Hamburg/Harsewinkel. Ex-HSV-Chef Heribert Bruchhagen spricht über über Kittel, Kühne, den möglichen Aufstieg und anschließende Probleme.

Am späten Sonntagabend ging es noch einmal hoch her – im doppelten Sinne. Heribert Bruchhagen war im Flieger von München nach Münster über den Wolken, als er mit dem Sky-Moderator Hansi Küpper ins Gespräch kam. Das Thema: der HSV.

Küpper hatte am Mittag aus dem Sky-Studio in Unterföhring den 4:2-Sieg des HSV gegen Braunschweig kommentiert, Bruchhagen hatte nach seinem Experteneinsatz am Vorabend beim Top-Spiel der Bayern gegen Frankfurt (1:1) die HSV-Partie im Hilton-Hotel am Flughafen auf seinem iPad verfolgt. Sein Fazit: „Der HSV wird aufsteigen, da bin ich mir sicher.“

Ein paar Stunden nach der ebenso sicheren Landung in Münster sitzt der frühere HSV-Vorstand in seinem Haus in Harsewinkel, ist dank der technischen Hilfe von Ehefrau Angelika mit dem Abendblatt über Zoom verbunden und spaziert ein gutes Stündchen über die verschiedenen Themen rund um seinen Ex-Club, dem er sich noch immer verbunden fühlt.

Sonny Kittel – Bruchhagen freut sich für HSV

Besonders mit Vizepräsident Bernd Wehmeyer habe er noch immer regelmäßigen Kontakt, aber auch Sportvorstand Jonas Boldt habe er erst kürzlich auf den DFL-Neujahrsempfang getroffen. Und mit Sonny Kittel gibt es dann ja noch ein Hamburger, mit dem der 74-Jährige ein ganz besonderes Verhältnis pflegt.

Bruchhagen war es, der mit der Familie Kittel den ersten Profivertrag für den damals gerade einmal 17-jährigen Sonny aushandelte. „Ich kenne die familiäre Geschichte des 15-, 16-, 17-jährigen Sonny Kittel sehr genau. Er hat schon als junger Bursche große Verantwortung für seine Familie getragen“, sagt Bruchhagen, der sich aber irgendwie freut, dass sein früherer Ziehsohn nun doch nicht in die Wüste nach Saudi-Arabien gewechselt ist.

„Aus sportlicher Sicht ist es auf jeden Fall richtig, ihn zu behalten. Er ist ein variabler Spieler, auf mehreren Positionen einsetzbar. Der HSV wird Sonny noch sehr brauchen“, ist sich der frühere Clubchef sicher.

Bruchhagen prophezeit HSV nach Aufstieg Probleme

Ohne Kittel, aber mit Top-Stürmer Robert Glatzel hatte der HSV am Vortag Eintracht Braunschweig besiegt und Bruchhagen regelrecht ins Schwärmen versetzt. „Die Art und Weise, wie Glatzel das 1:0 gemacht hat, das war schon beeindruckend“, sagt der Hobbygolfer, der fest davon überzeugt ist, dass Darmstadt, Heidenheim und der HSV die ersten drei Tabellenplätze unter sich ausmachen: „Und ich sehe den HSV als Favoriten.“

Grund für übertriebene HSV-Euphorie gibt es aus Bruchhagens Sicht trotz des gelungenen Rückrundenstarts allerdings nicht. Denn die Probleme fingen aus seiner Sicht erst nach einem möglichen Aufstieg an. „Wie schwer es Aufsteiger in der Bundesliga mittlerweile haben, kann man sehr gut am Beispiel von Schalke sehen. Es wird immer härter, sich im Konzert der Großen zu etablieren.“

Optimistisch mache ihn, dass der HSV endlich auch versuche, einen kontinuierlichen Weg weiterzugehen. Wohlwollend habe er die Vertragsverlängerungen von Sportvorstand Boldt und von Trainer Tim Walter zur Kenntnis genommen – und auch die Beförderung von Eric Huwer zum Finanzvorstand sei richtig gewesen.

