Die Welt schaut auf Athen: Vom Ausgang der Wahl hängt die Zukunft Griechenlands und Europas ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Brüssel. Die Neuwahlen in Athen gelten als entscheidender Augenblick in Europa: Am Sonntag (17. Juni) kämpfen die drei wichtigsten Parteien – Konservative, Sozialisten und Linksradikale – um die Macht. Der Chef das Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras, verspricht ein Ende des Sparkurses und geht auf Konfrontation zur EU. Der Wahlausgang hat Folgen für Athen, Deutschland und Europa.
Wie hoch ist die Bedeutung der Wahl?
Natürlich blickt Europa nervös nach Griechenland . Doch Panik ist nicht angebracht: Dass die Linken nach einem möglichen Wahlsieg das Hilfsprogramm aufkündigen und aus der Währungsunion ausscheiden könnten, ist absolut unplausibel. Denn auch die Linke braucht Geld und weiß, dass die wirtschaftlichen Folgen eines Austritts für Griechenland desaströs wären. Egal, welche Regierung kommt – sie dürfte weiter versuchen, im Euro zu bleiben.
Wie schnell könnten die Euro-Retter Entscheidungen zu Athen treffen?
Im Krisenfall auch über Nacht. Doch das ist nicht zu erwarten. Zunächst muss mal eine Regierung in Athen gebildet werden, die über ihren weiteren Kurs entscheidet. Dann prüft die „Troika“ aus Experten von Europäischer Zentralbank, EU und Internationalem Währungsfonds IWF die Lage. Und danach entscheiden die Euro-Staaten über das weitere Vorgehen.
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Ist denn mit einer stabilen Regierung zu rechnen?
Eher nicht. Angesichts der Wirtschaftskrise im Land dürfte jede neue Regierungskoalition instabil sein und kaum weitere harte Sparmaßnahmen durchsetzen können. Das ist Gift für ein Krisenland. Seit Monaten gibt es in Athen keine handlungsfähige Regierung – die Folgen: Reformen stocken, das Land spart nicht genug. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bereitet die Deutschen schon auf die Hiobsbotschaft vor: Griechenland kann bereits jetzt die mit der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) für 2012 gesetzten Ziele nicht mehr erreichen.
Was ist, wenn die reformorientierten Parteien eine Mehrheit bekommen?
Auch eine Regierung aus Nea Dimokratia (ND) und der sozialistischen Pasok stünde vor Problemen: Die Staatsverschuldung bleibt hoch, die tiefe Rezession der Wirtschaft dürfte anhalten und die Arbeitslosigkeit steigen. Fraglich ist, ob die Bürger dies mittragen oder mit Generalstreiks protestieren. „In diesem Szenario wird im Wesentlichen Zeit gekauft“, schreiben Ökonomen der BayernLB.
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Was würde dies für die Rettung Griechenlands bedeuten?
In jedem Fall müssten die Euro-Partner Athen wohl mehr Zeit für die Haushaltskonsolidierung geben. Bisher hatte es noch geheißen, das Land könnte 2015 wieder selbst an die Kapitalmärkte zurückkehren und sich vom Finanztropf losmachen. Das dürfte wohl Makulatur werden. So könnte ein drittes Hilfspaket für Griechenland nötig werden – diese Möglichkeit hat auch Finanzminister Schäuble für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Dann kämen neue Lasten auf die deutschen Steuerzahler zu. In Berlin dürfte auch die innenpolitische Diskussion um Milliardenhilfen wieder aufflammen. Athen sind bereits zwei Hilfspakete von 110 und 130 Milliarden Euro zugesagt.
Was passiert in Europa, wenn sich pro-europäische Kräfte durchsetzen?
Griechenland hätte dann noch eine Zukunft im Euro-Raum. Die internationalen Hilfsgelder würden weiter sprudeln. Doch die Gefahr für die Euro-Zone wäre keineswegs eingedämmt: Nach Spanien würden die Märkte wieder auf andere Euro-Sorgenkinder schauen wie Spanien, Zypern und Italien.
Und wenn die Wahl anders ausgeht?
Es besteht die Befürchtung, dass die Griechen am Sonntag (17. Juni) das Linksbündnis Syriza an die Regierung bringen, das erklärt hat, die Auflagen für das Rettungsprogramm kündigen zu wollen. Dass sie dies wirklich tun, ist nicht zu erwarten.
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Was würden die internationalen Geldgeber tun, wenn Athen sich nicht an die Vereinbarungen hält?
Sie könnten die Hilfszahlungen stoppen. Griechenland würde in die Staatspleite rutschen. Athen bliebe möglicherweise keine andere Wahl, als die Währungsunion zu verlassen. Eine neue Währung könnte die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Es droht jedoch eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung. Die Hellenen würden ihre Ersparnisse von den Banken abheben, um ihre Euro – auch im Ausland – in Sicherheit zu bringen, bevor eine neue Währung eingeführt und abgewertet würde.
Was würde ein Austritt für Deutschland bedeuten?
Die Hilfskredite, die Deutschland Athen geliehen hat, wären verloren. Berlin müsste seinen Beitrag aus dem ersten Hilfspaket sowie dem europäischen Rettungsschirm EFSF abschreiben. Hinzu kämen Verluste der Europäischen Zentralbank, die der größte Gläubiger Hellas ist, sowie die Abschreibung von Bundesbank-Forderungen. Genaue Zahlen existieren nicht, Ökonomen schätzen 80 bis 100 Milliarden Euro. Sollten griechische Banken pleitegehen, würde dies auch deutschen Banken Verluste bescheren, die ihnen Geld geliehen haben.
Wie sähen die Folgen für den Euro aus?
Volkswirte warnen, dass die Folgen unabsehbar wären. Die Krisenstimmung eines griechischen Austritts („Grexit“) würde überschwappen auf ganz Europa. Investoren könnten das Vertrauen in andere Krisenländer wie Spanien, Italien oder Portugal verlieren.
Wie geht es in der EU weiter?
Beim Gipfeltreffen am 28./29. Juni will EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso einen Fahrplan für die Zukunft vorlegen. Darin soll es sowohl um die Einführung von gemeinschaftlichen Anleihen aller Euro-Länder („Eurobonds“), schärfere Kontrollen der Fiskalpolitik als auch die Bildung einer Bankenunion gehen. Volkswirte gehen noch weiter – zu den Ideen gehört eine nochmalige Aufstockung der Rettungsschirme oder die stärkere Einbindung der EZB. (dpa/abendblatt.de)