Madrid will nur für die Banken Geld aus dem Rettungsfonds. Die EZB hält den Leitzins unverändert - trotz Verschärfung der Schuldenkrise.
Hamburg. Nicht nur die Griechen, sondern inzwischen vor allem die Spanier strapazieren die Nerven der Euro-Retter. Denn trotz eines zusätzlichen Finanzbedarfs von 30 Milliarden bis 70 Milliarden Euro für die kriselnden Banken will das ohnehin schon am Rande des finanziellen Ruins wirtschaftende Land nicht unter den Rettungsschirm schlüpfen.
Erst wolle man die Gutachten der Prüfungsgesellschaften Roland Berger und Oliver Wyman abwarten, die die Bücher der spanischen Banken unter die Lupe nehmen, sagte Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Diese Berichte sollen in etwa zwei Wochen abgeschlossen sein. Erst danach werde die Regierung entscheiden, wie den Banken geholfen werden soll. Dabei hatteFinanzminister Cristobál Montoro bereits am Dienstag offen Probleme bei der Geldbeschaffung an den Finanzmärkten eingeräumt.
Dennoch stemmt man sich in Madrid dagegen, in einer Reihe mit Griechenland, Irland und Portugal zu stehen; außerdem will man die drastischen Sparauflagen, die mit den Hilfen aus dem Rettungsfonds EFSF verknüpft sind, vermeiden. Spanien setzt nun offenbar auf einen anderen Weg: Das Geld aus dem EFSF würde nicht an den Staat fließen, sondern direkt an den spanischen Bankenrettungsfonds. Damit wären auch die Reformauflagen der internationalen Helfer auf die Bankenbranche, die unter den Altlasten aus dem Platzen einer Immobilienblase vor einigen Jahren leidet, begrenzt. Spanien wäre das erste Land, das den Euro-Rettungsschirm nur für die Banken in Anspruch nimmt.
"Eine solche Variante ist zwar theoretisch vorgesehen, praktisch wird dieser Weg aber nicht gangbar sein", sagte der Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil dem Abendblatt. Denn die Investoren würden eine derartige "kleine Lösung" nicht akzeptieren: "Spanien wäre sofort vollständig vom Kapitalmarkt abgeschnitten." Nach Auffassung von Weil ist es vor allem "nationaler Stolz", der die Spanier davon abhält, Geld aus dem EFSF für das Land zu beantragen. Doch tatsächlich hätten die am Markt verlangten Zinsen auf spanische Staatsanleihen schon das Niveau überschritten, an dem sich Madrid noch eigenständig finanzieren könne: "Selbst der Finanzminister hat das erkannt und die weiße Fahne gehisst."
+++ Banken könnten den "kleinen Rettungsschirm" nutzen +++
Auch die Bundesregierung lehnt offenbar eine Ausnahmebehandlung Spaniens ab. "Die Prinzipien sind klar: Der Antrag muss von einer Regierung gestellt werden, diese Regierung haftet, und sie nimmt Auflagen für die Gewährleistung von Hilfe in Kauf", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Ungeachtet der wieder neu aufgeflammten Schuldenkrise hielt die Europäische Zentralbank gestern bei ihrer turnusmäßigen Zinssitzung das Pulver trocken: Der Leitzins bleibt unverändert bei 1,0 Prozent. Einige Ratsmitglieder hätten allerdings auf eine weitere Absenkung gedrängt, sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Die Aussichten für die Wirtschaft in der Euro-Zone haben sich nach seinen Angaben zuletzt noch stärker eingetrübt: "Die erhöhte Unsicherheit belastet Vertrauen und Stimmung, was das Abwärtsrisiko für die Konjunkturaussichten erhöht."
Für die 17 Länder der Währungsunion rechnet die Notenbank in diesem Jahr bestenfalls mit einem Wachstum von 0,3 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt könne jedoch auch um bis zu 0,5 Prozent schrumpfen.
"Eine Leitzinssenkung würde derzeit aber schnell verpuffen", sagte Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann. "Die EZB will sich eine Zinssenkung als letzten Schuss aufsparen, falls der Euro Zerfallserscheinungen zeigen sollte."
+++ Leitartikel: Spanien braucht Siege +++
Auch die EU-Kommission beschäftigte sich gestern mit Maßnahmen gegen Turbulenzen an den Finanzmärkten. So will Binnenmarktkommissar Michel Barnier die Gefahr durch Bankenpleiten eindämmen und die Steuerzahler vor milliardenschweren Rettungspaketen bewahren. Gemäß einem von Barnier präsentierten Richtlinienentwurf sollen alle EU-Staaten bis 2014 eigene Abwicklungsfonds schaffen, die von den Banken selbst finanziert werden. Barnier sprach von einem "bedeutenden Schritt zu einer Banken-Union", der die Finanzbranche zu mehr Verantwortung zwinge. Der Vorschlag bleibt allerdings hinter Visionen des Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso und des EZB-Chefs Draghi zurück. Beide wollen einen europäischen Bankenrettungsfonds aus einem Guss aufbauen - was die Bundesregierung aber ablehnt, weil deutsche Banken dann für insolvente Konkurrenten im Ausland einspringen müssten.
Unterdessen stufte die Rating-Agentur Moody's sechs deutsche und drei österreichische Banken wegen der wachsenden Risiken durch die Schuldenkrise herab. Unter den deutschen Finanzhäusern waren die Commerzbank, die Landesbanken LBBW, Helaba und Nord/LB, der Fondsanbieter Deka, die DZ Bank sowie die HypoVereinsbank betroffen. Das Urteil über die Deutsche Bank soll spätestens bis Monatsende vorliegen.
Ohnehin sind die Investoren an den Finanzmärkten derzeit zum Warten gezwungen, wenn es um den weiteren Verlauf der Schuldenkrise geht: bei den Parlamentswahlen in Griechenland am 17. Juni fällt eine Vorentscheidung über den Verbleib des Landes in der Währungsunion. Es folgt am 28. und 29. Juni das EU-Gipfeltreffen, das einen Ausweg aus der Krise zeigen soll.