Hamburg. Wie es dem früheren Stürmer des FC St. Pauli endlich gelungen ist, sein Potenzial auszuschöpfen und was ihm bevorsteht.
Als Johannes Eggestein im Sommer 2022 zum FC St. Pauli wechselte, schrieb eine Hamburger Zeitung, der Kiezclub habe einen „Null-Tore-Stürmer“ verpflichtet. Wenngleich inhaltlich angesichts der Vorleistungen der Saison 2021/22 korrekt, ärgerte sich Eggestein zu Recht darüber.
Seinem damaligen Mannschaftskameraden und kommenden Gegner Igor Matanovic stand dessen Null-Tore-Saison da gerade erst bevor. Es war eine lange Leidenszeit. Eine richtig lange. So lange, dass der 21-Jährige bereit war, ganz kleine Brötchen zu backen.
Ex-St.-Pauli-Stürmer Matanovic hat beim KSC den Durchbruch geschafft
„Hätte mir vor der Saison jemand gesagt, dass ich zu diesem Zeitpunkt elf Tore auf dem Konto habe, hätte ich das niemals geglaubt. Ich wäre nach den Vorleistungen mit viel, viel weniger zufrieden gewesen“, sagt er heute, da wieder alles in Ordnung ist. Oder besser gesagt: endlich alles in Ordnung.
Der Durchbruch war Matanovic mehrfach vorhergesagt worden. Nach seinem ersten Treffer am 16. Januar 2021 als jüngster Profitorschütze in der Geschichte des FC St. Pauli. Vor besagter Saison 2022/23, als er zu Beginn mit Eggestein im Angriff gesetzt war.
Karlsruher Angreifer: „Habe Anlaufzeit gebraucht"
Nach seinem Wechsel im vergangenen Sommer zu Bundesligist Eintracht Frankfurt. Spätestens nach der Leihe zum Karlsruher SC, der den Kiezclub am Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) empfängt. Und dann: Hatte die Erwartungskurve an den gebürtigen Harburger ihren Zenit überschritten. Alle Hoffnung vergebens?
„Ich habe auch in Karlsruhe Anlaufzeit gebraucht, bis ich länger gespielt habe“, sagt Matanovic, ein überaus sympathischer und reifer junger Mann. Sieben Spiele blieb der Deutsch-Kroate auch im Badnerland ein Null-Tore-Stürmer, dann traf er erst gegen den FC Schalke 04, eine Partie später gegen St. Pauli.
Die Gründe für den geplatzten Knoten bei Matanovic
Als Wiedergutmachung dafür schnürte er Ende Januar seinen ersten Doppelpack im Volksparkstadion gegen den HSV. „Mittlerweile würde ich sagen, dass der Knoten geplatzt ist“, glaubt Matanovic.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Der 1,94-Meter-Sturmtank spürt das Vertrauen, das der KSC in ihn setzt. Von den Verantwortlichen: „Es gehört viel dazu, einen Angreifer auszuleihen, der in der Vorsaison null Tore geschossen hat.“
St. Paulis Trainer Hürzeler überrascht der Leistungssprung nicht
Wie von den Mitspielern: „Sie wissen, was meine Idee ist, und ich kenne ihre, wir verstehen uns blind.“ Aber auch der erstmalige Wechsel heraus aus seiner Heimatstadt habe dem Familienmenschen allem Heimweh zum Trotz gutgetan. „Ich bin dadurch im Leben selbstständiger geworden“, sagt er.
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Für St. Paulis Cheftrainer Fabian Hürzeler (31), unter dem Matanovic in der vergangenen Rückrunde insgesamt nur 28 Minuten spielte, auch weil er für zwölf Partien mit einer Schulterverletzung ausgefallen war, kommt der Leistungssprung nicht überraschend. „Schon bei uns hat man zumindest im Training gesehen, was er kann.“
Ein weiterer früherer Kiezkicker hat sich in Karlsruhe durchgesetzt
Nämlich alles. „Er schlägt clevere Haken, ist beidfüßig, hat für seine Größe eine gute Grundschnelligkeit und nun auch an seinem Körper gearbeitet“, sagt Hürzeler.
Neben Matanovic hat sich ein weiterer 21 Jahre alter Ex-Kiezkicker beim KSC festgespielt. Marcel Beifus wechselte ebenfalls im vergangenen Sommer zum heimlichen Aufstiegsaspiranten und dürfte am Sonnabend auch als Innenverteidiger in der Startelf stehen.
Hürzeler über Beifus: „Er scheißt sich nix"
In St. Pauli eher als Lückenfüller eingesetzt, scheint der gebürtige Wolfenbütteler in Karlsruhe seine Rolle inzwischen gefunden zu haben. „In Bayern würde man über ihn sagen, dass er sich nix scheißt“, sagt Hürzeler und meint damit die Unverfrorenheit des Abwehrspielers. „Er hat seine kleineren Böcke abgestellt, ist robust, gut im Kopfball und besitzt definitiv das Potenzial, sich in der Zweiten Liga zu behaupten“, sagt sein Ex-Coach.
Matanovic hat höhere Ziele als nur Liga zwei. „Der Traum jedes Jungen, der in Deutschland aufgewachsen ist, ist die Bundesliga“, sagt er. Bei Eintracht Frankfurt, „einem geilen Verein“, wird er sich diesen kommende Saison erfüllen.
Im Sommer geht es für Matanovic zu Eintracht Frankfurt
Wie sehr die Hessen an den Hamburger glauben, zeigt sich auch daran, dass Mitte März sein Vertrag vorzeitig bis zum Sommer 2029 verlängert wurde. „Das hat einen großen Motivationsschub gegeben“, sagt Matanovic.
Für die Bundesliga fühlt er sich bereit – abermals dank des Karlsruher SC: „Die Mannschaft ist ein großer Gewinn, wir haben extrem viel Spaß im Training, zum Trainerteam verbindet uns eine professionelle Freundschaft. Ich bin hier deutlich gereift, was den Erwachsenen-Fußball angeht. Manchmal bin ich immer noch zu zärtlich, aber es braucht auch einige Jahre zum Ankommen.“
Beim KSC ist der Glaube an den Aufstieg in die Bundesliga da
Dass auch die Karlsruher selbst noch gemeinsam mit St. Pauli in Liga eins ankommen, ist nach der bislang herausragenden Rückrunde trotz sieben Punkten Rückstand auf Relegationsplatz drei nicht ausgeschlossen. Matanovic antwortet auf die Aufstiegsfrage zwar diplomatisch, dass „auf jeden Fall noch einiges möglich“ sei. Intern ist aber allen bewusst: die Tore zur Relegation stehen offen – wenn gegen die Kiezkicker, „die einen wahnsinnig guten Fußball spielen, im schwierigsten Spiel der Saison“ (Matanovic) ein Sieg herausspringt.
Aber auch der Rivale ist gewarnt. Für Hürzeler steht fest: „Wir können Igor nur als Team stoppen.“ Schließlich ist Matanovic längst kein Null-Tore-Stürmer mehr, sondern ein Durchstarter.