Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Bei einem Verstoß der Auflagen will die Slowakei den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone forcieren.

Prag/Brüssel. Kurz vor der Neuwahl ist Griechenland aus dem Kreis der Euro-Zone offen mit einem Ausstiegsszenario konfrontiert worden. Die Slowakei will das von EU und IWF gestützte Land nicht mehr im gemeinsamen Währungsraum dulden, falls es die Rettungsauflagen missachtet: "Wenn die Griechen ihre Verpflichtungen nicht einhalten und Kredite nicht zurückzahlen, wird die Slowakei den Austritt Griechenlands verlangen“, drohte Regierungschef Robert Fico am Donnerstag.

Auch in der Finanzbranche steigt die Nervosität. Die französische Bank Credit Agricole spielt nach einem Bericht des "Wall Street Journal“ schon eine Pleite ihrer griechischen Tochter Emporiki durch. An der Athener Börse keimte dennoch Hoffnung auf, dass sich die Reformbefürworter bei der Wahl durchsetzen und das Land so im Euro bleibt: Bankenpapiere legten kräftig zu.

Bei der Griechenland-Wahl am Sonntag wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Reformbefürwortern und ihren Gegnern erwartet. Der Chef der reformfeindlichen radikalen Linken, Alexis Tsipras, hat die Vereinbarungen mit EU und IWF für null und nichtig erklärt. Falls er bei der Wahl triumphieren sollte, könnte das Land in die Pleite schlittern und womöglich den Euro verlieren. Investoren setzten aber auf eine pro-europäische Regierung, die am Reformkurs festhalten werde, sagte Analyst Panagiotis Kladis von NBG Securities.

Die Euro-Länder haben sich unterdessen in aller Stille schon auf verschiedene Krisenszenarien vorbereitet. Sollte es nach der Wahl zu Turbulenzen an den Finanzmärkten kommen oder sollten aus Panik über einen Zerfall der Währungsunion Banken in Griechenland und anderen Euro-Staaten gestürmt werden, würden die Banken vorübergehend kein Bargeld mehr auszahlen. Grenzkontrollen könnten eingeführt werden, um die Kapitalflucht aus dem Land einzudämmen. Ein solcher Schock wäre bei einem klaren Wahlsieg Tsipras' vorstellbar. Die Euro-Länder stünden dann vor der Entscheidung, die Kreditzahlungen ganz einzustellen.

Wahrscheinlicher ist aber, dass Tsipras sich mäßigen und mit den Gebern verhandeln wird. Auch die bisher regierenden Parteien Neue Demokratie und Pasok würden eine Lockerung der Auflagen fordern. Die Euro-Zone werde sich weiter erpressen lassen, weil es niemand wage, den Stecker zu ziehen, sagt ein EU-Vertreter. Wie weit die Geldgeber bereit sind, den Griechen entgegen zu kommen, ist umstritten. Die Geduld mit den Hellenen, die von den Spar- und Reformzielen bisher immer weit entfernt blieben, ist begrenzt. "Die Hauptprogrammziele können nicht geändert werden, es kann allenfalls kleine Änderungen am Weg dorthin geben“, sagt ein anderer EU-Insider.

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hatte in dieser Woche im Deutschlandfunk erneut angedeutet, die Griechen könnten mehr Zeit zum Defizitabbau erhalten. Bisher soll die Neuverschuldung 2014 unter drei Prozent gesenkt werden. Dazu standen im Mai noch Einsparungen von elf Milliarden Euro aus. So wie in Spanien könnte mit dem Argument einer noch schlimmeren Rezession ein Jahr Aufschub gewährt werden. Doch eines ist EU-Diplomaten schon lange klar: Griechenland wird sich noch mindestens zehn Jahre nicht selbst am Kapitalmarkt finanzieren können. Wenn das Land um jeden Preis in der Währungsunion gehalten werden soll, wird das weitere Rettungsprogramme kosten.

Die wirtschaftliche Talfahrt Griechenlands beschleunigt sich unterdessen immer weiter: Die Arbeitslosigkeit ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Die Quote kletterte im ersten Quartal auf 22,6 Prozent. Es ist der höchste Wert seit Einführung der entsprechenden Statistik 1998.

Die Turbulenzen um Griechenland und die Probleme der ins Visier der Märkte geratenen Euro-Schwergewichte Spanien und Italien treibt die Wirtschaft und Finanzwelt zwischen Lissabon und Helsinki um. Deutsche-Bank -Finanzchef Stefan Krause sagte auf einer Konferenz bei Frankfurt, die Unsicherheit laste auf den Unternehmen, die kaum mehr planen könnten: "Noch nie in seiner 13-jährigen Geschichte war die Einheit des Euro-Währungsraums so ungewiss und damit auch die Handlungsgrundlage für jeden von uns.“

Die Schweizer Notenbank (SNB) wiederum sorgt sich, dass die beiden heimischen Großbanken Credit Suisse und UBS wegen ihrer Verflechtungen in den Euroraum stärker in den Strudel der Schuldenkrise gezogen werden könnten und dafür trotz ihrer vergleichsweise dicken Kapitaldecken nicht ausreichend gerüstet sind. "Das Risiko des Zusammenbruchs einer großen Bank bleibt substanziell“, schrieb die SNB in ihrem diesjährigen Bericht zur Finanzstabilität.

Auch in Frankreich wird die Hellas-Krise mit bangem Blick verfolgt. Sollte die Bank Credit Agricole ihre Tochter Emporiki tatsächlich pleite gehen lassen, würde dies mit Abschreibungen von rund fünf Milliarden Euro einhergehen, berichtete das "Wall Street Journal“ unter Berufung auf eine mit den Überlegungen vertraute Person. Die Bank selbst wollte den Bericht nicht kommentieren. (abendblatt.de/rtr)