Hamburg. Sechster Teil: Kultläden haben eine ganz besondere Atmosphäre. Wir stellen die Inhaber und ihre Konzepte vor. Heute Comics Total.

Anzumerken ist ihm nichts. Erst einmal. Er trägt weder ein Donald-Duck-Shirt, noch trinkt er seinen Kaffee aus einem Becher mit der Comic-Ente darauf. Selbst gequakt hat er noch nie, das schwört er. Auf den ersten Blick könnte man Horst Schwede (62) daher einfach nur für einen ganz normalen Ladeninhaber halten. Doch Schwede ist weit mehr als das. Mehr als nur der Chef, mehr als ein x-beliebiger Comic-Liebhaber. Er ist ein Donaldist – ein Mitglied von D.O.N.A.L.D.

Damit ist nicht der Comic-Enterich gemeint, sondern die „Deutsche Organisation nicht kommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus“ – eine donaldistische Vereinigung von Fans der Comicfamilie Duck, die sich mit der Erforschung des Entenhausener Universums beschäftigt. Gegründet wurde die Vereinigung, die mittlerweile mehr als 1000 Mitglieder hat, im Jahr 1977 – in Hamburg. Schwede war eines der Gründungsmitglieder. Damals arbeitete er noch als Rechtspfleger, doch tief drinnen wusste er schon immer, dass Comics für ihn mehr sind als nur ein Hobby, mehr als ein Zeitvertreib. Für ihn sind sie ein Stück Lebensqualität.

Der Laden ist sein Lebens­inhalt

Als Kind hat er mithilfe der bunten Heftchen das Lesen gelernt und jede Woche auf den Tag hingefiebert, wenn es im Kiosk um die Ecke in Eilbek ein neues Heft gab – für damals 75 Pfennig. Kinderkram, mag man denken. Doch je älter Schwede wurde, umso mehr interessierte er sich für Comics, umso intensiver betreibt er sein Hobby. In fremden Städten interessierte er sich nie für Sehenswürdigkeiten – sondern nur für Comic­läden. Heute hat er selber einen. Comics total an der Grindelallee.

Für andere mag es nur ein Laden sein, für Schwede ist es sein Lebens­inhalt. „Ich wusste einfach, dass ich in meinem alten Job nicht weitermachen kann, nur unglücklich war“, sagt Schwede. Vor mehr als 30 Jahren war das. Da es damals bereits einen Comicladen an der Langen Reihe gab, überredete Schwede die beiden Eigentümer, mit ihm ein zweites Geschäft zu eröffnen. Und damit nicht genug: Zu dem Comictrio gesellten sich auch die Betreiber von Pappnase & Co, die zu der Zeit noch an der Bornstraße saßen. Zu siebt mietete man die Fläche an der Grindelallee 92 an, die man sich bis heute teilt.

Lebensgroße Tim-Figur aus Kunstharz

Die Aufteilung des Ladens hat in den vergangenen Jahren immer wieder gewechselt, das Sortiment auch. „Am Anfang gab es bei mir nichts als Comics“, sagt Schwede und meint: alle Comics, die auf dem Markt waren, die lieferbar waren. Tausende. Damals wie heute – die Auswahl ist riesig und reicht weit über die „Micky Maus“-, „Donald Duck“- sowie die „Fix und Foxi“-Heftchen hinaus, die allen bekannt sind. Es gibt bei ihm allerdings auch zahllose Comics über Western, Krimis, Science-Fiction, Fantasie und Mangas.

Horst Schwede hat sie alle – und noch viel mehr. Bettwäsche, Sammel­figuren, Kaffeebecher, Frühstücksbrettchen, Poster, Einkaufsbeutel und T-Shirts mit den Lieblingsfiguren darauf. Heute ist fast alles möglich, dem Merchandising sei Dank. „Die Leute wollen Comics nicht mehr nur lesen – sondern in die Welt eintauchen“, weiß Schwede. Er kann das verstehen. Er hat sich zu Hause sein eigenes kleines Entenhausen eingerichtet. Sagt er.

Ende der 1990er-Jahre habe die Sache mit den Merchandising-Artikeln angefangen – und nehme seitdem ständig zu. Schwede findet das gut und zeigt auf die Wand hinter seinem Verkaufstresen. Das Regal steht voll mit Tim-und-Struppi-Artikeln. Schreibwaren, Sammel­figuren, Decken. Sogar eine lebensgroße Tim-Figur aus Kunstharz hatte er früher im Laden stehen. Sie wurde inzwischen verkauft – für 5000 Euro.

Tim und Struppi sind Kundenmagnete

Tim und Struppi sind gefragt und regelrechte Kundenmagnete. Anderes hingegen läuft nicht. Weiß Donald Duck, warum! Schwede zuckt die Achseln – schließlich kann er nicht in die Köpfe seiner Kunden hineinschauen. Schwer zu wissen, was am Ende läuft – und was nicht. Auch nach all den Jahren. Oder gerade nach all den Jahren. „Die Zeiten haben sich verändert“, sagt Schwede. Am Anfang lief es super, doch seit ein paar Jahren wird es immer schwieriger. „Das Internet ...“, sagt er.

Zwei Wörter, ein Synonym für die Probleme der Branche. Des Einzelhandels. Selbst er merkt das. Merkt, dass die Kunden lieber im Internet kaufen wollen, weil sie glauben, dass die Sachen dort billiger seien. „Dabei gibt es doch die Buchpreisbindung“, sagt Schwede und schüttelt den Kopf. Es ist nicht leicht gerade! Früher hatte er die Hälfte der Fläche – heute ist es nur noch ein Drittel. Und das bei einem wesentlich größeren Sortiment als früher. Denn seit der gegenüberliegende Laden „Zweitausendeins“ vor fünf Jahren dichtmachte, hat Schwede das Sortiment übernommen und kooperiert mit dem Buch- und CD-Verlag Zweitausendeins. „Dadurch haben wir viele neue Kunden gewonnen“, sagt Schwede.

Die Laufkundschaft ist weniger geworden

Die braucht er, denn die Laufkundschaft sei weniger geworden. „Das Univiertel hat sich verändert, die Studenten haben sich verändert“, meint Schwede. Es gibt Monate, da reicht es hinten und vorne nicht. Monate, in denen er von seinen Ersparnissen lebt. Er winkt ab. Hauptsache, es geht weiter. Ein Leben ohne den Laden, er schüttelt den Kopf, das kann er sich nicht vorstellen.

„Das ist mein Herzblut“, sagt Schwede, fügt dann aber noch schnell hinzu: „So wie meine Frau.“ Barbara Müller-Schwede (58) nennt das heimatliche Entenhausen übrigens respektvoll nur „Arbeitszimmer“. In Donald-Bettwäsche, das stellt sie jedoch klar, schlafen sie zu Hause nicht. Und auch wenn sie den Donaldismus ihres Mannes nicht teilt – ganz ohne die Familie Duck kann sie dann auch nicht. So trägt sie daheim Hausschuhe mit Daisy darauf.