Hamburg. Serie Kultläden, Teil 17: Sie haben ein spezielles Angebot eine besondere Atmosphäre. Heute: Emmis Krämerladen.

Wer zum ersten Mal die Tür zu Emmis Krämerladen aufmacht, erschrickt wahrscheinlich wegen der Ladenglocke. Direkt über dem Kopf am Holzrahmen angebracht, dringt das metallene Scheppern ins Ohr – wie ein Weckruf zum Eintreten in eine vergangene Zeit. „Das ist der Bereich Landhandel“, sagt Wolfgang Schmidt. Er steht im engen Vorraum des roten Fachwerkhauses im Museumsdorf Volksdorf.

In einer Ecke gibt es Besen, an der Wand hängen geschmiedete Haken, Seile und Kälberstricke. Im Regal stehen Petroleumlampen, Melkfett, Mollen (Formen zum Brotbacken) und Mäusefallen. „Das sind die Lebendfallen“, sagt der 72-Jährige und hält eine Holz-Draht-Konstruktion für 9,95 Euro hoch. Davon verkaufte er sogar mal eine nach Neuseeland.

Unter der Decke hängen Topf und Milchkanne aus Emaille

Schmidt geht weiter in den nächsten Raum und steht im Herzen von Emmis Krämerladen. „Wir stellen die Zeit um 1900 dar, schauspielern auch ein wenig, wie es damals war“, sagt der Chef des 24 Quadratmeter großen Geschäfts. „Bei uns gibt es Sachen, die man nutzen kann und die zu uns passen.“ Unter der Decke hängen Topf und Milchkanne aus Emaille. Tasse, Schale und Eierbecher aus dem Material stehen im Regal. Es gibt Leinentücher bestickt mit Sprüchen oder Tiermotiven wie Ente oder Pferd. Die Kernseife, wie sie heute wieder modern wird, war in dem Geschäft nie „out“.

Als Milch-Honig-Variante kostet sie 2,90 Euro, auf Schafsmilchbasis 3,50 Euro. Schuh- und Gärtnerbürsten können ebenso erworben werden wie Pflanzensamen und Reinigungsmittel auf der Grundlage von Rote Bete. Für Kinder sind Spiele wie Memory und Domino, Lupengläser und Holztomaten erhältlich. „Wir führen 600 Produkte“, sagt Schmidt über die Gemischtwarenhandlung, „und haben das breiteste Sortiment in Volksdorf.“ Selbst Volksdorfer Geschäftsleute, die ein Produkt gerade nicht haben, würden ihre Kunden ab und zu in den Museumsladen schicken.

Das Geschäft wurde erst im Dezember 2012 eröffnet

Zwar ermöglicht das Geschäft eine Zeitreise in die Vergangenheit, die eigene Geschichte ist aber recht kurz. Erst im Dezember 2012 wurde es eröffnet. Der Name Emmis Krämerladen sei eine Kombination aus einem ehemaligen Geschäft aus der Nähe, das eine Frau namens Emmi betrieb, und dem bekannten Tante-Emma-Laden. „Wir haben bei Museumsbewertungen immer schlecht abgeschnitten, weil wir keinen Laden hatten“, sagt Museumsleiter Egbert Läufer.

Daher habe der Trägerverein „De Spieker“ gesagt, man baue einen. Aber keinen normalen Shop – auch wenn es Bücher über das Museum und selbst gemachte Ansichtskarten dort gibt – , sondern einen Krämerladen. Es gehe um das Abrunden des Gesamtangebots. Das Museumsdorf finanziert sich nicht öffentlich, sondern privat und und aus mehreren Quellen. Die rund 2500 Mitglieder zahlen Jahresbeiträge.

2018 besuchten 3000 Schüler die Siedlung

Im vergangenen Jahr besuchten zudem rund 3000 Schüler aus 127 Klassen die alte Siedlung. Besuch inklusive Anfahrt mit dem HVV kosten pro Kind weniger als fünf Euro, sagt Läufer: „Da sind wir wie ein Discounter. Wir wollen jedem Kind ermöglichen, hierherzukommen.“ Dafür wird den Mädchen und Jungen auch Museumspädagogik geboten. Wie wird Korn zu Mehl? Wie entsteht in der Schmiede mit Hilfe von Hammer und Amboss ein Hufnagel?

