Hamburg. Zwölfter Teil: Sie haben ein spezielles Angebot. Wir stellen die Inhaber und ihre Konzepte vor. Heute: Der Modellbahn-Shop Bäurich.
Dieses Schaufenster ist ein echter Hingucker: Jeden Tag bleiben Passanten, die das Geschäft von Rainer Bäurich am Heußweg in Eimsbüttel noch nicht kennen, fasziniert stehen und betrachten die verwirrende Fülle der Plastik-Flugzeugmodelle, die an Fäden hinter der Scheibe hängen.
Drinnen im Laden gibt es dann jedoch vor allem für passionierte Miniatureisenbahn-Kenner etwas zu sehen. Wer nicht zu dieser besonderen Gruppe gehört, staunt vielleicht über die kleinsten der dort angebotenen Objekte – drei bis vier Millimeter hohe Dackel, Pudel und Terrier für die Modellbahnanlage – und sicherlich über das auffälligste Exponat: Das Modell einer Douglas DC-3 mit einer Spannweite von mehr als drei Metern, das gleich im Eingangsbereich unter der Decke zu schweben scheint. „Dieser Flieger ist aber nicht zu verkaufen, der bleibt hier“, sagt Bäurich.
Zum 2. Januar 1978 hat sein Vater, der heute 82 Jahre alt ist und noch gelegentlich im Laden mithilft, das Geschäft übernommen. Es bestand bereits einige Jahre – und Bäurichs Vater war Stammkunde des Modelleisenbahnspezialisten gewesen. Seit 1995 steht auch der Junior hinter dem Tresen. Zuvor hatte er als Telekommunikationselektroniker bei der Telekom gearbeitet. Eigentlich wollte er mit einem ehemaligen Kollegen einen Fotoladen eröffnen, ließ sich dann aber doch vom Vater einstellen – und fand Gefallen an dem Metier.
Seit dem Jahr 2000 gehört ihm das Geschäft
Seit dem Jahr 2000 gehört ihm das Geschäft allein. „Meine Bedingung für den Einstieg war, dass ich den Luftfahrtbereich mit hinzunehmen kann“ sagt Bäurich. Diese Sparte macht heute rund 30 Prozent des Umsatzes aus. Ein bisschen vermittelt der Modellbahnshop dem Besucher das Gefühl, als sei die Zeit stehen geblieben – wie einer der sprichwörtlichen Tante-Emma-Läden, die heute aus den Städten praktisch verschwunden sind. Gelegentlich versuchten Vertreter der Modelleisenbahnhersteller, ihn zu einer Modernisierung des Verkaufsraums zu motivieren, so Bäurich.
Er ist aber sicher, dass viele der Stammkunden den Laden dann als „kalt“ empfinden würden. Sie schätzten gerade die „sehr private Atmosphäre“, wichtig sei ihnen, hinter dem Tresen einen kompetenten Gesprächspartner zu finden. Als solcher habe er sich aber erst beweisen müssen, sagt Bäurich: „Man merkt immer wieder mal, dass man getestet wird.“
Die Spanne der Modelleisenbahnanlagen, von denen Bäurich im Laufe der Jahre gehört hat, reicht von kompakten Tisch-Landschaften für 3000 bis 4000 Euro bis hin zu Gleisnetzen, die auf zwei Ebenen einen kompletten Dachboden ausfüllen. Mit manchen der Kunden haben sich echte Freundschaften entwickelt. „Schon mehr als einmal hat man mir gesagt: Wenn du mal aufhörst, ist für mich auch mit dem Hobby Schluss“, so Bäurich.
„Anfangs lief es grandios“
Ohnehin ist die Zahl der echten Enthusiasten nicht größer geworden: „Anfangs lief es grandios, da war das Modelleisenbahn-Hobby auch noch sehr beliebt.“ Doch dann habe die „virtuelle Welt“ vor allem die Jugendlichen in ihren Bann gezogen: „Das verdrängt das Kreative.“ Nach Angaben des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie (DVSI) beschäftigen sich in der Bundesrepublik eine halbe Million Menschen in ihrer Freizeit mit dem Hobby Modelleisenbahn. Sie stehe auch „keinesfalls auf dem Abstellgleis“, findet DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil: „Die Beliebtheit der Modelleisenbahn als kreatives und zukunftsweisendes Spielzeug hat bei Schülerinnen und Schülern, Jugendlichen und Erwachsenen bis hin zu den rüstigen Rentnern erfreulicherweise zugenommen.“
Und dennoch gab es in den 1990er-Jahren nach Schätzung von Bäurich mehr als 20 Fachgeschäfte dafür in Hamburg, heute sind es deutlich weniger als zehn. Zu dem Druck auf die Modellbahnhändler haben auch Onlineshops beigetragen: „Es gibt eine immer größere Zahl von Schnäppchenjägern, die im Internet nach besonders günstigen Angeboten suchen“, beobachtet Bäurich.
Er hält sich aus diesem Preiswettbewerb heraus und hat zwar eine „digitale Visitenkarte“ auf Facebook, verkauft aber nicht über das Netz: „Ich müsste extra jemanden einstellen, um einen Onlineshop betreiben zu können – und dann wäre es fraglich, ob sich das noch lohnt.“ Zudem komme es „eingefleischten Modellbahnern“ nicht darauf an, durch einen Kauf im Internet vielleicht 10 oder 20 Euro zu sparen, nachdem so mancher dabei enttäuschende Erfahrungen gemacht habe: „Ich sehe eher eine Tendenz zurück zum Fachhandel.“
Harte Online-Konkurrenz
Ohnehin kann Bäurich der harten Online-Konkurrenz durch die besondere Ausrichtung seines Geschäfts recht gut ausweichen: Im Eisenbahnbereich macht Gebrauchtware einen großen Teil seiner Verkäufe aus. Bei den Flugzeug-Bausätzen wendet sich der Eimsbütteler Laden mit etlichen Produkten von Kleinserien-Herstellern und Raritäten nicht zuletzt an Kenner. Und selbst bei den kleinen Metall-Fertigmodellen von Passagierjets gebe es für Sammler gute Gründe, sie nicht im Internet zu bestellen, so Bäurich: „Echte Fans wollen die Stücke vorher sehen, um sicherzugehen, dass das Dekor sorgfältig aufgebracht und die Lackierung fehlerfrei ist.“
Der Laden in Kürze
Andere Modellbauläden in Hamburg hingegen mussten aufgeben, darunter das Traditionsgeschäft Rettkowsky auf St. Pauli, das Mitte 2017 schloss. Bäurich hat den Vitrinentresen daraus erworben und damit den eigenen Verkaufsraum etwas umgestaltet: „Seitdem haben die Kunden mehr Platz, das ist sehr gut angenommen worden.“ Nach einer „Dürrezeit“ vor allem zwischen 2012 und 2014 sei 2018 das beste seit vielen Jahren gewesen. Allerdings hat Bäurich neben seinem Laden auch noch eine zweite Einkommensquelle: Er ist als Mediengestalter tätig und entwirft unter anderem Flyer, aber auch komplette Magazine etwa für einen Lamborghini-Club.
Zehn bis 15 Jahre würde er das Modellbahngeschäft aber schon gern noch weiterführen, sagt Bäurich. Und vielleicht findet sich dann wieder ein Stammkunde, der es übernimmt: „Einer der jüngeren von ihnen hat schon Interesse angemeldet.“
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