Verbraucher in Kauflaune, Rekorde in bei Schlüsselindustrien – Deutschland scheint bisher immun gegen die Euro-Krise zu sein.

Frankfurt/Main. Europas Spitzenpolitiker hetzen von Krisengipfel zu Krisengipfel, die Börsen sind hypernervös – doch die deutsche Wirtschaft wächst scheinbar losgelöst von allen Turbulenzen. Um rund drei Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr Prognosen zufolge zulegen. Wichtige Schlüsselindustrien glänzen mit Rekordgeschäften, die Verbraucher sind in Konsumlaune und die Arbeitslosigkeit sinkt. Im kommenden Jahr dürfte allerdings auch Deutschland nicht von den Folgen der Euroschulden-Krise verschont bleiben.

„Es ist schon frappierend, dass trotz der Verunsicherung durch die Euro-Schuldenkrise in diesem Jahr eine drei vor dem Komma steht“, sagt Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. „Die meisten Menschen hier kennen die Krise nur aus der Zeitung“, ergänzt Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.

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Ein Rekordjahr verbuchen beispielsweise Autohersteller, Maschinenbauer und Chemieindustrie. Die Maschinenbauer werden ihre Produktion voraussichtlich um insgesamt 14 Prozent steigern. Die deutsche Autoindustrie feiert Bestmarken bei Produktion, Umsatz und Export. Die Unternehmen dürften bis Jahresende rund 12,9 Millionen Autos herstellen, gut 5,9 Millionen davon im Inland, das sind 7 Prozent mehr als 2010. Auch in der Chemieindustrie laufen die Geschäfte auf Hochtouren mit einer Umsatzsteigerung um 9 Prozent auf den Rekordwert von rund 186,5 Milliarden Euro.

Selbst die Verbraucher sind in Kauflaune wie schon lange nicht mehr. Sinkende Arbeitslosenzahlen und steigende Löhne beflügelten den Konsum im Inland, sagt Chefvolkswirt Heise. „Die Verbraucher lassen sich von der Euro-Schuldenkrise nicht beirren. Sie erwarten keine riesige Arbeitslosenwelle“. Die „fundamentale Gesundheit“ der deutschen Wirtschaft stabilisiere den Konsum und „das ist auch von Vorteil für die anderen Länder im Euro-Raum.“

Aus seiner Sicht erntet Deutschland jetzt „die Früchte der Anstrengungen der letzten 10 bis 15 Jahre“. Die Unternehmen seien unter anderem durch Lohnzurückhaltung und flexiblere Arbeitszeiten wettbewerbsfähiger geworden. „Und sie sind noch internationaler geworden. Der Euroraum ist wichtig, aber das sind inzwischen auch Wachstumsländer beispielsweise in Asien oder Lateinamerika“. Deutschland habe auch nicht mit Immobilienblasen wie Spanien, hoher privater Verschuldung oder extremen Haushaltsdefiziten zu kämpfen. „Der Konsolidierungsbedarf ist im Ganzen nicht so hoch“, sagt Heise.

Deutschland bekomme die Folgen der Krise bei den Euro-Defizitsündern bisher nur indirekt beim Export zu spüren, so Chefvolkswirt Kater. Aus Ländern wie Griechenland oder Italien gingen zwar weniger Bestellungen ein. „Sie spielen für die deutschen Exportwirtschaft allerdings keine so große Rolle.“

Kater zufolge profitiert Deutschland sogar von der Krise. Während die Risikoaufschläge für Anleihen aus Euro-Schuldenstaaten wie Italien oder Spanien rasant steigen, sinken die Zinsen für Bundesanleihen. Das entlastet den Haushalt. „Ein Überschussland wie Deutschland ist in solch einer Krise auf der Sonnenseite.“

Für das kommende Jahr sehen Konjunkturexperten aber auch über Deutschland Wolken aufziehen. So rechnete beispielsweise die Bundesbank zuletzt nur noch mit einem Wachstum von 0,6 Prozent. Manche Forschungsinstitute sind noch pessimistischer.

Auf Dauer, meinen viele Ökonomen, wird sich auch die exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht von der Krise ihrer Nachbarn abkoppeln können. Gut 40 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen schließlich in die Euro-Staaten. Die Branche selbst hofft vor allem auf die wachstumsstarken Schwellenländer. (dpa/abendblatt.de)