Der Streifzug über das Gelände ist in der Woche normalerweise kostenfrei. „Wir wollen das alte nicht vom neuen Dorf trennen“, sagt Läufer. Die Leute danken es und kommen häufig mit Sachspenden wie Geschirr, Decken, Schusterböcken, Truhen, Handwerkszeug und Fleischwölfen. An Veranstaltungstagen müssen zwei Erwachsene ohne Kinder zehn Euro Eintritt zahlen. Eine Familie zahlt 9,50 Euro, egal, wie viele Kinder sie hat. Für die Museumsarbeit seien die (nicht bezifferten) Gewinne aus dem Laden eine wichtige Einnahmequelle.

Zu dem Laden gehört auch die Kaffeestuv

Gut 30.000 Euro Umsatz pro Jahr erzielt Emmis Krämerladen, der an drei Nachmittagen in der Woche geöffnet hat. Dazu gehört auch die Kaffeestuuv. In ihr bedient regelmäßig die 92 Jahre alte Cornelia („Nele“) Krull die Kunden. Auf den 14 Quadratmetern neben dem Hauptverkaufsraum ist Platz für einen Tisch, eine Bank, ein paar Stühle und einen alten Herd aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. „Auf dem wird das Wasser für den Kaffee gekocht“, sagt Läufer.

Für zwei Euro können Kunden eine Tasse Koffein tanken, das Kännchen kostet vier Euro, ein Stück Obst- oder Schokokuchen zwei Euro. Die Kaffeestuuv trägt wie der Landhandel und sonstige Nichtessensprodukte jeweils ein Drittel zum Umsatz bei. Das letzte Drittel stammt aus dem Geschäft mit Lebensmitteln wie Knäckebrot, Wurst, Honig und Co. .

Springseile werden in der eigenen Reeperbahn gedreht

„Wenn die Kollegen Mirabellen ernten, kann ich drei bis vier Tage später Marmelade verkaufen“, sagt Schmidt. Einige fleißige Hände der rund 200 ehrenamtlichen Helfer standen dann in der Küche und haben die Früchte verarbeitet. Ein 330 Gramm Glas Mirabellenmarmelade kostet vier Euro. „Das sind beliebte Mitbringsel“, sagt Schmidt, der früher beim Berufsförderungswerk gearbeitet hat. Das gelte für alle im Museumsdorf gefertigten Produkte: Holundersirup, Rumtopf und Kekse sind ebenso made in Volksdorf wie das Lavendelsäckchen für 2,50 Euro.

Demnächst soll es Kartoffeln und Rote Bete aus eigenem Anbau geben. Springseile werden in der eigenen Reeperbahn gedreht. Futterhäuser, Nistkästen und Insektenhotels kommen aus der eigenen Werkstatt. Auch eine eigene Weberei gibt es.

Jedes Kind bekommt einen Kirschlolli geschenkt

Der Verkaufsschlager aber sind die Bonschen. Auf dem Tresen steht ein Drehständer mit Bonbongläsern – für Mädchen und Jungen der Hit. „Die Kinder sollen selber aussuchen und einkaufen“, sagt Schmidt. Dabei dürfen sie sich gerne Zeit lassen. Auch wenn das für Stau sorgt. Bei großen Veranstaltungen wie dem Erntefest oder dem Advents­event würden die Leute in einer langen Schlange rund um den Tisch in der Mitte des Raumes stehen.

Dann wird der Inhalt der kleinen Papiertüte mit roten Herzen abgewogen. Für die alte Waage stehen unterschiedliche Gewichte zur Verfügung, um die richtige Menge zu ermitteln. 100 Gramm kosten zwei Euro. Eigentlich ... Einen Kirschlolli bekomme jedes Kind geschenkt, sagt Schmidt und bringt mit einem Satz auf den Punkt, was Emmis Krämerladen von anderen Kultläden in der Serie unterscheidet: „Wir sind ja alle Ehrenamtler. Es ist nicht so, dass wir verkaufen müssen.“

Ladengröße: 24 Quadratmeter + 14 Quadratmeter für die Kaffeestuuv

Adresse: Im Alten Dorfe 48 in Volksdorf

Gegründet: 2012 im Stil um 1900

Mitarbeiter: 15 (alle ehrenamtlich)

Öffnungszeiten: Dienstags, donnerstags und sonnabends 14–17 Uhr

Günstigster Artikel: Kirschlolli, für Kinder kostenlos

Teuerster Artikel: Karlsbader Kaffeekanne für 71 Euro

Der Onlinehandel ist für mich … Onlinehandel? Was ist das?

In zehn Jahren … werden wir sicherlich öfter öffnen können