Hamburg. Beim Zweitliga-Tabellenführer herrscht ein außergewöhnlicher Mannschaftsgeist. Was ein besonderer Teamcoach damit zu tun hat.

Nach dem Training am Mittwoch, einer XXL-Einheit von fast zwei Stunden, versammelte Trainer Fabian Hürzeler die Spieler des FC St. Pauli auf dem Platz zu einem Kreis und hielt eine Ansprache. „Er hat uns nochmals darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, die Intensität hochzuhalten“, erzählte Stürmer Johannes Eggestein hinterher, „dann wird es uns nicht passieren, dass wir einbrechen, sollten wir mal ein Spiel verlieren.“

Zweimal ist das erst passiert in dieser Saison, in Magdeburg und bei Schalke 04. Dazu kam ein unglückliches Aus im DFB-Pokal-Viertelfinale im Elfmeterschießen. Rückschläge, die das Team des Zweitliga-Tabellenführers aber eben nicht von seinem Erfolgsweg abhalten konnte. „Entscheidend ist, dass die Spieler stabil bleiben und bereit sind, Widerstände anzunehmen“, erklärte Hürzeler.

FC St. Pauli: Auf Ausfälle sind alle vorbereitet

Auch vor dem Spitzenspiel an diesem Sonnabend (20.30 Uhr) gibt es wieder „Widerstände“. In Eric Smith und Connor Metcalfe sind zwei Stammkräfte gelbgesperrt, Philipp Treu und Carlo Boukhalfa fallen fast sicher verletzt aus, der Einsatz von Oladapo Afolayan ist nach seiner Sprunggelenksverletzung weiterhin unsicher.

Na und? „Wenn ein Ausfall kommt, müssen wir nicht hektisch nach Lösungen suchen“, sagte Eggestein, „jeder Spieler wird beschäftigt und mitgenommen. Auch mit Videoanalysen. Jeder ist einsatzbereit, auch wenn er mal ein paar Wochen nicht gespielt hat.“

Trainer Hürzeler will „Widerstände begrüßen“

„Widerstände“ ist eines der immer wiederkehrenden Schlüsselwörter von Hürzeler. Und auch wenn es manchmal so wirkt, als flutsche es von allein, gab es diese Widerstände reichlich.

Da war zu Saisonbeginn eine frustrierende Phase von vier Unentschieden trotz Überlegenheit, erstmals am zehnten Spieltag in Paderborn (2:2) in Rückstand zu geraten, die erste Niederlage am 21. Spieltag in Magdeburg (0:1), der Fehleinkauf Simon Zoller, das lange Fehlen der australischen Nationalspieler zu Beginn der Rückrunde, die Sperren und Verletzungen jetzt. Alles wurde bislang überwunden.

Hürzeler hatte schon vor der Saison sein Credo formuliert: „Es kommt darauf an, wie schnell sich ein Team formt und es schafft, Widerstände zu begrüßen.“ Das ist offenbar exzellent gelungen.

Mannschaft führt siuch „eng verbunden“

„Wir haben eine gute Basis als Mannschaft. Wir sind gut verbunden miteinander“, sagte Eggestein. Kapitän Jackson Irvine bestätigte das: „Wir haben es immer geschafft, sehr fokussiert nur auf das nächste Spiel zu bleiben. Diese Gruppe ist sehr bei sich.“

Der bislang letzte Spieler, der den Verein verlassen musste, weil er in der Kabine für schlechte Stimmung gesorgt haben soll, war Afeez Aremu, der Ende August nach Kaiserslautern transferiert wurde.

Teamcoach Smolka ein entscheidender Zugang

Für den außergewöhnlich guten Teamgeist scheint aber auch ein eher unauffälliger Zugang im Sommer verantwortlich zu sein: Hinnerk Smolka (41).

„Ziel ist es, die Verantwortung für das Gemeinsame zu stärken. Letztlich geht es darum, das volle Leistungspotential der Mannschaft auszuschöpfen“, teilte der Club am 23. Juni mit, als der Diplom-Sportwissenschaftler als Teamcoach verpflichtet wurde. Der Mann ist übrigens ein Aufstiegsexperte: Die Basketballer der Hamburg Towers und den Eimsbütteler TV führte er in höhere Klassen.

Gespräche mit Slomka freiwillig aber wertvoll

„Wir wollen die Dynamiken innerhalb des Teams erkennen und nutzen, denn darin liegt das größte Leistungspotential im professionellen Mannschaftssport“, erläuterte Smolka bei seiner Verpflichtung. Seitdem hat er im Verborgenen gearbeitet, aber das offenbar sehr erfolgreich. „Insbesondere unter Druck und im Umgang mit Konflikten zeigt sich, wie gut ein Team wirklich ist“, sagte er im Sommer.

Mit entscheidend für diese erfolgreiche Arbeit ist sicherlich, dass die Spieler selbst entscheiden können, ob sie mit dem Teamcoach sprechen wollen. „Wir als Mannschaft entscheiden, ob wir das Gespräch brauchen oder nicht“, erzählte Eggestein: „Es wird dort ein Austausch kreiert, wie man ihn sonst vielleicht nicht findet.“

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Das ist dann auch der Rahmen, wo sich die Mannschaft untereinander die Meinung sagen kann. „So hat man eine Ebene, wo man über das Training oder Inhalte aus dem letzten Spiel spricht. Vielleicht auch Aktionen, wo man unstimmig war, einfach klärt“, berichtete Eggestein: „So ist ein guter Austausch da.“

Und es ist möglich, Konsens zu schaffen über die nächsten Schritte und Ziele. Die Spieler wissen natürlich, welche große Chance sie in dieser Saison haben, aber die Gefahren sind ihnen ebenso bewusst. „Wir müssen schauen, dass keine Lockerheit reinkommt, Dass wir sagen, wir haben es schon geschafft“, mahnt St. Paulis Nummer elf: „Karlsruhe wird mit seinem hohen Pressing eine neue Herausforderung, auch weil wir wieder den einen oder anderen Ausfall haben. Wir wollen diese Herausforderung aber gemeinsam angehen.“