Die Märkte haben Griechenland fast abgeschrieben – jetzt ist Spaniens im Fokus. Noch ziert sich Madrid, Brüssel um Hilfe zu bitten.
Frankfurt/Main. Mit voller Wucht ist die europäische Staatsschuldenkrise in Madrid angekommen. Die Bankenkrise spitzt sich zu, die viertgrößte Wirtschaft des Eurolandes gerät ins Straucheln. Noch schreckt die Regierung davor zurück, unter den EU-Rettungsschirm zu schlüpfen. Wie lange das gut geht, steht in den Sternen.
Warum steckt Spanien in der Krise?
Spanien ist Opfer seiner jahrelangen Bauwut, flankiert von der „bereitwilligen“ Kreditvergabe der Banken. Als die Immobilienblase platzte, gerieten die Institute in Spanien in Schieflage, weil Hypotheken nicht zurückbezahlt werden können. Die extrem hohe Arbeitslosenquote erhöht das Ausfallrisiko zusätzlich.
+++ Nervöse Märkte: Spanien im Zentrum der Schuldenkrise +++
Wie bewerten die Märkte Spanien?
An den Märkten stieg das Misstrauen zuletzt spürbar: Weil die Geldgeber fürchten, das Krisenland könne seine Schulden eines Tages nicht mehr zurückbezahlen, verlangen sie höhere Zinsen. Der Risikoaufschlag zu deutschen Staatsanleihen kletterte auf den höchsten Wert seit der Euro-Einführung. Für zehnjährige Schulden musste Spanien deutlich über 6 Prozent Zinsen bezahlen – das kann das Land auf Dauer nicht verkraften.
Und wie steht es um Spaniens Banken?
Das Vertrauen in spanische Finanzinstitute schwindet, besonders von Papieren der maroden Großbank Bankia lassen die Anleger die Finger. Die Aktie ist im Sinkflug. Das teilverstaatlichte Institut hat die Madrider Regierung um eine weitere Finanzhilfe von 19 Milliarden Euro gebeten. Vor zwei Jahren waren bereits 4,5 Milliarden Euro aus dem Bankenrettungsfonds FROB geflossen.
Welche Gefahren bestehen für deutsche Banken?
Deutsche Banken haben mehr als 112 Milliarden Euro in Spanien verliehen. Während die Griechenland-Krise die Banken zu milliardenschweren Abschreibungen auf Staatsanleihen zwang, sind es jetzt vor allem die Kredite an Unternehmen, die Sorgen bereiten. Gerade einmal 1,4 Milliarden Euro hatte die Deutsche Bank Ende März noch an Spanien-Bonds und -Krediten für die öffentliche Hand in ihren Büchern. Unternehmen des Mittelmeerlandes stehen dagegen mit mehr als 6,5 Milliarden Euro bei dem deutschen Branchenprimus in der Kreide. Auch bei der Commerzbank ist der Anteil der Staatsanleihen im Vergleich zu gewerblichen Immobilienkrediten und Unternehmenskrediten deutlich geringer. Spanien steckt in einer Rezession, die Gefahr von Firmenpleiten steigt und damit das Risiko, dass Kredite ausfallen.
Wie will die spanische Regierung die Banken retten?
Mit aller Macht – und aus eigener Kraft. Obwohl die Summe gigantisch ist, betonte Rajoy: „Es wird für die spanischen Geldhäuser keine europäische Rettungsaktion geben.“ Im besten Fall soll der spanische Bankenrettungsfonds zusätzliche Mittel am Kapitalmarkt aufnehmen. Bleiben die Renditen untragbar hoch, könnte der FROB die staatlichen Schuldtitel in die Bank einbringen, die diese dann als Garantie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen und dafür Liquidität erhalten könnte, schreibt das „Handelsblatt“: „Damit käme allerdings die EZB indirekt für das Kapitaldefizit von Bankia auf.“
Kann sich Spanien diese Rettung überhaupt leisten?
Nicht wirklich: „Das Bankia-Loch stößt das Land noch ein Schritt näher in Richtung Abgrund“, schreibt die Zeitung „El País“. Schon lange bevor das Milliardenloch bei Bankia bekannt wurde, hatte Citigroup-Chefvolkswirt William Buiter prophezeit: „Es scheint sehr wahrscheinlich, dass Spanien noch in diesem Jahr unter ein Programm der Troika schlüpfen muss.“ Auch die Commerzbank glaubt seit längerem nicht mehr, dass Spanien sein Defizit dieses Jahr wie geplant von 8,5 Prozent auf 5,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes drücken kann.
Welche Alternativen gibt es?
Spanien und andere Länder wollen, dass sich strauchelnde Banken direkt Mittel beim Euro-Rettungsfonds ESM besorgen können. Damit soll vermieden werden, dass ein ganzes Land den Fonds anzapfen muss, obwohl nur den Banken geholfen werden soll. Denn wenn ein Land Geld abruft, muss die Regierung im Gegenzug ein hartes Spar- und Reformprogramm auflegen.
Warum lehnt Madrid bisher EU-Hilfen ab?
Der Preis einer EU-Rettung dürfte für die erst seit fünf Monaten amtierende Regierung hoch sein. Das Eingeständnis, die Probleme des Landes nicht lösen zu können, wäre politisch ein Offenbarungseid.
Welche Folgen drohen, wenn Griechenland aus dem Euro austreten muss?
Sollte die Situation in Griechenland nach der Parlamentswahl am 17. Juni eskalieren – Athen also pleitegehen und möglicherweise aus dem Euroraum austreten – werden starke Turbulenzen in Sorgenländern wie Spanien, Italien oder Portugal befürchtet. Letztlich könnte sich kein Investor mehr darauf verlassen, dass nicht auch andere Länder aus dem Euroraum ausscheren. Der gesamte Währungsraum könnte ins Wanken geraten.