Kann Madrid die Krise allein bewältigen oder braucht es den EFSF-Fonds? Regierung spielt auf Zeit – EU-Partner fordern Entscheidung.

Brüssel. Neben dem Dauersorgenkind Griechenland sorgt nun auch Spanien für die nächste Zitterpartie in der Schuldenkrise: Der an den Finanzmärkten erhoffte Befreiungsschlag für die spanischen Banken ist erst in einigen Wochen zu erwarten.

Unmittelbare Pläne für einen Hilfsantrag für die schwer angeschlagene Branche gebe es nicht, sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Mittwoch. Zunächst müssten der Internationale Währungsfonds (IWF) und die beauftragten unabhängigen Bilanzprüfer ihre Berichte zu den heimischen Geldhäusern vorlegen. „Erst dann will die spanische Regierung die erforderlichen Beschlüsse zur Rekapitalisierung der Institute fassen“, sagte de Guindos in Brüssel.

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Die Bundesregierung machte postwendend deutlich, Spanien müsse nun selbst entscheiden und könne dabei keine Ausnahmebehandlung erwarten. „Die Prinzipien sind klar: Der Antrag muss von einer Regierung gestellt werden, diese Regierung haftet, und sie nimmt Auflagen für die Gewährleistung von Hilfe in Kauf“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Spanien will unbedingt vermeiden, dass es durch seine Bitte als Schuldensünder gebrandmarkt und mit den Hilfeempfängern Griechenland, Irland und Portugal in einen Topf geworfen wird. Vor allem stemmt sich die Regierung in Madrid gegen die weitreichenden Auflagen, die mit einem umfassenden Hilfsprogramm verbunden wären. Spanien könnte aber unter einen – im Rahmenvertrag für den aktuellen Euro-Notfonds EFSF vorgesehenen - „kleinen“ Rettungsschirm schlüpfen und nur Geld zur Rekapitalisierung seiner Banken in Anspruch nehmen. In diesem Fall wären auch die Reformauflagen vornehmlich auf den Bankensektor begrenzt, den die Regierung sowieso umbauen muss. Einem Bericht der spanischen Zeitung „Cinco Dias“ zufolge arbeitet Madrid an neuen Reformschritten für die Branche, da die EU-Kommission Hilfen an weitere Rückstellungen knüpfe.

Unionsfraktionschef Kauder: Spanien muss unter EFSF-Rettungsschirm

Mit Unionsfraktionschef Volker Kauder rief erstmals ein führender deutscher Koalitionspolitiker Spanien offen dazu auf, wegen seiner Bankenprobleme um Unterstützung des EFSF zu bitten. „Ich denke schon, dass Spanien – nicht wegen des Landes, sondern wegen der Banken – unter den Rettungsschirm muss“, sagte Kauder in der ARD. Dieselbe Forderung stellte auch der deutsche Bankenverband (BdB). „Ich denke, es ist nur noch eine Frage von Wochen, bis Spanien den Antrag stellt“, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer der Nachrichtenagentur Reuters.

Kauder verwies zugleich darauf, dass es derzeit rechtlich nicht möglich sei, dem staatlichen spanischen Bankenrettungsfonds Frob auf direktem Wege EFSF-Mittel zuzuschießen. Dies betonte auch EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, sprach sich zugleich aber dafür aus, diese für den EFSF und den künftigen Rettungsschirm ESM geltende Regelung zu ändern. Deutschland dagegen pocht auf die bestehenden Festlegungen, nach denen Finanzhilfen an Banken nur indirekt über den betroffenen Mitgliedstaat gewährt werden können. Die Kredite fließen demnach auch nur unter strikten Auflagen etwa zur Sanierung des Finanzsektors. Gegenwind kommt neben der EU-Kommission auch von Spanien, Italien und Frankreich. Sie wollen, dass eine unmittelbare Refinanzierung von Banken durch den ESM künftig möglich wird. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici sagte, Voraussetzung sei, dass die Unterstützung angemessen überwacht werde.

Zur langfristigen Lösung von Problemen in Europas Finanzindustrie präsentierte Barnier am Mittwoch seinen lange erwarteten Gesetzentwurf. Demnach müssten sich die nationalen Krisenfonds in der EU künftig gegenseitig unterstützen. Dies sei ein Schritt in Richtung einer Bankenunion, über die derzeit als Lehre aus der Euro-Schuldenkrise diskutiert werde, erklärte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso.

Madrid kann Kapitalmärkte nicht mehr anzapfen

Spaniens Finanzminister Christobal Montoro hatte am Dienstag erstmals offen Probleme bei der Geldbeschaffung an den Finanzmärkten eingestanden und damit die Anleger alarmiert. Am Mittwoch erholten sich die Börsen wieder, die Hoffnungen konzentrierten sich auf Konjunkturhilfen der Zentralbanken. Der nächste Test für Spanien stand kurz bevor: Am Donnerstag wollte die Regierung neue Schulden in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro aufnehmen.

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Spaniens Banken leiden unter einem Berg an faulen Hypothekenkrediten, sie sind Altlasten aus dem Platzen einer Immobilienblase vor einigen Jahren. Experten schätzen den zusätzlichen Finanzbedarf auf 30 bis 70 Milliarden Euro. Klarheit sollen die unabhängigen Buchprüfungen bringen. Laut Wirtschaftsminister de Guindos sollen der IWF-Bericht bis zum 11. Juni und die der Wirtschaftsprüfer zehn bis 15 Tage später vorliegen.

Der Krisenfahrplan ist ohnehin prall gefüllt. Am 17. Juni wählen die Griechen ein neues Parlament. Das Ergebnis gilt als entscheidend für den Verbleib des Landes in der Euro-Zone. Am 18. und 19. Juni treffen sich in Mexiko die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20). Es folgt am 28. und 29. Juni das EU-Gipfeltreffen, das einen Ausweg aus der Krise zeigen soll. IWF-Chefin Christine Lagarde forderte einen „Masterplan“ zur Bewältigung der Probleme.