Hamburg. Will man mehr über den neuen HSV-Aufsichtsratschef wissen, muss man sich auch am anderen Ende der Welt erkundigen.

Das Bulletin, das der HSV vor zwei Wochen veröffentlichte, war kurz und knapp. „Michael Papenfuß ist neuer Aufsichtsratsvorsitzender des HSV“, ließ der Club auf seiner Homepage am 27. Februar wissen.

Dazu ein paar Allgemeinheiten und ein paar wohlmeinende Sätze des neuen Kontrollchefs wie dieser hier: „Es freut mich sehr, dass wir in Abstimmung mit den Gesellschaftern und nach vielen differenzierten, internen Gesprächen einen Konsens erzielen konnten.“

Nur eine zentrale Frage wurde in dem Kommuniqué nicht beantwortet: Wer ist überhaupt dieser Michael Papenfuß?

HSV-Aufsichtsratschef Papenfuß „beste Lösung“

Eine kurze Internetrecherche liefert erstaunliche Antworten auf diese Frage. Demnach ist Michael Papenfuß ein leidenschaftlicher Kämpfer („Wir gehen auf die Barrikaden“) für den Erhalt des Hambührender Waldkindergartens, gleichzeitig ein gewissenhafter Gartenpfleger aus Viersen und auch noch ein Brennholzhändler in Salzhemmendorf.

Das Problem: Alle diese Michael Papenfüßler sind dummerweise nicht der Michael Papenfuß, der mittlerweile als Vizepräsident des HSV e.V. und als Aufsichtsratschef der HSV AG einer der wichtigsten und mächtigsten HSV-Entscheider ist. Wer mehr über diesen Michael Papenfuß wissen will, sollte sich nicht bei Google erkundigen, sondern muss sich auf Spurensuche an das andere Ende der Welt begeben.

In Neuseeland, zwölf Zeitzonen von Hamburg entfernt, gibt Jens Meier eine sehr beruhigende Antwort auf die Wer-ist-eigentlich-dieser-Papenfuß-Frage: „Er ist die beste Lösung, die dem HSV passieren konnte.“

Der frühere Präsident und Aufsichtsratschef des HSV, der gerade mit der ganzen Familie seine in Wellington studierende Tochter besucht, kennt Papenfuß so gut wie kaum ein anderer beim HSV e.V. Papenfuß war es, der Meier einst zur Mitgliedschaft im Rotary Club überredete – und Meier sicherte sich die Zusage zu, dass sich der Banker dafür nach seinem Ruhestand verstärkt beim HSV engagiert.

Papenfuß „ein Riesengeschenk für den HSV“

2017 war es so weit. Nach einer langen Karriere bei der Bayerischen Vereinsbank (Kreditabteilung), der Vereins- und Westbank (Abteilungsleiter) sowie der Hypo Vereinsbank und der Schwäbischen Bank (Vorstand), ließ sich Papenfuß mit 62 Jahren pensionieren – und erinnerte sich an sein HSV-Versprechen. Meier machte Papenfuß zum „wahrscheinlich günstigsten Geschäftsführer, den der HSV e.V. je hatte“ und nahm sich mit dem versierten Zahlenmensch der Steuerproblematik und der schwierigen Betriebsprüfung des e.V. an.

Ein Gehalt wollte Papenfuß nicht. „Wir mussten ihm quasi eine Aufwandsentschädigung aufzwingen“, erinnert sich Meier, der mit Papenfuß auch Kumar Tschana ins Boot holte. „Michael wusste, dass er das Geschäftsführeramt nicht zu lange machen wollte, deswegen hat er bereits früh nach einem adäquaten Nachfolger gesucht“, sagt Hamburgs Hafenchef am anderen Ende der Welt.

Diese adäquate Nachfolgelösung macht keinen Hehl daraus, was Papenfuß bedeutet. „Er ist so eine Art Mentor für mich“, sagt Tschana, der Papenfuß als Geschäftsführer beim HSV e.V. folgte, nachdem er auf dessen Empfehlung ein Managerstudium in St. Gallen absolvierte. „Michael erzählt gerne, dass er mich quasi ausgebildet hat – und das stimmt auch. Er vergisst aber gerne, dass auch ich ihn eingearbeitet habe in den Verein“, sagt Tschana dem Abendblatt. „Michael ist ein Riesengeschenk für den HSV.“

Es geht auch um Jansen: Was Papenfuß beim HSV bewegte

Im e.V. sehen sie das fast alle so, in der AG ist die Skepsis dagegen etwas größer. Anerkennung erhält Papenfuß aber dafür, dass er den zuletzt kaum auflösbaren Marcell-Jansen-Knoten lockern konnte. Papenfuß war es, gemeinsam mit Vizepräsident Bernd Wehmeyer, der Jansen dazu bewegte, nicht am umstrittenen Aufsichtsrat Detlef Dinsel festzuhalten.

