Sparen allein hilft nicht gegen die Krise im Euroraum. Wie der von EU-Politikern geforderte Wachstumspakt aussehen soll, ist strittig.
Frankfurt/Main. Neue Schulden, um die Konjunktur in Europa wieder anzustoßen? In Deutschland wächst der Widerstand gegen solche Pläne von EU-Politikern . „Ich glaube nicht, dass man damit Erfolg haben kann, die Schuldenkrise mit noch mehr Schulden zu lösen“, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der französischen Tageszeitung „Le Monde“ Stabiles Wachstum sei nur durch Strukturreformen erreichbar. Das sei eine tragende Säule in allen verabredeten Reformpaketen mit den Euro-Krisenländern. „Die wahre Debatte ist doch, was ist der richtige Weg zu anhaltendem Wachstum“, sagte Weidmann.
Der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW/Kiel), Joachim Scheide, dämpfte in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die hohen Erwartungen an staatliche Konjunkturprogramme: „Generell zeigt die Erfahrung, dass man sich von einer Stimulierungspolitik nicht allzu viel erhoffen sollte ... Bestenfalls lässt sich eine Verschiebung der Produktion auf der Zeitachse erreichen: In der Rezession versucht man, durch expansive Maßnahmen Produktion aus der Zukunft vorzuziehen.“
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Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank, meint: „Eine isolierte Förderung des Wachstums in den Defizitländern kann sogar zu einem weiteren Anstieg der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte führen.“ Gegen Konjunkturprogramme spricht aus Sicht von Scheide zudem: „Die Regierungen besitzen nach den Regelverletzungen in der Vergangenheit nicht so viel Glaubwürdigkeit, dass man ihnen das Versprechen „Wir konsolidieren jetzt noch nicht, aber später ganz bestimmt!“ abnimmt.“
Von einem fatalen Signal im Kampf gegen ausufernde Staatsschulden schreibt auch Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Die große Gefahr der aktuellen Diskussion um schuldenfinanzierte Investitionen etwa in die Infrastruktur liege darin, „dass sie von den tatsächlich notwendigen Reformen ablenken und diese deshalb nicht in Angriff genommen werden“. Nicht nur aus Solveens Sicht sind andere Baustellen in Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien, Portugal und Italien dringender: „Strukturelle Unzulänglichkeiten wie ein inflexibler Arbeitsmarkt, eine starke Regulierung der Wirtschaft oder eine wenig leistungsfähige öffentliche Verwaltung.“
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Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, nimmt im „Handelsblatt“ einmal mehr die Hoffnung auf ein noch größeres Engagement der Währungshüter. Issing betont: „Die Länder mit Defiziten haben jahrelang über ihre Verhältnisse, also auf Pump gelebt. Es liegt daher in erster Linie an ihnen, die Ansprüche mit dem eigenen Leistungsvermögen in Einklang zu bringen und durch Reformen die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.“
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Bundesbank-Präsident Weidmann hält auch die vom neuen französischen Präsidenten François Hollande geforderten europäischen Gemeinschaftanleihen – sogenannte Eurobonds – für kein geeignetes Mittel gegen die Krise. Schulden dürften nur an die Staatengemeinschaft abgetreten werden, wenn die Regierungen gleichzeitig Souveränität abgeben würden, sagte Weidmann: „Man vertraut seine Kreditkarte niemandem an, wenn man dessen Ausgaben nicht kontrollieren kann.“
Allerdings sei selbst in Ländern, in denen die Regierungen Eurobonds forderten – wie etwa Frankreich – keine öffentliche Debatte zu diesem Thema zu erkennen. Auch die Unterstützung der Bevölkerung, Souveränität an Brüssel zu übertragen, sei nicht in Sicht: „Aber genau darüber müssen wir sprechen“, forderte Weidmann. (dpa/abendblatt.de)