Die politisch schwer angeschlagene FDP statuiert ein Exempel an den Schlecker-Beschäftigten. Ihr Veto gegen eine Auffanglösung für die insolvente Drogeriekette bringt nicht nur die SPD auf die Palme.
Stuttgart/München/Berlin. Die Rettungsaktion für die 11 000 Schlecker-Beschäftigten ist in letzter Minute am Widerstand der FDP gescheitert. Bayern weigerte sich am Donnerstag nach wochenlangem Tauziehen, gemeinsam mit 13 anderen Ländern eine Bürgschaft für den Kredit von 70 Millionen Euro für die Transfergesellschaft zu schultern. Die bayerischen Liberalen stemmten sich im Einvernehmen mit Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler gegen die Auffanglösung und setzten sich gegen die CSU durch. Die Mitarbeiterinnen der rund 2200 bereits geschlossenen Filialen der insolventen Drogeriemarktkette stehen nun Ende März auf der Straße.
SPD, Grüne, Linke und die Gewerkschaft Verdi zeigten sich empört und warfen der FDP vor, sie lasse die Frauen aus parteipolitischen Gründen im Regen stehen. Der Verhandlungsführer der Länder, der Stuttgarter Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), kritisierte: „Es geht also nicht um Geld und Bürgschaften, sondern um das politische Schicksal einer Splitterpartei von ein bis zwei Prozent.“ Aber auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) attackierte den Koalitionspartner: „Das sind wohl mehr politische statt fachlich nachprüfbare Motive.“ Der Mainzer Regierungschef Kurt Beck (SPD) sprach von einem Skandal.
Die rund 11 000 Beschäftigten hätten in den Transfergesellschaften weitergebildet und bei der Suche nach einem neuen Job unterstützt werden sollen. Außerdem hätten sie für sechs Monate einen Großteil ihres Gehaltes sicher gehabt. Doch dafür wäre der 70-Millionen-Euro-Kredit der Staatsbank KfW nötig gewesen, den die Länder durch Bürgschaften hätten absichern müssen. Baden-Württemberg hatte zuletzt Zusagen von 12 Ländern. Nur Niedersachsen und Sachsen verweigerten eine Übernahme eines Bürgschaftsanteils – auch hier war das Votum der FDP entscheidend. Deren Anteil wollte aber Baden-Württemberg übernehmen – hier hat Schlecker seinen Hauptsitz. Schmid musste 45 Millionen Euro an Bürgschaftsgeldern aus anderen Ländern zusammenbringen. Doch dafür hätte sich Bayern beteiligen müssen.
Rösler warf der grün-roten Regierung in Stuttgart vor, es sei „schäbig“ gewesen, bei den Schlecker-Beschäftigten hohe Erwartungen zu wecken, obwohl die FDP-Haltung klar gewesen sei. Mit dem Plan für eine Auffanglösung habe Schmid zwei Wochen Zeit verloren. Stattdessen hätte die Landesregierung mit der Bundesagentur für Arbeit eine Lösung für die Schlecker-Beschäftigen finden sollen. Der FDP-Chef verwies auf eine sehr gute Lage am Arbeitsmarkt im Handel. Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagte: „Die Menschen in diesem Lande haben ein Anrecht darauf, dass staatliche Hilfen und damit ihre Steuergelder nicht nach Willkür und Gutsherrenart vergeben werden.“
Die Chefin des Schlecker-Gesamtbetriebsrats, Christel Hoffmann, zeigte sich bitter enttäuscht über das Scheitern. „Ich bin nach wie vor überzeugt, der Bund hätte das übernehmen können und sollen.“ Das Verhalten der FDP sei ein „Armutszeugnis“. „Der Tag hat uns gezeigt, welche Wertstellung Frauenarbeit in Deutschland hat.“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte über die FDP: „Wem das Wasser bis zum Hals steht, der neigt zu höchst irrationalen Taten.“ Die FDP spekuliere darauf, dass sie jetzt bei marktradikalen Kräften dadurch wieder Boden gewinnt. „Die Bevölkerung wird darüber ihr Urteil fällen.“ Seehofer wollte er keinen Vorwurf machen. „An ihm lag es wirklich nicht, er war da sehr solidarisch.“ Zwischen den Landesregierungen von Stuttgart und München hatte es bis zum Schluss Verhandlungen gegeben. Schmid hielt der bayerischen FDP vor, das geplante Haftungsvolumen des Freistaats von 10,6 Millionen Euro hätte sich nicht erhöht.
Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz schickte die Kündigungsschreiben nach dem endgültigen Nein zu den Transfergesellschaften sofort los. Mehrere Schlecker-Beschäftigte hätten das Unternehmen in den vergangenen Tagen bereits freiwillig verlassen, so dass jetzt nur noch rund 10 000 Menschen gekündigt werden müsse.
Verdi warnte Schlecker vor einer Welle an Kündigungsschutzklagen. „Wir werden die betroffenen Frauen und Männer rechtlich an die Hand nehmen“, sagte Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Das könnte mögliche Investoren abschrecken. Geiwitz appellierte deshalb an die Entlassenen, nicht vor Gericht zu ziehen. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden solche Klagen nichts bringen, im Fall einer hohen Gesamtzahl jedoch massiv den verbleibenden Schleckerfrauen schaden.“ (dpa)