Hamburg. Serie Kultläden,Teil 14: Sie haben ein spezielles Angebot und eine besondere Atmosphäre. Heute: Hamburgs Kultimbiss.
André Berndt hat eine recht genaue Vorstellung davon, wie er sich den den Sommer wünscht: „20 Grad und bedeckter Himmel sind die ideale Kombination.“ Denn wenn die Sonne bei 30 Grad und mehr herabbrenne, sei das „einfach kein Wurstwetter.“ Für den Geschäftsführer des Kult-Imbisses Mö-Grill macht die Vorhersage einen wichtigen Unterschied, wenn er morgens um 4:30 Uhr ins Büro kommt. Er prüft dann die vom Vortag verbliebenen Bestände der drei Filialen – die Pavillons zu beiden Seiten der Mönckebergstraße sowie der etwas größere Grillstand am U-Bahnhof Jungfernstieg – und schickt noch vor 5 Uhr die Bestellung an den Hamburger Wursthersteller Salzbrenner ab.
Jahrzehntelang hat das André Berndts Vater Hans-Werner getan. Auch heute übernimmt er noch manchmal diese Aufgabe. Der Fleischermeister startet den Arbeitstag meist schon um 4 Uhr: „Der Lieferant möchte die Bestellung möglichst früh haben, schließlich bekommen wir unsere Ware dann ja auch lose und sparen dadurch Verpackungsmaterial.“ Demnächst will der 75-Jährige, der das Geschäft 1982 gegründet hat, nun aber wirklich „von Bord gehen“, wie er es nennt.
Der Tag beginnt um 5 Uhr
Für die Angestellten beginnt die Arbeit schon lange bevor gegen 9:30 Uhr die ersten Würstchen auf den Grill gelegt werden. Drei Mitarbeiter beginnen ab 05:00 Uhr mit der Vorbereitung für das Tagesgeschäft. „Bis dahin muss die Kühlung gereinigt sein, außerdem rühren wir die Currysauce nach unserem eigenen Rezept selbst an“, sagt André Berndt. Von der Mittagszeit bis gegen 15 Uhr herrscht dann Hochbetrieb: „Da muss jeder Handgriff sitzen. Sollte in diesen Stunden mal die Getränkeanlage ausfallen, könnte man heulend davonlaufen.“ Je bis zu vier Personen arbeiten in den beiden Flachdach-Häuschen an der Mönckebergstraße, am Jungfernstieg sind es fünf. Insgesamt hat das Unternehmen 25 Beschäftigte, in den Sommermonaten helfen Studenten aus.
„An einem normalen Tag bedienen wir an jedem der drei Standorte rund 1500 Kunden“, so Berndt. Nicht jeder Bewerber könne mit diesem Tempo umgehen: „Einige merken schon nach zehn Minuten, dass das nichts für sie ist, aber manch einer bleibt 30 Jahre bei uns.“ Viele der Mitarbeiter haben türkische und indische Wurzeln. „Wir sind mittlerweile in der Lage, unsere Kunden in mindestens fünf verschiedenen Sprachen zu bedienen“, sagt Berndt – „und das stellt wiederum auch einen gewissen kulturellen Service dar.“ Gerade an der Mönckebergstraße kämen die Kunden aus allen sozialen Schichten: „Das reicht vom Bettler bis zu Promis wie Wolfgang Joop.“ Filmstar Kirk Douglas ließ einst anfragen, ob es auch Sitzplätze gebe. „Leider haben wir nur Stehtische und so kam dieser prominente Besuch nicht zustande.“
Mehr Trinkgeld am Jungfernstieg
Eines habe sich seit 1982 nicht verändert, sagt der Seniorchef Hans-Werner Berndt: „Gegen Monatsende wird mit sehr viel Kleingeld bezahlt.“ Mit Stammkunden flachst das Personal, der Ton ist mitunter sehr locker. Am Jungfernstieg sei das jedoch etwas anders, so Berndt: „Da ist der Anteil der Banker und Rechtsanwälte unter den Kunden deutlich höher.“ Die Mitarbeiter würden aber sehr gern dort eingeteilt: „Die Kunden haben einfach mehr Zeit und das Trinkgeld fällt üppiger aus.“
Rund vier Millionen Euro Umsatz erzielt der Mö-Grill nach Angaben der Geschäftsführer, es waren aber schon einmal etwas mehr. Die Berndts führen diese Tendenz vor allem auf die sinkende Zahl der Innenstadt-Besucher aufgrund des stark gewachsenen Onlinehandels zurück. „Wenn ein Geschäft in der City schließt, zieht außerdem häufig Gastronomie auf der frei gewordenen Fläche ein“, beobachtet der Seniorchef – und das bedeutet mehr Konkurrenz für Imbisse. Dabei handelt es sich nicht nur um eine subjektive Wahrnehmung der Mö-Grill-Betreiber. „Es gibt Untersuchungen, die eine abnehmende Passantenfrequenz in der Mönckebergstraße belegen“, sagt Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der Hamburg Commercial Bank, „und wenn Bekleidungsgeschäfte schließen, werden sie nicht selten durch ‘Food Courts’ ersetzt, weil immer mehr auswärts gegessen wird.“
Auch Bio-Bisonwurst im Angebot
Hinzu kommt der Wandel der Ernährungsgewohnheiten mit einem steigenden Anteil von Vegetariern und Veganern. „Wir verschließen davor nicht die Augen. Der Kunde bestimmt, was wir verkaufen können“, sagt Andre Berndt: „Wir haben vereinzelte Anfragen nach vegetarischen Produkten. Und wenn die Nachfrage zu einer wirtschaftlichen Bedeutung werden sollte, dann kann ich mir vorstellen, eine Filiale an der Mönckebergstraße ausschließlich mit einem vegetarischen Angebot zu versehen.“ Längst sind allerdings separate Wurstschneidemaschinen für muslimische Gäste, deren Speisen nicht mit Schweinefleisch in Berührung kommen dürfen, in den Filialen üblich.
Das Angebot des Mö-Grills umfasst Ware aus Lamm- und Wildschweinfleisch sowie Bio-Bisonwurst, ausprobiert hat man noch viel mehr. „Aber von 100 Ideen setzt sich vielleicht eine durch“, so Berndt, „die Hamburger sind eben sehr konservativ.“ Der Klassiker ist somit immer noch die Currywurst. Veränderungen könnten sich in den nächsten Jahren allerdings bei den Standorten ergeben, wobei man die Entwicklung der verschiedenen Einkaufs- und Flaniermeilen im Blick habe, wie Berndt erklärt: „Die HafenCity wird immer interessanter und das neue Shopping-Zentrum am Alten Wall hat gute Chancen, künftig ein Renner zu sein.“
Der Laden in Kürze
Ladengröße: zweimal zwölf Quadratmeter, einmal 20 Quadratmeter
Adresse: zu beiden Seiten des U-Bahn-Hofs Mönckebergstraße und am Jungfernstieg 7–8
Öffnungszeiten: An der Mönckebergstraße: montags bis sonnabends, 10 bis 20 Uhr, am Jungfernstieg: montags bis sonnabends, 8 bis 19 Uhr
Zahl der Mitarbeiter: 25
Billigster Artikel: Bratwurst für 2,60 Euro
Teuerster Artikel: Jumbo-Curry für 5,90 Euro
Der Onlinehandel ist auch für mich… eine große Herausforderung, weil die Besucherzahl in der Innenstadt zurückgeht.
In zehn Jahren soll mein Laden… immer noch vor Ort sein. Wir bleiben beim Grillen, die Frage ist nur, was wir dann grillen.