Staatsanleihen schwer verkäuflich. Regierungsbildung in Griechenland vor Scheitern. Merkel will keine Abstriche am Sparkurs machen.
Madrid/Athen/Brüssel. Während Europa gebannt nach Athen blickt, die Mühen der griechischen Regierungsbildung verfolgt und sich um die Zukunft des Euro sorgt, gerät auch Spanien trotz der jüngsten Bankenreform immer stärker in den Sog der Schuldenkrise. Die Investoren verlangten gestern mit 477 Punkten den höchsten Risikoaufschlag für zehnjährige spanische Anleihen seit Bestehen der Euro-Zone. Der klamme Staat spürte zudem bei der Platzierung neuer Bonds Gegenwind: Die Anleger griffen nicht mehr so beherzt zu wie zuletzt und verlangten höhere Zinsen für die Schuldtitel.
Auch die Kosten für die Kreditausfallversicherungen (CDS) für spanische und italienische Anleihen legten zu, wobei der unklare Ausgang der Regierungsverhandlungen in Griechenland für zusätzliche Nervosität am Markt sorgte. "Das Risiko, dass Griechenland aus dem Euro austritt, besteht. Und sollte das passieren, steigt auch wieder die Ansteckungsgefahr für Länder wie Italien und Spanien", sagte Markt-Stratege Alessandro Giansanti von der ING-Bank. Die spanischen Banken nahmen unterdessen die von der Regierung verordnete Zusatzaufstockung ihrer Kapitaldecke in Angriff. Insgesamt legen die fünf größten Institute des Landes dazu weitere 15 Milliarden Euro zurück. An der Börse gehörten die Geldhäuser zu den größten Verlierern.
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Die Regierung in Madrid hatte am Freitag eine tief greifende Reform der Bankenbranche beschlossen. Die Institute müssen zusätzlich noch etwa 30 Milliarden Euro für faule Kredite zurücklegen und ihr Immobilienvermögen auslagern. Insgesamt sollen die Rückstellungen so auf 137 Milliarden Euro anschwellen. Zudem soll das Immobilien-Portfolio der Geldhäuser von unabhängigen Buchprüfern auf versteckte Risiken durchleuchtet werden.
Vielen Finanzprofis gingen die Ankündigungen für den mittlerweile vierten Anlauf zur Bereinigung des Bankensektors nach dem Platzen der Immobilienblase im Jahr 2008 jedoch nicht weit genug. Am Donnerstag steht Spanien die nächste Anleihe-Auktion ins Haus, bei der der Staat insbesondere inländische Anleger bei der Stange halten muss. Denn bei der Platzierung von drei- und vierjährigen Papieren dürften sich ausländische Anleger wegen Zweifeln an der langfristigen Stabilität des Landes eher zurückhalten.
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Die Krise treibt die Spanier auf die Straße. Heute vor einem Jahr begann die Massenbewegung der Empörten ("Indignados"), deren Zorn sich vor allem gegen die Banken und die Globalisierung richtet. Am Wochenende hatte es harte Auseinandersetzungen mit der Polizei gegeben. Auch für heute sind Kundgebungen angesagt.
Griechenland steuert unterdessen auf weitere Neuwahlen im Juni zu und bewegt sich am Rande eines Staatsbankrotts. Bis gestern Abend zeichnete sich im Ringen um eine stabile Regierung keine Lösung ab. Präsident Karolos Papoulias schlug als letzten Ausweg die Bildung einer Expertenregierung vor, die von möglichst vielen der im Parlament vertretenen Parteien unterstützt werden soll. Darüber will Papoulias heute mit allen Parteichefs - mit Ausnahme der Faschisten - eine Einigung erzielen. Aufgabe der Expertenregierung wäre es, von den internationalen Geldgebern Zugeständnisse bei den Sparauflagen zu erhalten, die Griechenland im Gegenzug für die Rettung vor der Staatspleite eingegangen war. Scheitern auch diese Gespräche, könnte sich das Parlament bereits an diesem Donnerstag wieder auflösen. Dann wäre der Weg frei für Neuwahlen am 17. Juni. Allerdings zeichnet sich nach Umfragen auch dann keine Mehrheit ab, die den Reform- und Sparkurs mitträgt.
Davon machen Europäer und der Internationale Währungsfonds (IMF) weitere Zahlungen abhängig. Griechenland hat nach Angaben des Finanzministeriums in Athen nur noch Geld bis Mitte Juni. Danach drohen endgültig die Pleite und ein Austritt aus der Euro-Zone.
Berlin lehnte Abstriche am Sparprogramm und eine Verschnaufpause ab. Die Bundesregierung stehe zu dem Programm mit seinen Zielen, Inhalten und Zeitplänen, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, hatte zuvor erklärt, die europäischen Partner müssten ihren Zeitplan auf den Prüfstand stellen und die Verträge mit Griechenland im Zweifel nachbessern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel will auch nach der Wahlniederlage der CDU in Nordrhein-Westfalen an ihrem Kurs in der Euro-Schuldenkrise festhalten. "Die Arbeit in Europa ist dadurch nicht tangiert", sagte sie nach einem CDU-Spitzentreffen in Berlin. Mit Blick auf die Debatte über den europäischen Fiskalpakt betonte sie: "Es gibt keinen Gegensatz zwischen solider Haushaltspolitik und Wachstum."
Die Kanzlerin kündigte an, erst nach dem informellen EU-Gipfel am 23. Mai mit der Opposition über den umstrittenen Fiskalpakt sprechen zu wollen. Allerdings soll der Bundestag schon am 25. Mai abstimmen. Schwarz-Gelb ist in Bundestag und Bundesrat auf Stimmen der Opposition angewiesen, da jeweils Zweidrittelmehrheit nötig ist. Die SPD will nach dem klaren Votum für Rot-Grün in Düsseldorf hart bleiben und den Fiskalpakt auch um Wachstumsimpulse ergänzen. Die Parteispitze setzt dabei auf Unterstützung durch Frankreichs neuen Präsidenten François Hollande, der heute in Berlin zu seinem Antrittsbesuch erwartet wird. Die Regierung dämpfte die Erwartungen an das Treffen. Konkrete Beschlüsse seien nicht zu erwarten. Regierungssprecher Seibert sprach von einer "ersten ausführlichen Gelegenheit, einander kennenzulernen". Dies sei kein "Gipfel der Entscheidungen, sondern ein erstes Kennenlern-Treffen".