Spanien bleibt unter Druck, Italien rückt wieder ins Blickfeld und Griechenlands Zukunft ist ungewiss. Die Krise ist mit voller Wucht zurück.
Madrid/Brüssel/Berlin. Trotz angekündigter Milliardenhilfen für die maroden spanischen Banken kehrt in der europäischen Schuldenkrise keine Ruhe ein. Ganz im Gegenteil: Die Finanzmärkte sind im Panik-Modus. Die Renditen für spanische Staatsanleihen erreichten am Dienstag Rekordniveau, die Ratingagentur Fitch stufte weitere 18 spanische Banken ab, Eurokurs und Aktienmarkt gingen auf Sinkflug. Die wieder aufgeflammte Schuldenkrise bedroht nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank die Finanzstabilität im Euroraum. Die relative Ruhe zu Jahresbeginn habe sich als trügerisch erwiesen, betonten die Währungshüter in Frankfurt.
Die Weltbank warnte, das nervenzerrende Auf und Ab in der europäischen Schuldenkrise sei eine Belastung für die gesamte Weltwirtschaft. Jüngste Kursverluste an Börsen und steigende Zinsen für Staatsanleihen zeigten, wie anfällig und nervös die Finanzmärkte seien, hieß es in Washington. Es sei völlig klar: Weder reiche Länder noch aufstrebende Staaten würden verschont, „sollte sich die Situation in Europa deutlich verschlechtern“. Selbst eine globale Krise vom Ausmaß der letzten zwischen 2007 und 2009 sei nicht undenkbar, sagte Weltbank-Ökonom Hans Timmer.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb in Berlin eindringlich für Vertrauen in Europa und den Euro. „Wir stehen am Scheideweg“, mahnte Merkel. Die Kanzlerin betonte erneut, die Überwindung der Finanzkrise brauche Zeit. „Deshalb wäre es auch in Europa fatal, wenn wir jetzt, wo einige Länder begonnen haben, genau in die richtige Richtung zu arbeiten, das unterbrechen würden und auf halbem Wege stehen bleiben.“
Das spanische Hilfspaket in dreistelliger Milliardenhöhe weckt Begehrlichkeiten - immerhin wird Madrid für die Rettung seiner Banken kein so hartes Sparprogramm auferlegt wie etwa Griechenland oder Portugal. So will Athen das eigene Milliarden-Hilfspaket jetzt nachverhandeln. Auch aus dem hochverschuldeten Portugal, das ebenfalls Notkredite aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF bekommen hat, kamen Forderungen nach besseren Bedingungen. Die Erfolgsaussichten sind gering. „Unsere Position ist unverändert: Wir erwarten, dass die Griechen alle eingegangenen Verpflichtungen erfüllen“, dämpfte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel entsprechende Hoffnungen.
Unterdessen heben griechische Sparer vor den Neuwahlen an diesem Sonntag (17. Juni) immer mehr Geld von ihren Konten ab . Nach offiziellen Angaben haben die Bürger seit Ausbruch der Krise im Jahr 2009 rund 80 Milliarden Euro von den Banken abgezogen. „Wir verbluten langsam. Wir brauchen dringend eine handlungsfähige Regierung“, sagte ein hoher Angestellter einer griechischen Privatbank in Athen.
Die Wahl am Sonntag gilt als Richtungsentscheidung über den Verbleib des Landes im Euro-Raum. Sollte Griechenland aus dem Euro austreten, könnten die europäischen Nachbarländer gegebenenfalls die Grenzen schließen und Kapitalkontrollen einführen. Das EU-Recht erlaube dies unter bestimmten Umständen, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission. Auch eine Obergrenze für Abhebungen an griechischen Geldautomaten könnte eingeführt werden.
Die EU-Behörde betonte, ein Austritt Athens aus dem Euro sei rein „spekulativ“ - das Ziel der EU-Kommission sei, dass Griechenland Mitglied im gemeinsamen Währungsgebiet bleibe.
Derweil wird Italien, das als drittgrößte Euro-Volkswirtschaft als entscheidender Dominostein in der Schuldenkrise gilt, erneut zum Unruheherd. Spätestens nachdem Österreichs Finanzministerin Maria Fekter ein Hilfsprogramm für Rom am Montagabend nicht ausschließen wollte, zittert Europa um ein Schwergewicht, das nach einhelliger Expertenmeinung zu groß für den Rettungsschirm wäre.
Dass der italienische Premier Mario Monti Fekter auf die Finger klopfte, beeindruckt Investoren wenig. „Ich halte es für vollkommen unangemessen, dass eine Ministerin eines EU-Mitgliedstaates die Lage eines anderen EU-Mitgliedstaates kommentiert. Daher verzichte ich auf jegliche Kommentare“, sagte Monti am Dienstag in Rom.
Die EZB mahnte erneut Haushaltsdisziplin sowie Strukturreformen für Wachstum und Beschäftigung an. Die Zentralbank sprach sich erneut für eine „Bankenunion“ in der Eurozone aus. Dazu sollten eine einheitliche Überwachung, eine Rettungseinrichtung für Großbanken und eine harmonisierte Einlagensicherung gehören.
Aus Sicht der Deutschen Bundesbank ist Europa für eine Bankenunion noch nicht bereit. Ein solcher Schritt könne erst erfolgen, wenn die Eurozone sich zu einer demokratisch legitimierten Fiskalunion entwickelt habe, sagte Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Über den Fiskalpakt ist derweil in Berlin keine rasche Einigung in Sicht. Hauptstreitpunkt zwischen Koalition und Opposition bleibt die verbindliche Einführung einer Steuer auf alle Finanzgeschäfte.
Der neue Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain will das durch die Finanzkrise verlorene Vertrauen der Bürger in die Banken zurückgewinnen. „Die größte Herausforderung für die Bankenbranche steht uns noch bevor: Wir müssen unseren Vertrag mit der Gesellschaft erneuern. (...) Einfach gesagt: Die Banken sind in Ungnade gefallen“, sagte Jain vor dem CDU-Wirtschaftsrat bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt seit seiner Amtseinführung Ende Mai in einem vorab übermittelten Redemanuskript in Berlin. Es sei verständlich, dass die Menschen den Banken mit Misstrauen begegneten. „Wir müssen ihr Vertrauen zurückgewinnen.“