenn es einem Kind nicht gut geht, wenn blaue Flecken zu sehen sind, muss man sensibel hinschauen – auch mal nachfragen.“
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Aus der Praxis wüssten die Mitarbeiter des KSD, dass „die allermeisten Eltern ihre Kinder lieben und sie gerne umsorgen und schützen.“ Doch es gebe manchmal Gründe, die dem entgegenstünden. Das könnten psychische Probleme, Suchterkrankungen, eigene Gewalterfahrungen oder auch massive finanzielle Probleme sein. „Es kann Situationen geben, die Eltern daran hindern, ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.“ Auch und gerade hier will das Amt für Jugend und Soziales helfen.
„Wenn Eltern ihre Kinder nicht gut versorgen oder sogar schlagen, geschieht dies in der Regel nicht in böser Absicht. Für uns ist das ein guter Ansatzpunkt, um mit den Eltern zu arbeiten.“ Gleichwohl sei dieses Verständnis für schwierige Lagen nicht mit einer Entschuldigung zu verwechseln, wie Schäfer Sikora klarstellt.
Kinderschutzdienst in Düsseldorf rund um die Uhr erreichbar: Wo?
Der KSD ist damit ein Mittel, dass die Situation von Kindern und ganzen Familien nachhaltig verbessern soll in der Landeshauptstadt. Alle Düsseldorfer dürfen sich angesprochen fühlen, von dem Dienst Gebrauch zu machen. Hinweise können auch anonym erfolgen. Erreichbar ist der KSD unter der 0211/899 24 00 sowie unter kinderschutzdienst@duesseldorf.de. Schäfer-Sikora appelliert an alle, ihrer Verantwortung gerecht zu werden: „Kinder sind unser höchstes Gut und unsere Zukunft.“ Sie zu schützen, sei notwendige Bedingung, um die Gesellschaft zu erhalten.
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