Hamburg. 17-Jähriger schreibt mit seinem Siegtreffer in Hannover Geschichte. Bei Matanovic handelte und handelt der Kiezclub vorausschauend.
Als die geschlagenen Hannoveraner längst vom Rasen getrottet waren, tummelten sich Spieler, Trainer, Sportchef und Physiotherapeuten des FC St. Pauli noch auf dem Rasen der HDI-Arena. Fast schien es, als wollten sie den Ort des Erfolges gar nicht mehr verlassen. Sogar aus sicherer Entfernung war zu spüren, wie sie alle von dem gerade Erlebten euphorisiert und erleichtert waren. Alle herzten vor allem den Siegtorschützen Igor Matanovic, der in der zweiten Minute der Nachspielzeit und damit nur sechs Minuten nach seiner Einwechslung das entscheidende Tor erzielte hatte. „Meine Emotionen gehen rauf und runter, mein ganzer Körper zittert“, sagte der erst 17 Jahre junge Stürmer.
Ein scharfes, flaches Zuspiel von Leart Paqarada von links erreichte er mit seinem rechten, weit ausgestreckten Fuß und lenkte den Ball an den Innenpfosten und ins Netz. Auf Knien feierte er mit Paqarada den Treffer für Sekunden allein, ehe alle anderen Spieler auf die beiden zustürmten. „Vom Tor bis jetzt weiß ich überhaupt nicht, was ich denken soll. Es ist einfach nur wunderbar“, sagte Matanovic bei Sky in seinem ersten Fernsehinterview.
St. Pauli: Matanovic löst Hoilett ab
Auf jeden Fall beendete das Tor von Matanovic und der damit verbundene Erfolg gleich zwei Negativserien der St. Paulianer. Nach 13 sieglosen Punktspielen in Folge, die den Absturz vom dritten auf den 17. Platz zur Folge hatten, gab es erstmals wieder drei Punkte. Zudem war es St. Paulis erster Zweitligaerfolg außerhalb Hamburgs nach ewig erscheinenden 686 Tagen. Am 2. März 2019 war ein 1:0 beim SC Paderborn gelungen.
Noch viel länger könnte Igor Matanovic nun aber Inhaber eines Vereinsrekordes bleiben. Mit 17 Jahren, drei Monaten und 16 Tagen ist der Hamburger der jüngste Torschütze in der ersten Mannschaft des FC St. Pauli. Er löste damit den Kanadier David Hoilett ab, der im September 2008 bei seinem Treffer gegen Kaiserslautern 18 Jahre, drei Monate und sieben Tage jung war.
Matanovic erhält Lob von einem Routinier
Auf die Frage, was er Matanovic mit auf den Weg gegeben habe, als er ihn einwechselte, hatte St. Paulis Trainer Timo Schultz eine ganz banale Antwort parat: „Dass er ein Tor schießen soll, habe ich gesagt. Wie man das eben so macht, wenn man einen Stürmer einwechselt.“ Gleichzeitig sollte das Talent aber angesichts seiner Körpergröße von 1,94 Meter und seiner Kopfballstärke auch bei gegnerischen Ecken und Freistößen in der Defensive mithelfen. „Man sieht es im Training, wo er auch zeigt, dass er torgefährlich ist. Er ist ein guter junger Spieler und arbeitet für die Mannschaft“, lobte ihn der international erfahrene Stürmer Guido Burgstaller.
Bereits vor zehneinhalb Jahren war der Sohn kroatischer Eltern von seinem Heimatverein Harburger TB zum FC St. Pauli gewechselt. Sein außerordentliches fußballerisches Talent war schon früh nicht zu übersehen. Dazu kommt bei ihm aber auch der Wille, sich immer weiter zu verbessern.
St. Pauli handelte bei Matanovic vorausschauend
Auch deshalb hat Trainer Schultz jetzt nach dem historischen Tor von Hannover keine Sorge, sein Schützling könne mit diesem Erfolgserlebnis nicht umgehen. „Ich weiß, dass der Junge mit beiden Beinen komplett auf dem Boden ist. Er hat sein Herz am rechten Fleck. Wir müssen uns keine Gedanken machen, dass er abhebt oder jetzt weniger macht. Er wird weiter gierig sein“, sagte Schultz, der den physisch starken Matanovic schon als 16-Jährigen in die U-19-Mannschaft hochgezogen hatte.
Bereits im März 2019 hatte der FC St. Pauli den damals gerade noch 15 Jahre jungen Matanovic vorausschauend mit einem Profivertrag ausgestattet, der erst im Sommer dieses Jahres beginnt und bis Mitte 2023 läuft. „Alle, die in unserem Nachwuchsleistungszentrum mitarbeiten, haben ihren Anteil daran, dass er jetzt dieses Erlebnis hat. Dazu zähle ich zum Beispiel auch den Koch und den Fahrer“, sagte Schultz.
St. Pauli: Schultz vermeidet "falsches Signal"
Bei aller Freude über Matanovic und das Ende der beiden Negativserien darf nicht übersehen werden, dass St. Pauli in Hannover trotz der 2:0-Führung auch leicht hätte verlieren können. Nach dem Doppelpack von Genki Haraguchi zum 2:2 hatte Hannover Chancen zur Führung. „Wir sind geschwommen und konnten froh sein, dass es beim 2:2 geblieben ist“, sagte Schultz und dachte dabei auch an die Szene kurz vor Schluss, als Torwart Dejan Stojanovic im Strafraum Stürmer Hendrik Weydandt berührte. Schiedsrichter Sören Storks ließ weiterspielen und wurde auch von Videoschiedsrichter Rene Rohde nicht korrigiert.
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„Heute hatten wir da auch mal das Glück, das uns in den letzten Wochen nicht hold war“, sagte Schultz dazu, der seinen Spielern nur für Sonntag frei gab. „Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Es wäre das falsche Signal, jetzt mit freien Tagen um sich zu werfen“, sagte er vor der Rückfahrt.
Die Statistik:
- Hannover 96: Esser – Muroya, Franke, Hübers, Hult – Bijol – Kaiser (86. Twumasi), Haraguchi (89. Elez) – Schindler (33. Weydandt), Sulejmani (33. Muslija) – Ducksch
- FC St. Pauli: Stojanovic – Ohlsson, Ziereis, Buballa, Paqarada – Benatelli – Becker (59. Flach), Zalazar (72. Dzwigala) – Kyereh – Marmoush (86. Dittgen), Burgstaller (86. Matanovic). Schiedsrichter: Sören Storks (Velen)
- Tore: 0:1 Zalazar (2.), 0:2 Burgstaller (10.), 1:2 Haraguchi (53.), 2:2 Haraguchi (55.), 2:3 Matanovic (90.+2)
- Zuschauer: keine
- Gelb-Rote Karten: Bijol (87.). Gelbe Karten: Sulejmani (2), Ducksch (4), Franke (5), Hübers (3) - Becker (3)
- Torschüsse: 16:14
- Ecken: 6:3
- Ballbesitz: 52:48 Prozent
- Zweikämpfe: 129:125