Er war es auch, der nach langer Nibelungentreue zum noch umstritteneren Vorstand Thomas Wüstefeld auf Distanz ging. Und Papenfuß soll es schließlich auch gewesen sein, der Jansen zum Rücktritt als Aufsichtsratschef bewegte – was die Aktionäre seit Monaten gefordert hatten.

HSV-Vorstand sieht Papenfuß auch kritisch

Kritiker (und auch er selbst) werfen dem neuen Kontrollchef aber vor, dass er in der Abwägung Loyalität zu Jansen zur Loyalität dem HSV gegenüber zu lange Jansen gewählt hatte. Das Chaos im vergangenen Jahr mit den unglücklich agierenden Entscheidern Wüstefeld und Jansen hätte Papenfuß, dem auch ein Hang zur Eitelkeit nachgesagt wird, deutlich früher beenden können.

Als die HSV-Vorstände Jonas Boldt und Eric Huwer kürzlich Wüstefeld via Abendblatt zur unerwünschten Person im Volkspark erklärten, fehlte dem einen oder anderen aus der AG die Rückendeckung aus dem e.V.-Präsidium.

Doch vielleicht ist es auch genau das, was der HSV gerade braucht. „Michael kann sehr diplomatisch sein“, sagt Kumar Tschana. Ein persönliches Gespräch mit Lena Schrum, die Marcell Jansen nicht mehr im Aufsichtsrat wollte, ist längst terminiert.

Papenfuß will Rechtsform beim HSV ändern

Papenfuß sei einer, sagen die, die ihn kennen und schätzen, der einfach nie nein sagen könnte. Auch nicht am Montag, als Papenfuß trotz einer Erkältung morgens zu einer Beiratssitzung beim Bankhaus C.L. Seeliger nach Wolfenbüttel fuhr und sich am Dienstag mit der Arbeitsgruppe Rechtsformänderung traf.

„Die Rechtsformänderung ist sein Baby“, sagt Meier, der sich nicht nur im Rotary Club regelmäßig mit Papenfuß trifft. Beide sind auch Gründungsmitglieder des sogenannten Impulsgebergremiums, das sich meist im stillen Kämmerlein und immer im Sinne des HSV trifft.

Auch Nachwuchschef Horst Hrubesch und Jansen gehören dazu, OMR-Gründer Philipp Westermeyer, Miniatur-Wunderland-Geschäftsführer Frederik Braun und Google-Managerin Marianne Stroehmann. Gerade hat sich die illustre Runde auf der neuen HSV-Anlage in Stapelfeld getroffen.

HSV: Das sind Papenfuß’ Vertraute

Doch obwohl auch Papenfuß Meier und Hrubesch sehr schätzt, waren in seiner eigenen HSV-Biografie andere HSVer wichtiger. Und zwar keine geringere als Uwe und Udo, also Vereinslegende Uwe Seeler und Udo Bandow, der Grandseigneur des Aufsichtsrats. Seeler war es, der durch sein Tor in Schweden 1965 zur WM-Qualifikation aus dem elf Jahre jungen Gladbach-Anhänger einen leidenschaftlichen HSV-Fan machte. Seeler war auch lebenslanges Mitglied Nummer eins, Papenfuß-Enkel Michel Nummer zwei.

Doch noch wichtiger als Uwes Tor zur WM 1966 war für Papenfuß ein Machtwort Bandows. 1997, als Papenfuß ein Angebot aus München hatte, wollte der Chef der Hypo Vereinsbank ihn nicht ziehen lassen. Papenfuß gehorchte – und darf Bandow bis heute zu seinen Vertrauten zählen. Der frühere Chefkontrolleur war es auch, der als einer der ersten mit einem Brief gratulierte, als Papenfuß nun selbst Aufsichtsratschef wurde.

Ohnehin schätzt Papenfuß ganz altmodisch Papier. Er habe noch nie jemanden getroffen, der mit so einer Akribie Leitz-Ordner abheftet, sagt Meier im fernen Neuseeland. Bis auf den Millimeter genau, keine Eselsohren. Läuft nun bis Saisonende alles nach Plan, will Papenfuß einen dieser viel zu vollen Ordner mit all den Bulletins im Sommer gerne ein für alle Mal schließen. „Die Akte Zweite Liga“.