Hamburg. Der 19-Jährige wechselt zu Eintracht Frankfurt. Wie er jetzt noch zum großen Gewinner der Stürmerfrage beim FC St. Pauli werden kann.
Bei seinem letzten Mal hatte Igor Matanovic sein erstes Mal. „Ich war noch nie in den Bergen und genieße das Panorama sehr“, sagt der 19-Jährige, während er den Blick vom Balkon des Hotels „Bad Fallenbach“ übers Passeiertal schweifen lässt, wo der FC St. Pauli sein Trainingslager bezogen hat. Es dürfte nicht der letzte Gipfelsturm des Angreifers sein.
Aber der letzte in Diensten des Clubs, zu dem er als Siebenjähriger gestoßen war, in einer Saison voller letzter Male. Der letzte Trainingsauftakt. Nun das letzte Trainingslager. Bald das letzte erste Saisonspiel. In einem Jahr wird Matanovic für Eintracht Frankfurt spielen. Der Europa-League-Gewinner hatte sich 2021 die Transferrechte des Deutsch-Kroaten gesichert und ihn direkt wieder – für zwei letzte Saisons – an St. Pauli ausgeliehen.
FC St. Pauli: Matanovic hat hohe Erwartungen
Mit der Eintracht beschäftigt sich Matanovic, abgesehen von gelegentlichen Telefonaten mit Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche, noch nicht. Auch mit dem ehemaliger HSVer Faride Alidou gab es lediglich einmaligen SMS-Kontakt – da der Neu-Frankfurter glaubte, Matanovic wechsele schon in diesem Sommer gemeinsam mit ihm zu den Hessen. Doch der kroatische U-21-Nationalspieler arbeitet stattdessen fokussiert daran, dass es ein weiteres letztes Mal bereits gegeben haben soll: das letzte Mal Ersatzbank.
Nach dem letzten Mal Guido Burgstaller und nahezu sämtlicher weiterer Angreifer deutet einiges darauf hin, dass Matanovic den Platz im Sturmzentrum für sich beanspruchen kann. Und das nicht erst seit seinem spektakulären Doppelpack auf Schalke am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison. „Die Erwartungen sind gestiegen, aber in erster Linie von mir von selbst. Das ist okay, wer im Fußball mit wachsendem Druck nicht klar- kommt, wird es schwierig haben. Ich sage aber auch nicht, jetzt ist der Burgi weg, hier komme ich“, ordnet der Teenager die Situation ein.
Matanovic motiviert an Schwächen zu arbeiten
Dass mit Johannes Eggestein ein Stürmer verpflichtet wurde, der sich, genau wie Etienne Amenyido, gern an den äußeren Rändern des Strafraums aufhält, kommt dem klassischen Mittelstürmer Matanovic entgegen. Ebenso die Planungen von Trainer Timo Schultz, seine Außenverteidiger höher spielen zu lassen. Leart Paqarada von links und Neuzugang Manos Saliakas auf rechts können den 1,95-Meter-Jungen so mit scharfen Flanken bedienen.
Aber dafür ist ein erstes Mal nötig: das erste Kopfballtor im Profibereich. „Bei meiner Größe muss das zur Waffe werden“, so Matanovic, der infolge eines Sturzes bei der U 21 momentan mit einer Schultermanschette spielt. Im Training arbeite er viel an seiner Schwäche, „vieles kommt aber mit den Wiederholungen und Spielen“, ist Matanovic überzeugt. Auch ruhiger bei der Entscheidungsfindung zu werden, sei wichtig. Eine große Hilfe seien die kognitiv fordernden Übungen, die meist die Co-Trainer Loic Favé und Fabian Hürzeler ansetzen. „Das ist sehr intensiv für den Kopf, manchmal zu intensiv.“
Matanovic raubt Hürzeler die Stimme
Wie zum Beispiel bei der Übung zum Angriffspressing am Montagvormittag. „Da habe ich eine Regel nicht richtig verstanden“, so Matanovic, der dafür sorgte, dass es unmöglich war, eine Stimme von Hürzeler für diesen Artikel zu bekommen – da dieser seine Stimme nach schallenden „Igor, Igor“-Schreien verloren hatte. Auf Hürzelers Stimme müssen die Profis sowieso bis mindestens Mittwochabend verzichten, da der 29-Jährige im Rahmen seiner Fußballlehrer-Ausbildung am Montagmittag von Innsbruck nach Manchester jettete, um dort ein weiteres Modul zu absolvieren.
Manchester, das erste Mal Champions League – auch ein Ziel für Matanovic. „Das Größte“ aber wäre, „für Kroatien bei der WM zu spielen“. Mit seinem Wechsel vom deutschen zum kroatischen Verband hat sich der Cristiano-Ronaldo-Fan schwer getan. „Ich habe viele Wochen gebraucht. Beide Länder bedeuten mir sehr viel, ich liebe Deutschland“, so Matanovic. Den Ausschlag haben aber, neben den besseren Chancen, in Kroatiens A-Kader aufzurücken, die Heimatgefühle gegeben.
„Meine schönste Zeit hatte ich im Urlaub mit meiner Familie, wenn wir zwischen unseren Großeltern bei Zagreb hin- und hergependelt sind.“ Zudem habe sich der kroatische Verband sehr um ihn bemüht, ihm nach dem Wechsel ein Trikot mit seinem Namen überreicht. „Das hat mir viel bedeutet“, sagt Matanovic, der sich sehr wohl darüber im Klaren ist, wie weit der Weg ist: „Um bei der WM zu spielen, musst du brutal sein, körperlich absolut fit. Die Spieler laufen wie Maschinen. Da sieht man auch, wo es bei mir noch fehlt.“
Bis sich sein Traum erfüllt, wird es viele erste und letzte Male geben. Eines wäre Matanovic ganz besonders wichtig: der letzte Aufstieg.
Bei den Trainingseinheiten am Montag haben Luca Zander, Connor Metcalfe, Etienne Amenyido und David Nemeth nur individuell gearbeitet. Jackson Irvine und Adam Dzwigala trainierten am Nachmittag wieder voll mit.Präsident Oke Göttlich hat bestätigt, dass der St. Pauli bei der Nutzung des Millerntor-Stadions zur EM 2024 mitbestimmt, wer dort trainieren kann: „Beim FC St. Pauli gehört Politik ins Stadion – auch während der EM“.