„Zu ihm hatte ich auch in meiner Zeit schon sehr großes Vertrauen. Der Herr Huwer war damals Prokurist und extrem vertrauenswürdig“, sagt Bruchhagen, der gespannt auf Huwers ersten Auftritt als Vorstand am kommenden Donnerstag auf der Hauptversammlung ist. „Bei den Aktionären hat er den Hut auf. Alle wollen von ihm ja gute Zahlen hören.“

Bruchhagen über Samthandschuhe beim HSV

Obwohl Bruchhagen bereits vor fünf Jahren vom HSV freigestellt wurde, verfolgt er noch immer intensiv das Hamburger Geschehen. Besonders an die Hauptversammlungen mit den Anteilseignern und die Aufsichtsratssitzungen könne er sich noch bestens erinnern.

Dass es aber am Donnerstag zwischen HSV-Präsident Marcell Jansen, mit dem er sich nie mehr als „Guten Tag“ gesagt habe, und den Aktionären, die Jansens Rücktritt in einem Brief gefordert hatten, zum Eklat kommt, glaubt Bruchhagen nicht. „Diese Diadochenkämpfe werden nicht von face to face ausgetragen, sondern die laufen meistens im stillen Kämmerlein und über die Medien“, sagt er. „Auf so einer Versammlung haben meistens alle Samthandschuhe an.“

Man darf gespannt sein, ob das auch für den HSV am kommenden Donnerstag gilt. Schließlich treffen mit dem umstrittenen Ex-HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld und den Vertretern der Kühne-Holding erstmals wieder zwei Parteien aufeinander, die kurz vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung standen und noch immer stehen.

HSV: Bruchhagen sieht Kühne kritisch

Treffen beim Neujahrsempfang 2017: Bruchhagen (l.) und Kühne.
Treffen beim Neujahrsempfang 2017: Bruchhagen (l.) und Kühne. © Marcelo Hernandez

Bruchhagen macht keinen Hehl daraus, dass er als Frankfurt-Chef früher immer eine sehr kritische Haltung zu HSV-Milliardär Klaus-Michael Kühne hatte, diese aber mittlerweile revidiert habe. „Herr Kühne ist mit Leib und Seele Fußballfan“, sagt Bruchhagen und rät, Kühnes 120-Millionen-Offerte wohlwollend zu prüfen: „Man darf Herr Kühnes Angebot, dem HSV im großen Maße zu helfen, nicht ablehnen.“

Bruchhagen für Rechtsformänderung beim HSV

Bruchhagen weiß auch, dass dafür wohl das Gelingen einer Rechtsformänderung unabdingbar ist. Genau wie sein Ex-Club Eintracht Frankfurt hatte der HSV 2014 auf eine AG gesetzt, was sich im Nachhinein als Fehler herausgestellt hat. Auf der Mitgliederversammlung wurde die Arbeitsgruppe Rechtsform damit beauftragt, weiterhin die Option eines Wechsels in eine KGaA zu prüfen. „Mein Freund Jürgen Hunke wird mich töten, wenn er meine Meinung hört. Aber ja, ich verstehe das. Ich würde diese Rechtsformänderung sehr, sehr befürworten“, sagt Bruchhagen.

Über all das will er auch demnächst mit HSV-Vorstand Boldt fachsimpeln. Der habe ihm gerade erst eine Ehrenkarte für einen Hamburger Golfclub geschenkt. Wer das bessere Handicap hat? Bruchhagen schmunzelt. „Wir tun uns beide schwer mit dieser Sportart. Aber im Vergleich zu nichts ist wenig viel. Und von daher gesehen geben wir uns Mühe.“

Mühe soll sich unbedingt auch der HSV weiter geben. „Der Club gehört einfach in die Bundesliga“, sagt Bruchhagen, der mit dem Flieger bald erneut hoch hinaus will. Diesmal aber nicht in Sachen HSV, sondern in Sachen Frankfurt. Sein Herzensverein habe ihn eingeladen, zum Achtelfinal-Rückspiel der Champions League zum SSC Neapel mitzureisen. „Auf solche Spiele freut man sich“, sagt Bruchhagen.

Und der HSV? Spielt statt in Neapel am Wochenende in Rostock, dann in Heidenheim. „Durchhalten“, sagt Bruchhagen. „Im Sommer ist Schluss mit der Zweiten Liga.“