Bislang wurde der Bedarf auf 40 Milliarden Euro beziffert. Nun soll die Sanierung erheblich mehr kosten, so ein spanischer Politiker.

Madrid. Die Sanierung des maroden Bankensystems in Spanien wird wesentlich mehr Geld verschlingen als bisher angenommen. Die erforderliche Hilfe könne sich auf bis zu 100 Milliarden Euro belaufen, sagte der Generalsekretär der Europäischen Volkspartei (EVP), Antonio López-Istúriz, am Donnerstag.

Der spanische Europaparlamentarier, Parteifreund von Ministerpräsident Mariano Rajoy, sagte im staatlichen Fernsehen TVE: „Die Zahlen bewegen sich im Rahmen dessen, was der EU-Rettungsfonds akzeptieren könnte. Die Zahlen, von denen man (für die spanischen Banken) ausgeht, bewegen sich zwischen 80 und 100 Milliarden Euro, vielleicht auch weniger.“ Die EU-Gipfelkonferenz am 28./29. Juni könnte grünes Licht geben, wenn Spanien die Hilfen benötige, sagte López-Istúriz.

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Die genannte Summe ist erheblich höher als die Zahlen, die in den meisten bisherigen Schätzungen genannt worden waren. Der Präsident der Großbank Santander, Emilio Botín, hatte den Gesamtbedarf des spanischen Bankensektors auf 40 Milliarden Euro beziffert. Spaniens Finanzminister Cristóbal Montoro nannte bislang keine Summe, betonte aber, der erforderliche Betrag sei „nicht sehr hoch“.

Die spanische Regierung hat noch nicht entschieden, ob sie in Brüssel Hilfen für die Banken beantragen wird. Sie will nach Angaben von Wirtschaftsminister Luis de Guindos erst Gutachten des Weltwährungsfonds (IWF) und zweier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Lage des spanischen Bankensektors abwarten.

IWF: 40 Milliarden Euro mindestens

Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) braucht Spanien mindestens 40 Milliarden Euro zusätzliches Kapital. Dies werde eines der Ergebnisse des für Montag angekündigten IWF-Berichts zur Lage der spanischen Banken sein, sagten zwei Personen aus dem Finanzsektor am Donnerstag. Alles in allem würden dem Bericht zufolge 90 Milliarden Euro benötigt, um Spaniens gesamten Bankensektor auf Vordermann zu bringen, ergänzte eine der Personen.

Spaniens Banken leiden besonders unter der Last fauler Immobilienkredite. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone droht vor allem wegen der gravierenden Probleme der Banken immer tiefer in den Strudel der Schuldenkrise zu geraten.

Spanien besorgt sich frisches Geld am Anleihemarkt

Für Spanien gibt es am Anleihemarkt acuh weiterhin keine Entwarnung. Das Schatzamt in Madrid versteigerte am Donnerstag Staatspapiere mit drei verschiedenen Laufzeiten und sammelte 2,07 Milliarden Euro ein. Die Nachfrage war sehr groß. Dennoch wird die Geldaufnahme immer teurer. Um Spanien für zehn Jahre Geld zu leihen, verlangten Investoren Zinsen von 6,044 Prozent. Im April waren es noch 5,743 Prozent. Damit wird die Finanzierung der Schulden für Madrid, das ohnehin mit einem zu hohen Staatsdefizit kämpft, immer teurer.

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Der spanische Finanzminister Christobal Montoro hatte Anfang der Woche erstmals offen eingeräumt, dass die Tür zum Kapitalmarkt beim aktuellen Renditeniveau praktisch geschlossen sei. Das hatte Spekulationen weiter angeheizt, Spanien müsse nach Irland, Portugal und Griechenland ebenfalls unter den europäischen Rettungsschirm flüchten.

Auch in den kürzeren Laufzeiten bis 2014 und 2016 stiegen die Refinanzierungskosten für Spanien weiter an: Gegenüber den letzten Auktionen im April kletterten sie von 3,46 auf 4,33 Prozent beziehungsweise von 4,32 auf 5,35 Prozent. Händler bezeichneten die Versteigerung dennoch als Erfolg und führten die sehr starke Nachfrage nach den neuen Papieren an. Die Titel waren 2,56- bis 4,26-fach überzeichnet – die Nachfrage fiel in allen Bereichen stärker als im April aus.

Zuletzt hatten Investoren das Land aufgrund der Probleme im Bankensektor immer kritischer bewertet. Deswegen herrschte wegen der großen Nachfrage, die auch ein Indiz für das Vertrauen der Anleger ist, am Donnerstag trotz höherer Zinsen auch Erleichterung. Am Sekundärmarkt für bereits gehandelte Anleihen gingen die Renditen denn auch merklich zurück. Die Rendite für zehnjährige spanische Anleihen näherte sich hier wieder der Marke von sechs Prozent an, nachdem sie zeitweilig bis auf 6,7 Prozent gestiegen war. Händler begründeten diese Entspannung mit der Hoffnung auf eine baldige Lösung der Bankenkrise in Spanien.

Frankreich kommt so günstig zu Geld wie noch nie

Die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft Frankreich kam dagegen zu günstigeren Bedingungen als zuletzt an neues Geld. Insgesamt nahm das Land am Donnerstag 7,836 Milliarden Euro auf, wie die französische Finanzagentur in Paris mitteilte. Die Papiere waren rund zweifach überzeichnet. Der größte Teil der Summe (3,48 Milliarden Euro) entfiel auf eine zehnjährigen Anleihe. Die Rendite lag hier bei 2,45 Prozent und damit niedriger als bei der letzten vergleichbaren Auktion Anfang Mai (2,96 Prozent).

Die Finanzmärkte nahmen die Auktionen erleichtert auf. Der Eurokurs kletterte in Richtung der Marke von 1,26 US-Dollar. Die Aktienmärkte reagierten ebenfalls positiv.(dpa/Reuters/abendblatt.de)