Schlechte Nachrichten für die deutsche Exportnation: In den USA, China und anderen Schwellenländern ist die Konjunktur rückläufig.

Berlin. Bislang schien die d eutsche Wirtschaft die Finanzkrise im Euroraum und die weltweiten Konjunktursorgen ignorieren zu können – doch das könnte sich ändern. Wichtige Konjunkturbarometer signalisieren eine merkliche Abkühlung der Weltwirtschaft. Es knirscht so laut wie seit dem Finanzkrisen-Jahr 2009 nicht mehr. Selbst in boomenden Schwellenländern wie China , Indien und Brasilien läuft es nicht mehr rund. Für die Exportnation Deutschland sind das schlechte Nachrichten. Sie droht in den Abwärtsstrudel zu geraten. Ein Überblick über Lage und Aussichten wichtiger Handelspartner:

USA:

Schon im ersten Quartal ging der weltgrößten Volkswirtschaft die Puste aus: Sie wuchs nur noch um 1,9 Prozent, nachdem es Ende 2011 noch drei Prozent waren. Für das Frühjahr deutet sich eine erneute Abschwächung ab: Im Mai wurden nur noch 69.000 Stellen geschaffen – so wenige wie seit einem Jahr nicht mehr. Die Arbeitslosenquote stieg auf 8,2 Prozent. Damit droht der private Konsum als Konjunkturmotor auszufallen. Etwa 70 Prozent der Wirtschaftsleistung der USA hängen von den Konsumausgaben ab. Die Vereinigten Staaten gehören zu den Top-Kunden des Export-Vizeweltmeisters Deutschland.

China:

Auch in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt mehren sich die Anzeichen für eine spürbare Konjunkturabkühlung. Der Einkaufsmanager-Index für große Industrieunternehmen fiel im Mai überraschend auf ein Jahrestief. Der Exportweltmeister leidet unter der Krise in der EU, seinem wichtigsten Absatzmarkt. Noch schlechter steht es um Chinas mittelständische Industrie. Deren Einkaufsmanager-Index signalisiert bereits seit sieben Monaten schrumpfende Geschäfte. Für das Gesamtjahr sagen Ökonomen ein Wirtschaftswachstum von 8,2 Prozent voraus. Das wäre der schwächste Anstieg seit 1999. Für zahlreiche deutsche Unternehmen ist China inzwischen der wichtigste Kunde, etwa für Volkswagen und Porsche.

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Euro-Zone:

Das größte Sorgenkind der Weltwirtschaft ist die Währungsunion, deren Fortbestand wegen der Krise in Griechenland und anderen Ländern infrage gestellt wird. Wirtschaftlich liegt die Euro-Zone am Boden. Italien und Spanien stecken in der Rezession, von Griechenland ganz zu schweigen. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie zuvor. 17,4 Millionen Menschen sind derzeit ohne Job, was einer Arbeitslosenquote von elf Prozent entspricht. Rasche Besserung ist nicht in Sicht, weil die Industrie der Euro-Länder immer tiefer in die Krise schlittert: Ihre Einkaufsmanagerindex fiel im Mai auf den schlechtesten Wert seit Mitte 2009. Die EU-Kommission befürchtet, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,3 Prozent fallen wird. Knapp 40 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen in die Währungsunion.

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Russland:

Einer der am schnellsten wachsenden deutschen Auslandsmärkte gerät durch den Verfall der Rohstoffpreise unter Druck. Der Preis für Öl – dem wichtigsten Exportschlager Russlands – fiel unter die Marke von 100 Dollar je Barrel und damit auf den tiefsten Stand seit Anfang 2011. Bleibt das so, fehlen dem industriell unterentwickelten Land viele Milliarden. Der Rubel fiel deshalb auf den tiefsten Stand seit drei Jahren, was wiederum Importe merklich verteuert. Das sind schlechte Nachrichten für die deutschen Exporteure, die ihren Umsatz in Russland 2011 um fast ein Drittel steigerten.

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Brasilien:

Neben China und Indien schwächelt mit Brasilien auch das dritte große Schwellenland. Das Bruttoinlandsprodukt legte im ersten Quartal mit 0,2 Prozent zum Vorquartal nur halb so stark zu wie erwartet. Ökonomen gehen davon aus, dass die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt 2012 erneut um weniger als drei Prozent wachsen wird. Zum Vergleich: 2010 waren es noch 7,5 Prozent. Dem Land zu schaffen machen die noch immer miserable Infrastruktur, eine überbewertete Währung und schlecht ausgebildete, aber vergleichsweise teure Arbeitskräfte.

Indien:

Das aufstrebende Schwellenland ist im ersten Quartal so langsam gewachsen wie seit neun Jahren nicht mehr. Von Januar bis März legte das Bruttoinlandsprodukt lediglich um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. In den Jahren vor der Finanzkrise hatte Indien noch mit Wachstumsraten von mehr als neun Prozent geglänzt und sich ein Wettrennen mit China um das am schnellsten aufholende Schwellenland geliefert. Sorge bereitet vor allem das Verarbeitende Gewerbe, das sogar um 0,3 Prozent schrumpfte. Der Industrie macht die schwache Währung zu schaffen, die Importe verteuert. Die Zentralbank versucht, die Inflation mit hohen Zinsen zu dämpfen. Dadurch werden aber auch Kredite teurer, was Investitionen und Konsum belastet. (Reuters/abendblatt.de)